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Land wirbt für Gesetzesänderung

Tempo-30-Zonen könnten Tausende Menschen vor schädlichem Lärm schützen

Baden-Württemberg setzt sich für Absenkung der Geschwindigkeit in Wohngebieten ein, um die Straßen leiser zu machen. Nach Berechnungen des Landes würden Tausende Menschen davon gesundheitlich profitieren.

Ein Verkehrsschild mit der Aufschrift 30.
Die Begrenzung der Geschwindigkeit auf 30 Km/h insbesondere in Wohngebieten senkt laut Studien spürbar die Lärmbelastung und macht die Straßen sicherer. Foto: Sebastian Gollnow /dpa

Ein halbes Jahr nach dem Scheitern der Reform des Straßenverkehrsrechts macht Baden-Württemberg Druck auf andere Länder, innerorts mehr Tempo-30-Zonen einzurichten.

Dies würde viele Menschen vor Gesundheitsschädigung durch Lärm schützen, sagte Elke Zimmer, Staatssekretärin im Landesverkehrsministerium. „Unsere Berechnungen zeigen: Konsequent angewandt würde die heutige Belastung mit sehr hohen Lärmpegeln nahezu halbiert. Dazu muss aber die Rechtslage geändert werden.“

Zimmer nutzt den Internationalen Tag gegen den Lärm an diesem Mittwoch, um einen erneuten Anlauf zur Verabschiedung eines geänderten Straßenverkehrsgesetzes auf die politische Tagesordnung zu setzen. Ende November 2023 war die Novelle der Ampel-Koalition überraschend im Bundesrat durchgefallen, weil sie die erforderliche Mehrheit in der Länderkammer verfehlt hat.

Neues Straßenverkehrsgesetz scheitert im Bundesrat

Geplant war unter anderem die Lockerung der Regeln, um Tempo 30 leichter anordnen zu können, zum Beispiel in der Nähe von Spielplätzen und in Lücken zwischen zwei Tempo-30-Zonen.

Nach dem Scheitern des Vorhabens sah das FDP-geführte Bundesverkehrsministerium zunächst keinen Sinn darin, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Die Länder sollten erklären, was sie wollten, hieß es. Dieser Aufforderung kommt das Ressort des Landesministers Winfried Hermann (Grüne) nach.

Annähernd 350.000 Menschen im Land sind nachts kritischen Lärmbelastungen über dem Grenzwert 55 dB(A) ausgesetzt. Nach Expertenschätzungen waren in Karlsruhe zuletzt etwa 15.000 Einwohner durch zu hohe Geräuschpegel betroffen.

Laut dem Stuttgarter Ministerium tritt das Problem aber auch in kleineren Orten und im ländlichen Bereich auf: Außerhalb der Ballungsräume seien mehr als 1,4 Millionen Menschen vom Lärm der Hauptverkehrsstraßen betroffen. Etwa jeder Sechste in Baden-Württemberg lebt heute im lauten Umfeld großer Straßen.

Krach macht krank. Vor allem zur Schlafenszeit, wenn der Körper regenerieren muss. Schon eine Nacht mit Flug- oder Schienenlärm kann laut Studien ausreichen, um kognitive Prozesse im Gehirn und die Gefäßfunktionen negativ zu beeinflussen. Über längere Zeit kann anhaltender Lärm zu chronischen Erkrankungen wie Arteriosklerose führen. Er steigert zudem das Risiko von Schlaganfällen, Herzinfarkten und Depressionen.

Laut Jochen Eckart, Verkehrsökologe an der Hochschule Karlsruhe, ist die Absenkung der Geschwindigkeit in Wohngebieten auf 30 km/h eine der besten Anti-Lärm-Maßnahmen im Stadtverkehr.

„Das ist schnell umsetzbar, kostengünstig und wirksam. Außerdem macht Tempo 30 unsere Straßen sicherer“, sagte der Forscher in einem Gespräch mit unserer Redaktion. Letzteres bestätigt das Beispiel der französischen Metropole Lyon. Zwei Jahre nach Einführung von Tempo 30 auf den meisten städtischen Straßen ist dort die Zahl von Verkehrsunfällen um 35 Prozent gesunken.

Die Reform der Straßenverkehrsordnung sollte endlich auf den Weg gebracht werden.
Elke Zimmer
Staatssekretärin im Landesverkehrsministerium

Aktuelle Berechnungen auf Grundlage der Lärmkartierung in Baden-Württemberg zeigen, dass durch die Umstellung auf E-Mobilität, Tempo 30 innerorts und lärmmindernde Fahrbahnbeläge die Zahl der Betroffenen mit Lärmbelastungen von über 55 Dezibel nachts um etwa drei Viertel sinken würde.

Bei Belastungen über 60 Dezibel wären das sogar 90 Prozent Betroffene. Insgesamt könnte nach Schätzung des Verkehrsministeriums rund 250.000 Menschen im Land geholfen werden. „Deshalb sollte die entsprechende Reform der Straßenverkehrsordnung endlich auf den Weg gebracht werden“, fordert Staatssekretärin Zimmer.

Nach ihren Angaben zeigen Umfragen eine wachsende Mehrheit für Tempo 30 innerorts. Vor sieben Jahren stimmten 52 Prozent der Befragten dem Satz zu „Tempo 30 innerorts ist ausreichend schnell”, im vergangenen Jahr waren es 58 Prozent. Die Ablehnung ist im gleichen Zeitraum demnach von 48 Prozent auf 41 Prozent gefallen.

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