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Auf einem Tisch beim Karlsruher Werderplatz steht in der Nähe des Indianerbrunnens eine Bierflasche.

Schwieriger Balanceakt

Die einen trinken, die anderen fühlen sich unwohl: Wem gehört der Werderplatz in Karlsruhe?

Wem gehören Plätze und Parks wie der Werderplatz in Karlsruhe? Mancherorts beherrschen Alkoholiker das Bild. Für Städte ist es ein schwieriger Balanceakt.
von Susanne Kupke
3 Minuten
von Susanne Kupke
3 Minuten

Kurz nach 10 Uhr, der Tag ist noch jung, doch am Werderplatz in Karlsruhe ist schon was los. Am Indianerbrunnen trinken zwei Männer und eine Frau Bier. Es wird laut geredet und auch geflucht.

Einzelne Männer stehen mit der Flasche in der Hand am Rand, eine größere Gruppe trifft sich vor dem Stehcafé. Dazwischen hält ein torkelnder Mann unverständliche Monologe.

An die 20 Menschen sind es. Nachmittags sind es sehr viel mehr. Apotheker Jörg Stein kennt viele. „Noch dürfen sie trinken“, sagt er. Von 11.00 bis 20.00 Uhr gilt hier von April bis Ende Oktober ein Alkoholverbot.

Jörg Stein sagt, dass ohne das Alkoholverbot am Karlsruher Werderplatz das totale Chaos herrschen würde.
Jörg Stein sagt, dass ohne das Alkoholverbot am Karlsruher Werderplatz das totale Chaos herrschen würde. Foto: Uli Deck/dpa

Das Verbot außerhalb gastronomisch genutzter Flächen war umstritten. Aus Sicht des Apothekers hat es immerhin dazu geführt, dass sich die Szene etwas verteilt. „Wir haben schon so viel probiert. Ohne das Verbot war hier das totale Chaos.“

Leere Flaschen, Spritzen, Scherben, Erbrochenes am Karlsruher Werderplatz

Leere Flaschen, Kippen, Spritzen, Scherben, Müll, Erbrochenes – davon müssen Anwohner und Geschäftsleute rund um den Platz immer wieder Eingänge und Gehwege befreien. In Briefen an die Stadt klagten sie vor zwei Jahren auch über öffentliches Urinieren, Lärm, Pöbeleien, Belästigungen, Anbetteln und Diebstahl.

Das Problem ist nicht neu und weder auf den Werderplatz noch Karlsruhe beschränkt. „Nüchtern betrachtet: Problematischen Alkoholkonsum im öffentlichen Raum gab es, gibt es und wird es geben“, sagt eine Sprecherin des Städtetags Baden-Württemberg. Die meisten größeren Städte haben Hot-Spots, an denen sich alkohol- und auch drogenabhängige Menschen treffen.

Alkohol und Drogen: keine wachsenden Szenen in Pforzheim, Karlsruhe und Baden-Baden

In der Landeshauptstadt Stuttgart geht man wie in Ulm, Pforzheim, Karlsruhe, Mannheim, Baden-Baden oder Freiburg nicht von einer wachsenden Szene aus – eher davon, dass diese Menschen nach dem Wegfall der Pandemiebeschränkungen wieder sichtbar sind.

Blick auf den Karlsruher Werderplatz mit dem Indianerbrunnen.
Teils werden wegen beengter Wohnverhältnisse öffentliche Plätze als „Wohnzimmer“ genutzt. Foto: Uli Deck/dpa

Teils würden sie auch wegen beengter Wohnverhältnisse „den öffentlichen Raum als Wohnzimmer nutzen“, sagt ein Sprecher der Stadt Karlsruhe.

Holen Jüngere in Karlsruhe nach Corona die Partys nach?

Auffälliger ist das Phänomen des „Abfeierns“ junger Leute vor allem im Sommer. In Stuttgart beobachtet man spätestens seit der Fußball-WM 2006 eine zunehmende „Spaß- und Eventkultur unter freiem Himmel“.

In Karlsruhe hat man zudem den Eindruck, dass Jüngere nach Corona die Partys der letzten zwei Jahre nachholen. In Ulm registriert man seit Corona mehr Alkoholkonsum bei Jugendlichen in der Öffentlichkeit.

Grundsätzlich hat jede und jeder das Recht, sich an öffentlichen Plätzen aufzuhalten und zu trinken.
Sprecherin der Stadt Pforzheim

Städte sind in der Zwickmühle: „Grundsätzlich hat jede und jeder das Recht, sich an öffentlichen Plätzen aufzuhalten und zu trinken“, betont eine Sprecherin in Pforzheim.

Doch das hat Grenzen: Wenn sich Passanten, Anwohner und Geschäftsleute wie in Freiburg angesichts regelmäßiger Gelage über Müll und Lärm beschweren, wenn Kinder wie in Mannheim einige Stellen in der Innenstadt als „Angsträume“ erleben oder wenn „Feiernde“ auf der Heidelberger Neckarwiese randalieren und wie 2021 Polizisten mit Flaschen bewerfen.

Polizeibehörden können Verbote verhängen

Polizeibehörden können nach Angaben des Innenministeriums an besonders belasteten Orten Alkoholkonsumverbote verhängen. Auch in Biberach sah man sich am Omnibusbahnhof zu einem solchen Schritt gezwungen. Schon wegen der vielen Schüler, die dort vorbei müssen.

Auf einem Tisch beim Karlsruher Werderplatz stehen zwei Bierflaschen.
Verbote von Alkoholkonsum allein helfen nicht. Foto: Uli Deck/dpa

Verbote allein helfen nicht. Ebenso wenig ein Verdrängen der Szene. Das schaffe nur neue Probleme, erklärt der Städtetag. Stadtentwicklung, Gestaltung des öffentlichen Raums oder soziale Angebote – unterschiedliche Ansätze müssten miteinander verzahnt werden.

„Die eine Lösung gibt es nicht“, heißt es aus Pforzheim. „Streetwork, Drogenberatung, Polizei und Ordnungsamt arbeiten hier eng zusammen.“ Prävention und direkte Ansprache, so halten es die meisten Städte.

Alkoholakzeptierender Aufenthaltsraum in Karlsruhe

Für stark Alkoholabhängige haben Karlsruhe und Mannheim sogenannte alkoholakzeptierende Räume geschaffen – zum Schutz der Süchtigen und für ein besseres Sicherheitsempfinden der anderen Bürger.

Die Bilanz ist aus Sicht beider Städte positiv. Die Erwartung, dass sich Betroffene gar nicht mehr draußen aufhalten, sei jedoch unrealistisch, heißt es aus Mannheim.

Aus Sicht eines Freiburger Stadtsprechers muss man sich bei dem Thema ohnehin „ehrlich machen“: Es sei unlauter, das organisierte gesellige Trinken etwa auf Weinfesten gutzuheißen, es aber zu verdammen, wenn junge Menschen sich nicht-organisiert in den Park setzen.

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