
Ungewöhnliche Bilder bieten sich Passanten und Autofahrern am Mittwochabend nahe dem Bundesverfassungsgericht: Gut ein Dutzend Mitglieder der Umweltgruppierung Extinction Rebellion (XR) blockieren tanzend und schauspielernd zeitweise die Kreuzung an der Hans-Thoma- und Waldstraße. Ein unmittelbares Zusammentreffen mit Autofahrern bleibt aus – die Polizei sorgte vor.
Zwischen 18 und 20 Uhr wird die Kreuzung alle 30 Minuten gesperrt. Immer dann, wenn die Aktivisten ihre Performance aufführen. Anlass ist der 2. August, der Earthovershootday – der Tag im Jahr, an dem die Menschheit die natürlichen Ressourcen der Erde aufgebraucht hat.
Absicherung durch die Karlsruher Polizei
Das Schauspiel ist von der Polizei abgesichert. So war es im Vorfeld mit den Ordnungsbehörden ausgemacht worden. Die Beamten leiten um oder stoppen den Verkehr aus Richtung Osten und Westen schon mehrere Straßenzüge vorher – einzig in der Waldstraße stauen sich die Fahrzeuge während der fünfminütigen Sperrung.
Die meisten Autofahrer dort zeigen Ruhe, bleiben in den Fahrzeugen sitzen, während einsetzender Regen immer weiter zunimmt. Nur wenige Verkehrsteilnehmer steigen aus ihren Autos, rufen unfreundliche Sprüche über die sichernden Polizeibeamten hinweg in Richtung der Teilnehmer.

„Wir haben eigentlich mit mehr Publikum gerechnet“, erklärt Clemens Pasch, Teilnehmer bei XR Karlsruhe und Leiter der Inszenierung in der Nähe des Bundesverfassungsgerichts. Dass die Behörden den Verkehr schon viele Straßenmeter vor der Kreuzung abblocken, ist für ihn und die anderen Teilnehmer eine Überraschung. Stoisch bringen sie ihre Darbietung zu Ende.
Viele Blockadeaktionen von Umweltaktivisten in der Stadt verliefen ohne eine Anmeldung im Vorfeld. Der Öffentlichkeit gegenüber unangekündigt verlief etwa die Sitzdemonstration der Letzten Generation auf der Karlsruher Kriegsstraße, genauso wie die vereitelte Beschädigung eines Steinquaders mit Namenszug vor dem Bundesverfassungsgericht.
Das Grundrecht der Versammlung ist ein hohes Gut.Florian Kaute
Sprecher der Stadt Karlsruhe
Die Vorzeichen sind bei der Blockade-Performance andere: Das Versammlungsrecht schützt die Kundgebung auf der Kreuzung. Eine Genehmigung muss bei der Versammlungsbehörde nicht eingeholt werden, lediglich die Anmeldung braucht es. Die Behörde prüft dann die Möglichkeiten der Durchführung. „Das Grundrecht der Versammlung ist ein hohes Gut“, schreibt dazu die Stadt.
Innenministerium genehmigt Veranstaltung im befriedeten Bezirk in Karlsruhe
Aktionen von anderen Gruppierungen setzen häufig auf den Überraschungseffekt. „Solche radikalen Disruptionen rufen zum Teil starke Gegenreaktionen in der Öffentlichkeit hervor“, betont Pasch. Die zwischen Amtsgericht und Kunsthalle gezeigte Performance solle die Menschen durch die Bewegungen und Formen erreichen, „nicht nur durch Disruption.“

Die Redaktion erreichten schon im Vorfeld der Performance wütende Zuschriften, in denen die Aktivisten als Klimaterroristen beschimpft werden. Ein anderer Schreiber zweifelt die Unparteilichkeit der involvierten Behörden an – ohne Belege.
Unbenommen der Unbedenklichkeit, die die Stadt der Versammlung attestiert, hält der gewählte Veranstaltungsort eine Hürde bereit: Wie Leser die Redaktion darauf hinwiesen, gehört die verlängerte Waldstraße in den befriedeten Bezirk, die um das Bundesverfassungsgericht läuft. Versammlungen unter freiem Himmel seien in diesen Bereichen grundsätzlich verboten, erklärt das Bundesministerium des Innern auf Anfrage.

Aber: „Im Hinblick auf den hohen Rang der Versammlungsfreiheit haben Bürgerinnen und Bürger (…) einen Anspruch auf die Zulassung einer Versammlung im befriedeten Bezirk“, führt eine Sprecherin des Ministeriums weiter aus. Bedingung sei, dass die Tätigkeit des Gerichts als Verfassungsorgan nicht eingeschränkt werde und auch der Zugang ohne Einschränkungen möglich sei.
In Rücksprache mit dem Präsidenten des Gerichts, Stephan Harbarth, konnte „die Zulässigkeit bejaht werden“, formuliert das Berliner Ministerium gegenüber der Redaktion. Mit den vorliegenden Informationen sei eine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit des Gerichts nicht anzunehmen. Die XR Karlsruhe indessen wird wahrscheinlich auch künftig Aktionen planen – ob die in einem ähnlichen Umfeld stattfinden werden wie am Mittwoch, lässt Clemens Pasch offen.