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Impulse für ZKM

Zum Tod des Kunsthistorikers Hans Belting: Karlsruhe hat ihm viel zu verdanken

Er war eine Jahrhundertgestalt: Der Medien- und Kunstwissenschaftler Hans Belting hat der Disziplin den Blick in die Zukunft eröffnet. Auch Karlsruhe hat ihm viel zu verdanken.

Der Kunstwissenschaftler Hans Belting, hier 2012 im ZKM Karlsruhe, ist im Alter von 87 Jahren gestorben.
Der Kunstwissenschaftler Hans Belting, hier 2012 im ZKM Karlsruhe, ist im Alter von 87 Jahren gestorben. Foto: Uli Deck / dpa

Als Hans Belting 1992 die Münchener Ludwig-Maximilians-Universität in Richtung Karlsruhe verließ, war das ein bedeutendes Statement.

Der damalige Ordinarius für Kunstgeschichte gab eine klassische Professur in hochattraktivem geistigem Umfeld zu Gunsten eines medien- und bildwissenschaftlichen Experiments an der jungen Karlsruher Hochschule für Gestaltung (HfG) auf – und niemand konnte wissen, ob dieses Experiment gelingt.

In der Rückschau hat sich der couragierte Schritt eines der international bedeutendsten Kunsthistoriker als Glücksfall für die gesamte Disziplin erwiesen. Für Karlsruhe sowieso. Bis zu seiner Emeritierung 2002 hatte Belting hier eine Professur für Kunstwissenschaft und Medientheorie inne. Jetzt ist er mit 87 Jahren in Berlin gestorben.

ZKM-Chef Peter Weibel würdigte Beltings weltweite Strahlkraft. Mit seinen Vorlesungen und Publikationen habe er ein „grundlegend neues Fundament für die Kunst der Moderne errichtet“. Belting sei neben dem französischen Philosophen Bruno Latour der wichtigste intellektuelle Partner des ZKM gewesen.

Belting hat dem Karlsruher ZKM zusammen mit Peter Weibel und Heinrich Klotz ein Profil gegeben

Tatsächlich hat neben Heinrich Klotz und Peter Weibel selbst vor allem Hans Belting dem 1989 gegründeten ZKM, das damals noch Zentrum für Kunst und Medientechnologie hieß, Profil und Strahlkraft gegeben.

Es war zeit seines wissenschaftlichen Lebens das besondere Verdienst des 1935 in Andernach geborenen Intellektuellen, die Grenzen der traditionellen Kunstgeschichte zu verschieben: Auf dem sicheren Fundament der alten Kunst verankerte er das Neue, schaffte Bezüge und blickte in die Zukunft. Nicht nur der Skulptur und dem Bildwerk galt sein Interesse, er befasste sich auch mit Filmästhetik und den Bedingungen des Kunstwerk zu Zeiten der Digitalisierung. Spätestens mit seinem Werk „Bild und Kult“ machte sich Hans Belting unsterblich.

Jede seiner Abhandlungen ist von einem gelegentlich bis zum Tüfteln getriebenen Impetus des Fragens bewegt; Hans Belting war ein Perfektionist von nachdenklicher Gründlichkeit. Seine Veröffentlichungen sind anregend und haben mitunter auch weit jenseits der kunstwissenschaftlichen Community Spuren hinterlassen.

Das gilt in Sonderheit für seine Veröffentlichung „Das Ende der Kunstgeschichte“ aus den 1980er Jahren. Es war wohl auch dieser fragende Ansatz des Querdenkers, der ihn letztlich ans Karlsruher ZKM führte. Der Genius Loci des Hallenbaus an der Lorenzstraße stimulierte seine wissenschaftliche Kreativität.

Hans Belting änderte Sichtweisen der Kunsthistoriker

Seine Bereitschaft, die zementierten Grenzen des Kanons zu verlassen, ist umso bemerkenswerter, ruft man sich seinen Werdegang in Erinnerung: Belting studierte in Mainz und Rom Kunstgeschichte, seine Dissertation galt einem Freskenzyklus aus dem frühen Mittelalter.

Bevor er 1966 ans kunstgeschichtliche Institut der Universität Hamburg ging, war er bereits Fellow der Harvard University. Nach seiner Habilitation über Aspekte der süditalienischen Malerei zur Langobardenzeit lehrte Belting in den 1970er Jahren an der Uni Heidelberg, dann ging er nach München.

Blick von oben in eine Ausstellung beim Tag der offenen Tuer im ZKM Karlsruhe.
Das Karlsruher ZKM, hier beim Tag der offenen Tür 2023 mit der Schau von Ole Scheeren, verdankt unter anderem Hans Belting sein Profil. Foto: Peter Sandbiller

Seine Lust, wider den akademischen Stachel zu löcken, zeichnete sich bereits früh ab. 1981 äußerte sich Belting in Buchform über „Das Bild und sein Publikum im Mittelalter“. Dabei entfernte er sich von der unter Kunsthistorikern gern geübten Praxis, allein das Bildwerk selbst als Forschungsgegenstand gelten zu lassen. Belting bohrte gleichsam den Gegenstand der Forschung sozialwissenschaftlich auf.

Er fragte nach der Plausibilität des eurozentristischen Blicks auf die Kunstgeschichte und thematisierte als einer der Ersten Fragen des ästhetischen Weltbürgertums. Den ganz großen Bogen in dieser Hinsicht spannte er 2008 mit der Veröffentlichung „Florenz und Bagdad“. Hier ging es dem Weltbürger Belting um die Wechselbeziehungen zwischen den alten Meistern und der islamischen Welt – und mithin um hochaktuelle Globalisierungsaspekte in der Kunstgeschichte.

Beltings Bereitschaft zum Brückenbau

Gleichfalls die Grenzen des Fachs überwand Belting mit seinem 2013 vorgelegten Werk „Faces“, das eine Geschichte des Gesichts sein wollte. Das Werk spannt den kulturgeschichtlichen Bogen bis in die digitalen Zeiten von Selfies, Facebook und Instagram und führt das Phänomen der Selbstinszenierung mittels sozialer Netzwerke auf ästhetischen Traditionen zurück.

Mit dieser durchgängigen Bereitschaft zum intellektuellen Brückenbau war der stets bescheiden auftretende Hans Belting wie geschaffen für das Profil des Karlsruher ZKM. Nicht nur Karlsruhe, das aber ganz besonders, hat ihm viel zu verdanken.

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