Skip to main content

Kapazitätsgrenze bald erreicht

Flüchtlingspolitik: Landkreis Karlsruhe kritisiert Bund und Land

Kommunen im Landkreis Karlsruhe haben viele Fragen, aber wenige Antworten. Bis Ende des Jahres müssen sie vermutlich mehr als 2.000 zusätzliche Flüchtlinge unterbringen. Sie fühlen sich allein gelassen.

Geflüchtete aus der Ukraine
Steigende Zahlen: Im Landkreis wachsen die Zweifel, dass es gelingt, alle Flüchtlinge und Kriegsvertriebenen unterzubringen. Foto: Henning Kaiser/dpa

Im Landkreis Karlsruhe mehren sich die Zweifel, dass es gelingen wird, alle zugewiesenen Flüchtlinge unterzubringen. Der Kreis rechnet damit, dass bis Ende 2023 mehr als 2.000 zusätzliche Plätze nötig sein werden.

Vertreter von Kommunen und des Kreises äußerten bei der jüngsten Sitzung des Verwaltungsausschusses in Karlsruhe harsche Kritik an der Bundes- und Landespolitik. Landrat Christoph Schnaudigel (CDU) forderte eine „richtiges soziales Wohnungsbauprogramm“.

Es handle sich um eine große Herausforderung, „von der wir heute nicht sagen können, ob wir das überhaupt schaffen“, sagten Schnaudigel und der Erste Landesbeamte Knut Bühler. Der präsentierte den Kreisräten in Karlsruhe aktuelle Zahlen zu Flüchtlingen und Kriegsvertriebenen – inklusive der Prognose des zusätzlichen Bedarfs bis zum Jahresende.

5.400 Ukraine-Flüchtlinge sind im Landkreis gemeldet

Das Gros der aktuell im Landkreis lebenden Flüchtlinge stammt aus der Ukraine. „Derzeit sind von dort 5.400 Personen gemeldet“, teilte die Verwaltung mit. Über die Hälfte der Menschen werde privat untergebracht.

Ohne diese Hilfe – darüber herrschte weitgehend Einigkeit im Ausschuss – wäre eine „ordnungsgemäße Unterbringung“ in dieser Form schon heute nicht mehr möglich.

Es gehe nicht allein um die Unterbringungen, sondern ebenso um die Betreuung der Flüchtlinge, um damit verbundenes Personal, um Sozialarbeiter und vieles mehr, betonte Schnaudigel.

„Ich habe das Gefühl, dass das System an seine Kapazitätsgrenzen kommt. Und nein, ich habe keine Lösung dafür parat.“ Der Landrat zeigte sich überrascht, mit welcher Gelassenheit aus seiner Sicht auf Bundesebene mit dem Thema umgegangen werde.

Östringens Bürgermeister spricht von „sozialer Quadratur des Kreises“

Diesen Faden griff auch Rheinstettens Oberbürgermeister Sebastian Schrempp (CDU/Junge Liste) auf: „In Berlin macht man es sich einfach.“ Auf die Kommunen, die unterste Ebene, prassle immer mehr ein. Angesichts der Zahlen, der „Riesen-Nummer, die auf uns zukommt“, sprach Östringens Bürgermeister Felix Geider (Freie Wähler) von der Vorgabe einer „sozialverträglichen Quadratur des Kreises“. „Auf Dauer“, mutmaßte er, „bekommen wir das nicht hin.“

Solidarität auf allen Ebenen, vom Bund über die Länder bis zu den Kommunen, beschwor Gondelsheims Rathauschef Markus Rupp (SPD). Was keinesfalls helfen würde, wäre, sich gegenseitig auszuspielen. Wie sämtliche anderen Fraktionssprecher brach er eine große Lanze für alle Ehrenamtlichen: „Wenn wir die nicht hätten…“

Eine Aufwandspauschale für Ehrenamtliche, möglicherweise mitfinanziert vom Landkreis, brachte Inge Ganter (Grüne) ins Spiel. Insgesamt wenig zuversichtlich zeigte sich Jürgen Wacker (FDP), der den 2015 von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel geprägten Satz „Wir schaffen das“ als „längst überholt“ bewertete.

Ein „grundsätzliches Umdenken von Bund und Land bei der Flüchtlingsfrage“ forderte sodann Rainer Balzer (AfD).

Landrat fordert ein großes Wohnungsbauprogramm

Aller Kritik und Hilferufe zum Trotz: Für die Kommunen drängt in der Flüchtlingsthematik die Zeit.

Viele der Schutzbedürftigen, die sich zunächst in der Zuständigkeit des Landkreises befinden, müssen spätestens nach zwei Jahren in die sogenannte Anschlussunterbringung geführt werden. Dafür sind die Kommunen zuständig.

Was das bedeutet, lässt sich den vorgestellten Zahlen ebenso entnehmen: Es müssen Wohnungen her. „Das Mindeste, was Bund und Länder jetzt machen müssten, ist ein richtiges soziales Wohnungsbauprogramm wie in den 1950er und 1960er Jahren aufzulegen“, sagte Schnaudigel. Kommen wird das aus Sicht des Landrats aber nicht. „Bei einer Bundesregierung, einer Innenministerin, die, wie es scheint, vor der Realität die Augen schließen.“

nach oben Zurück zum Seitenanfang