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Sprunghaftes Wachstum

Immer öfter wird in Karlsruhe mit Karte bezahlt: „Die Leute geben Geld aus, ohne darüber nachzudenken“

In der Corona-Krise greifen die meisten in Karlsruhe deutlich häufiger zur Karte als zum Bargeld. Die einen ärgert es, für andere kann dieser Wandel gar nicht schnell genug gehen.

Maximilian Wilkendorf an der Kasse seines Teehauses
Gestiegene Nachfrage: Im Teehaus von Maximilian Wilkendorf kaufen seit Beginn der Corona-Pandemie deutlich mehr Menschen mit EC-Karte ein – oft auch bei kleinen Beträgen. Foto: Jörg Donecker

In drei von vier Fällen greift Birke Bronner nach eigener Schätzung beim Bezahlen zur EC-Karte. Nur kleine Beträge legt sie in bar auf die Theke.

Vor knapp einem Jahr sah das noch völlig anders aus, meistens nahm sie Münzen und Scheine aus dem Geldbeutel. Die Corona-Pandemie hat Bronners Bezahlverhalten deutlich verändert – und damit ist sie nicht allein.

Karlsruher Banken, Sparkassen, Einzelhändler und Gastronomen berichten unisono von großen Zuwächsen bei der Kartenzahlung. Doch nicht jedem gefällt der Trend. Viele Händler kostet er aus ihrer Sicht vor allem Geld.

Händler zahlen für jede Transaktion

„Wir müssen für jede Transaktion bezahlen, das ist vielen nicht bewusst“, erklärt Maximilian Wilkendorf vom gleichnamigen Karlsruher Teehaus. „Im Monat kommen da schon mal 200 Euro zusammen.“ Im vergangenen Frühjahr hatte Wilkendorf ein neues Gerät gekauft, schneller und kundenfreundlicher sollte es sein.

Für die erwünschte Kontaktvermeidung ist in seinem Geschäft auch die Untergrenze von zehn Euro für Kartenzahlungen gefallen. Seitdem wird auch gerne mal für 3,50 Euro die EC-Karte gezückt.

Die Leute geben Geld aus, ohne darüber nachzudenken.
Anna Barbara Paschen, Inhaberin Spielwarenladen „Kinderglück“

Ähnliche Erfahrungen hat Anna Barbara Paschen mit ihrem Spielwarenladen „Kinderglück“ gemacht. Früher habe man vor allem den großen Weihnachtseinkauf mit Karte bezahlt, erinnert sie sich. Mittlerweile kommt auch bei ihr nur noch ein Drittel des Umsatzes bar in die Kasse.

So richtig glücklich ist Paschen damit nicht, daraus macht sie keinen Hehl. „Die Leute geben Geld aus, ohne darüber nachzudenken. Viele haben kein Gefühl mehr dafür und verlieren den Überblick“, glaubt sie. Anbieten müsse ein Händler dennoch alle Optionen. „Sonst ist man ganz schnell weg vom Fenster.“

Fast ein Drittel mehr Kartenzahlung

Den Trend zur Kartenzahlung untermauern die Daten der Volksbank Karlsruhe. Im Oktober 2020 lag die Zahl der Kartenverfügungen um 42 Prozent höher als zwölf Monate zuvor, teilt die Bank auf Nachfrage der BNN mit. Der Durchschnittswert einer Bezahlung per EC-Karte ist bei ihren Kunden dabei innerhalb eines Jahres um rund elf Prozent gefallen – von etwa 52 auf 47 Euro.

Bei den Kreditkarten fällt der Rückgang um 24 Prozent auf knapp 72 Euro sogar noch deutlicher aus. Weil die Menschen diese Karten 2020 aber nicht wie sonst vor allem im Urlaub, sondern eher für Online-Einkäufe genutzt haben, ist die Vergleichbarkeit eingeschränkt.

Die Abkehr vom Bargeld hat auch dazu geführt, dass Geldautomaten 2020 deutlich seltener genutzt wurden. „Normalerweise habe ich jede Woche einen Betrag x abgehoben, das war mein Budget“, sagt etwa Birke Bronner. „Jetzt mache ich das nur noch alle zwei Wochen.“ Rund 20 Prozent weniger haben die Kunden der Sparkasse Karlsruhe aus den Automaten gezogen, etwa 30 Prozent waren es bei der BB Bank.

Der Aufwand sinkt ohne Bargeld deutlich.
Lukas Möller, Inhaber Deli Burgers

Auf Münzen und Scheine verzichten will aber längst nicht jeder, diese Erfahrung hat Gastronom Lukas Möller gemacht. Ende März 2020 schaffte er in seinem „Deli Burgers“ die Bargeld-Zahlung komplett ab. Er nutzte den Beginn der Corona-Krise für ein Projekt, das er längst ausprobieren wollte. „Der Aufwand sinkt ohne Bargeld deutlich: Man muss weniger zählen, weniger zur Bank tragen, braucht kein Wechselgeld. Und es ist nicht so unhygienisch“, zählt er auf.

Zwei Monate später gab er den Versuch trotzdem vorerst auf. „Einige haben sich sehr angegriffen gefühlt und sind uns heftig angegangen. Das hat mich erschreckt“, erinnert sich Möller. Außerdem seien Zielgruppen wie junge Schüler weggefallen, die nur Bargeld dabei hatten.

Die Entwicklung will er dennoch im Auge behalten. „Vielleicht ist in zwei Jahren dann die richtige Zeit dafür“, sagt er. Eine Rückkehr zurück zum Bargeld wird es für viele auch nach der Corona-Pandemie nicht geben, davon ist Maximilian Wilkendorf überzeugt: „Dieser Trend wird bleiben.“

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