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Brandstiftung

Brandstiftung in Karlsruhe: 1996 starben drei Menschen – der Täter wurde nie gefunden

Drei türkischstämmige Karlsruher starben, als im Oktober 1996 ein Hinterhaus in der Markgrafenstraße ausbrannte. Laut Polizei war es Brandstiftung. Wer die Toten auf dem Gewissen hat, ist bis heute nicht geklärt.

Brandanschlag: Bei einem vorsätzlich gelegten Brand in einem Mehrfamilienhaus in der Karlsruher Markgrafenstraße starben im Oktober 1996 drei Menschen. Sie stammten aus der Türkei.
Brandanschlag: Bei einem vorsätzlich gelegten Brand in einem Mehrfamilienhaus in der Karlsruher Markgrafenstraße starben im Oktober 1996 drei Menschen. Sie stammten aus der Türkei. Foto: Rolf Donecker

Dieser Mittwoch im Oktober 1996 ist ein schwarzer Tag in der Geschichte einer Stadt, die stets viel auf ihre liberalen Traditionen gab: Drei Menschen sterben bei einem Feuer in der Karlsruher Markgrafenstraße. Das Feuer wurde wahrscheinlich vorsätzlich gelegt.

In Karlsruhe, in der Stadt, in die einst Stadtgründer Karl Wilhelm per Privilegienbrief Neubürger rief, um sich ein eigenes Haus aufzubauen. Und zu den Privilegien zählten nicht nur kostenloser Bausand und gratis Holz. Auch Religionsfreiheit sicherte der Markgraf seinen Untertanen zu. Das war 1715.

Ausgerechnet in der Markgrafenstraße ging 281 Jahre später ein Haus in Flammen auf, in dem vor allem Menschen mit anderer Religion lebten. Ein Iraner, mehrere türkische Familien. Es war Brandstiftung, wie die Polizei wenig später herausfinden sollte. War es eine Brandstiftung, die von Fremdenfeindlichkeit getrieben war?

Als gegen vier Uhr in der Frühe die ersten Notrufe bei der Feuerwehr in der Ritterstraße eingehen, lodern die Flammen bereits taghell durch das Hinterhaus des Anwesens. Im Erdgeschoss ist das Feuer wohl ausgebrochen, rasch arbeitet es sich nach oben bis ins Dachgeschoss.

Um vier Uhr sind die Nachtschwärmer bereits zu Hause, und die Frühen noch nicht unterwegs. Der Iraner, der im Parterre wohnt, ist verreist, oberhalb hingegen sind die Anwohner zuhause. Es müssen sich dort dramatische Szenen abgespielt haben in jener Nacht. Im zweiten Obergeschoss findet die Feuerwehr später eine tote Frau, und auch ihr Ehemann überlebt den Brand nicht. Er liegt schwer verletzt im Hinterhof und stirbt kurze zeit später im Krankenwagen. Offenbar sah er sich gezwungen, in die Tiefe zu springen, um dem flammenden Inferno zu entgehen.

Tod im Hinterhof: Ein Mann kam zu Tode, als er einen waghalsigen Sprung nach unten wagte. Flammen und Rauch hatten ihm offenbar den Weg durchs Treppenhaus versperrt.
Tod im Hinterhof: Ein Mann kam zu Tode, als er einen waghalsigen Sprung nach unten wagte. Flammen und Rauch hatten ihm offenbar den Weg durchs Treppenhaus versperrt. Foto: Rolf Donecker

Ähnlich entsetzlich muss sich die Lage im Dachgeschoss zugespitzt haben. Eine Frau hat sich aufs Dach des brennenden Hauses geflüchtet und muss damit rechnen, dass das Gebäude jeden Moment einstürzt. Am Ende kommt sie mit dem Leben davon. Ihr Ehemann hingegen nicht. Er ist das dritte Todesopfer des verheerenden Feuers. Alle Toten sind Türken.

Brandbeschleuniger entdeckt

Wie ist das Flammenmeer ausgebrochen? War eine Gasleitung schadhaft? Brannten Speisen auf einem Herd an und entzündeten das Mobiliar? Schnell ist sich die Polizei ziemlich sicher, dass technisches Versagen und Fahrlässigkeit als mögliche Brandursachen ausscheiden. Vieles spricht für Brandstiftung. Das stärkste Indiz: Die Spezialisten der Polizei haben bei der Treppe Klopapierrollen entdeckt. Offensichtlich wurden mehrere angezündet, um den Brand zu starten.

Am Anfang sind die Ermittler optimistisch, dass sie über kurz oder lang Licht ins Dunkel bringen können. Zumal 10.000 D-Mark Belohnung für Hinweise ausgelobt werden, die zur Ergreifung des Täters oder der Täter führen. Fleißig verteilt die Polizei Flugblätter im Quartier. In Deutsch und Türkisch schildert sie darauf das Geschehen und stellt Fragen. Im Quartier wohnen einige türkischsprachige Karlsruher.

Die Ermittler sehen Ansatzpunkte auch in Ereignissen, die zum Zeitpunkt des Unglücks erst wenige Wochen zurückliegen. Ein geparktes Fahrrad war bei Zündeleien beschädigt worden. Gravierender schien indessen ein anderes Vorkommnis. Offenbar hatte jemand nachts einen brennenden Lappen oder etwas Ähnliches nahe dem späteren Unglücks-Haus durch ein offen stehendes Fenster geworfen. Man entdeckte das beginnende Feuer und erstickte es im Keim.

Rassismus als Motiv?

Haben diese Ereignisse etwas mit der späteren schlimmen Brandnacht zu tun? Ein Pyromane? Oder hatte es ein Unbekannter oder eine Tätergruppe auf Migranten abgesehen? Immerhin war im Quartier bekannt, dass vor allem Türken in dem Eckhaus ansässig waren.

Interessierte politische Kreise gingen jedenfalls von einem durch Rassismus motivierten Anschlag aus - entsprechende Flugschriften aus der Antifa-Szene machten die Runde. Das wiederum blieb in der Heimat der Opfer nicht ohne Wirkung. Türkische Medien forderten die „Auslieferung der Verbrecher“. Verbrecher, die die Polizei nicht präsentieren konnte.

Neubau: Ecke Markgrafen- und Kreuzstraße, wo einst bei einem Brand drei Menschen zu Tode kamen, ist von dem dramatischen Geschehen heute nichts mehr zu sehen.
Neubau: Ecke Markgrafen- und Kreuzstraße, wo einst bei einem Brand drei Menschen zu Tode kamen, ist von dem dramatischen Geschehen heute nichts mehr zu sehen. Foto: Jörg Donecker

Dass das mutmaßliche Verbrechen bis heute nicht geklärt worden ist, liegt nicht etwa am fehlenden Nachdruck der Ermittlungsbehörden. Als sich wenige Tage nach dem traurigen Ereignis rund 1.000 Trauernde vor dem Karlsruher Rathaus versammelten, rief ihnen Franz Burkart, damals Chef der Karlsruher Kriminalpolizei, zu: „Wir unternehmen alles erdenkliche, das verspreche ich Ihnen!“ Im unmittelbaren Nachgang des Geschehens verfolgten die Ermittler rund 250 Spuren, in den weiteren Jahren Hunderte mehr. Keine aber führte bis heute zum Täter.

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