Skip to main content

Termin in Karlsruhe

Freiburger Oberstaatsanwalt Klaus Hoffmann hilft in der Ukraine, Kriegsverbrechen aufzuklären

Der Freiburger Oberstaatsanwalt Klaus Hoffmann hilft in der Ukraine, Kriegsverbrechen aufzuklären. Eine Aufgabe mit nicht nur juristischen Tücken. Darüber sprach er in Karlsruhe.

Für die Ukraine ist die Sache klar: Beamte bezeichnen die schweren zivilen Opfer, die vergangenes Jahr in der Stadt Butscha gefunden wurden, als vorsätzliches Kriegsverbrechen.
Für die Ukraine ist die Sache klar: Beamte bezeichnen die schweren zivilen Opfer, die vergangenes Jahr in der Stadt Butscha gefunden wurden, als vorsätzliches Kriegsverbrechen. Foto: Matthew Hatcher/dpa

Klaus Hoffmann ermittelt in Sachen Drogendelikte und Organisierter Kriminalität. Besser gesagt: Er ermittelte. Denn der Freiburger Oberstaatsanwalt hilft seit Sommer 2022 ukrainischen Kollegen bei der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen. Wie kam es dazu und was erlebt er dort?

Hoffmann hat schon früher mit Kriegsverbrechen zu tun gehabt. Von 2005 bis 2010 arbeitete er am UN-Kriegsverbrechertribunal für das frühere Jugoslawien, Das Thema hat ihn also nicht losgelassen, erläuterte er am Mittwochabend vor der Justizpressekonferenz in Karlsruhe. Jetzt ist er vom Land Baden-Württemberg beurlaubt, um die Ukrainer zu unterstützen. Eine Gruppe internationaler Experten hilft dort, Kriegsverbrechen aufzuarbeiten.

Freiburger Oberstaatsanwalt zu Besuch bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe

Seit Sommer 2022 sieht der Berufsalltag des 49-Jährigen so aus: Er ist zwei bis drei Wochen in dem Kriegsland, dann wieder einige Tage zu Hause in Freiburg. Jetzt machte er kurz Station in Karlsruhe, besprach sich dort auch am Donnerstag mit Experten der Bundesanwaltschaft, die ebenfalls Ermittlungen zu Kriegsverbrechen in der Ukraine aufgenommen hat.

Oberstaatsanwalt Klaus Hoffmann ist voll des Lobes für die ukrainischen Ermittler.
Oberstaatsanwalt Klaus Hoffmann ist voll des Lobes für die ukrainischen Ermittler. Foto: Staatsanwaltschaft Freiburg

„Als ich im Juli 2022 zum ersten Mal die Grenze zur Ukraine überschritten habe, hatte ich schon ein mulmiges Gefühl“, berichtet er. Im Sommer habe er die Situation in der Hauptstadt Kiew dann aber entspannt erlebt. Viele Luftalarme würden gar nicht mehr ernst genommen.

Im Osten der Ukraine sehe es natürlich anders aus, aber Hoffmann war bisher nicht in der Nähe des Kriegsgeschehens. Bei der Beratung in Kiew geht es um ganz praktische Fragen: Wie befragt man Zeugen? Wie geht man mit der Masse der Verfahren um? Wie arbeitet man mit Nichtregierungsorganisationen zusammen? Wie sichert man Beweise?

Die politische Führung meint, liefern zu müssen.
Klaus Hoffmann, Oberstaatsanwalt

„Wir bieten unsere Hilfe an, arbeiten aber nicht nach dem Motto, dass wir es besser wissen“, sagt Hoffmann. Wichtig sei der Austausch über die Jugoslawien-Kriege der 90er Jahre: Am besten wäre es, wenn die ukrainische Justiz die Fehler von Kroatien und Bosnien-Herzegowina vermeiden würde, meint Hoffmann.

Als Problem stellt sich heraus, dass es in der Ukraine unzählige Akteure gebe, staatliche wie nicht-staatliche. So gebe es mehr als 100 Nichtregierungsorganisationen. „Die Koordination haben wir bisher noch nicht geschafft“, gesteht Hoffmann.

Die Ukrainer seien dankbar über die Hilfe – aber nicht bei jedem Thema. Manchmal spüre man politischen Druck. „Die politische Führung meint, liefern zu müssen. Man will zeigen, dass die ukrainische Justiz arbeitet, dass Prozesse laufen, dass Verbrechen gesühnt werden.“

Hoffmann kann diesen Ansatz nachvollziehen. Man müsse sich nur mal die Frage stellen, wie Deutschland reagieren würde, wenn etwa Frankreich Baden-Württemberg besetzt hätte und den Rest der Bundesrepublik bombardiere.

Ukraine-Krieg: Verfolgung von Kriegsverbrechen unabhängig von der Nation

Hoffmann tritt bei allem Verständnis für die Ukraine aber auf die Bremse. „Wir wären bei den Verfahren zurückhaltender“, erläutert er. Man wolle die ukrainischen Staatsanwälte davon überzeugen, den Schwerpunkt auf die Ermittlungen zu legen und die Prozesse erst nach Ende des Kriegs zu führen.

Die Masse der Verfahren wird in der Ukraine stattfinden müssen.
Klaus Hoffmann, Oberstaatsanwalt

Wird bei der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen auch gegen ukrainische Täter ermittelt? Aus Sicht von Hoffmann unbedingt, denn die Verfolgung „gilt unabhängig von der Nation. Es wird neutral ermittelt“.

So gebe es etwa Berichte der Vereinten Nationen und der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW), dass beide Seiten gegen internationales Recht verstoßen. Hoffmanns Appell: „Wir sagen den Ukrainern: Geht den Vorwürfen nach. Macht gerade dadurch den Unterschied zum russischen Staat.“

Beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag laufen ebenfalls Ermittlungen. Diese Expertise sei wichtig, aber Hoffmann glaubt: „Die Masse der Verfahren wird in der Ukraine stattfinden müssen.“

Sondertribunal sieht Klaus Hoffmann kritisch

Ein Sondertribunal für die Ukraine einzurichten, sieht er eher kritisch. „Selbst wenn man so ein Sondertribunal schaffen würde, würde es nur die Führungsebene der Russen betreffen: Putin, ein, zwei Generäle, Außen- und Verteidigungsminister. Selbst wenn so ein Gericht nächstes Jahr eingerichtet würde, sehen wir Putin nächstes Jahr nicht vor Gericht“, glaubt er.

Allgemein ist Hoffmann voll des Lobes für die ukrainischen Ermittler: „Es wird viel dokumentiert. Mit Handys wird Material beweissicher eingespielt, es werden soziale Medien abgegriffen, Verbrechen mit Aufklärungsdrohnen gefilmt. Das ist für den Beweiswert enorm“, so Hoffmann.

Um dies alles für künftige Verfahren abzusichern, verbringt Hoffmann gerne Zeit in der Ukraine. Die Drogendelikte und die Organisierte Kriminalität müssen noch eine Weile warten.

nach oben Zurück zum Seitenanfang