
Völlig entspannt wirkt Tanja Weber auf der blauen Liege nicht. Eine Schwester sucht an ihrem linken Arm gerade eine passende Vene. „Ich kann kein Blut sehen“, gab die angehende Spenderin schon im Wartezimmer zu. Trotzdem zieht sie es durch – wie ihre Arbeitskollegin Silke Willenberg. Beide sind bei der BBBank beschäftigt, beide zum ersten Mal Blut spenden.
Andreas Ruf dürfte das freuen. Der Leiter der Transfusionsmedizin am Städtischen Klinikum Karlsruhe registriert seit Jahren rückläufige Spenderzahlen. Die grundsätzliche Bereitschaft sei gar nicht gesunken, berichtet er. Die Quote der Spendewilligen liege „wie eine Naturkonstante seit gefühlt 100 Jahren bei knapp drei Prozent“. Das Problem sei vielmehr der demografische Wandel. Es gebe schlicht und einfach immer weniger Menschen im spendefähigen Alter.
Rote Blutkörperchen werden seltener als früher verabreicht
Mediziner im ganzen Land bekommen das mehr und mehr zu spüren. An verschiedenen Stellschrauben wurde bereits gedreht. „Auf dem Papier liegt die Altersgrenze beispielsweise bei 68 Jahren“, erklärt Ruf. „Nach ärztlicher Entscheidung sind wir mittlerweile aber bei 73, solange kein Spenderisiko besteht.“ Auch über die untere Altersgrenze von 18 Jahren wird längst offen diskutiert.
Bei der Verabreichung von Erythrozyten, sprich roten Blutkörperchen, haben Ärzte mittlerweile die Strategie gewechselt. Lange sei man dabei liberal vorgegangen, erklärt Experte Ruf. Mittlerweile werde das deutlich restriktiver gehandhabt, das spare rund 15 Prozent. Patienten bekommen nicht mehr so schnell eine Transfusion wie früher. „Für sie hat das keine negativen Auswirkungen“, betont Ruf. „Studien belegen, dass die Menschen genauso schnell gesund werden, der Heilungserfolg nicht schlechter ist.“
Qualitätsverlust in der Blut-Versorgung droht
Es gebe aber eine „Wohlfühlkomponente“, gibt er zu. Je mehr Sauerstoff zur Verfügung stehe, desto mobiler sei der Mensch. Bekomme ein Patient später eine Transfusion oder setze man gar auf seine eigene Reproduktion, fühle der sich schlechter. Von einem Umdenken unter Medizinern spricht Ruf. „Blut ist eine knappe Ressource geworden.“ Auf Bundesebene arbeiten verschiedene Stellen daran, die Versorgung sicherzustellen. Im Gespräch ist etwa eine zentrale Datenbank für Blutpräparate.
„Ein weiterer Rückgang des Spendenaufkommens wäre nicht mehr ohne Qualitätsverlust in der medizinischen Versorgung kompensierbar“, warnt Andreas Ruf. Es brauche einen ständigen Spenderstrom, um vorbereitet zu sein. Entspannt sei die Lage, wenn im Schrank Blut für den Verbrauch von fünf Tagen liege.

Doch davon ist man am Klinikum schon heute teilweise weit entfernt. Im vergangenen Frühjahr reichten die Reserven in einigen Wochen nur noch für einen Tag. „Das führt zu keinem Einbruch des Standards, ist aber ein Engpass mit ausgeprägter Schärfe.“
Neben neuen Strategien und nationalen Datenbanken sieht Andreas Ruf vor allem eine Stellschraube, an der sich vergleichsweise leicht drehen ließe. „Die Lösung liegt auf der Hand: Es geht um die Rekrutierung der 97 Prozent, die es sich überlegt, aber nie gemacht haben“, sagt er. Offensiv wirbt das Klinikum beispielsweise an den Hochschulen. Auch mit Unternehmen steht Ruf regelmäßig in Kontakt. Mitarbeiter für die Spendezeit freizustellen, darüber habe die Politik immer wieder nachgedacht. „Aber es gibt keine Lobby.“
Blutspenden in der Arbeitszeit
Die BBBank kam selbst auf die Blutspende-Zentrale zu, berichtet Michael Seitz, der sich in der Bank um das betriebliche Gesundheitsmanagement kümmert. Von Dezember bis April hat das Klinikum 50 Spenderplätze für Mitarbeiter der Bank reserviert, 48 sind bereits belegt. Das Unternehmen versorgt die Spender mit Lunchpaketen, die Zeit bekommen sie als Arbeitszeit gutgeschrieben. „Es soll ein Anreiz sein“, erklärt Seitz.
Für Tanja Weber und Silke Willenberg war die Aktion ihres Arbeitgebers der letzte Anstoß. Sie hatten immer wieder darüber nachgedacht, Blut spenden zu gehen. Willenberg half als Jugendliche sogar am Empfang der Zentrale aus. „Damals habe ich einige Männer aufgefangen“, erinnert sie sich lachend. Selbst spenden konnte sie lange nicht. Jetzt will sie am Ball bleiben. „Heute ist nicht das letzte Mal“, verspricht sie.