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Alles muss raus

Zum Abschied vom kirchlichen Gemeindehaus gibt es in Karlsruhe einen Flohmarkt

Die Kirche ist auf Sparkurs und gibt Immobilien auf. Das trifft jetzt die Karlsruher Südweststadt.

Die evangelische Kirche gibt Immobilien auf. Das Gemeindezentrum Melanchthonhaus wird geräumt und es gibt einen Flohmarkt
Die evangelische Kirche räumt das Melanchthonhaus in der Karlsruher Südweststadt. Pfarrerin Uta van Rensen und Daniel Landmann vom Ältestenrat veranstalten mit ihrem Team zum Abschied einen Flohmarkt. Foto: Rake Hora

Im Melanchthonhaus in der Karlsruher Südweststadt ist jetzt die Zeit des endgültigen Abschiednehmens: Nach über 60 Jahren gibt die evangelische Kirche das bisherige Gemeindehaus samt Andachtssaal im Zuge des Sparkurses auf. Die Gruppenräume sind leer geräumt. Und im Gemeindesaal ist alles vorbereitet für einen kleinen Flohmarkt. Denn alles muss raus.

Am Freitag, 22. September, darf zwischen 17 und 20 Uhr gestöbert werden. Bücher, Spiele, Geschirr, aber auch ein altes Bügeleisen, Stehlampen, ein in die Jahre gekommenes Klavier, ein Billardtisch und eine Dartscheibe sind zu haben. „Wir haben auch einen Treppenlift für sechs Stufen im Angebot“, sagt Daniel Landmann. Der Vorsitzende des Ältestenkreises betont: „Es geht uns beim Flohmarkt nicht ums Geld.“

Abschied von Gemeindezentrum stimmt traurig

Vieles sei einfach zu schade zum Wegwerfen, werde aber von der Gemeinde selbst nicht mehr gebraucht. „Vielleicht machen die Sachen jemand Freude“, meint Pfarrerin Uta van Rensen. Sie weiß gleichzeitig: Dass das Gemeindezentrum in der Graf-Rhena-Straße aufgegeben wird, stimmt viele sehr traurig.

Die evangelische Kirche gibt Immobilien auf. Das Gemeindezentrum Melanchthonhaus wird geräumt und es gibt einen Flohmarkt
Schon vor sieben Jahren war Thema, das Gemeindezentrum in der Graf-Rhena-Straße zu räumen. Foto: Rake Hora

Vor den Sommerferien gab es einen Gottesdienst, bei dem Abschied gefeiert wurde von dem 1961 eröffneten Gebäude. Die farbenfroh gestalteten Fenster wurden einst von Gläubigen gespendet. Familienfeiern, Konfirmandenunterricht oder Gruppenstunden: Viele haben schöne Stunden in den Räumen erlebt. Gemeindemitglieder brachten Fotos von solchen Anlässen zum letzten Gottesdienst dort mit. Zu sehen sind lachende Kinder, fröhlich feiernde Teenager, Ältere im vertrauten Kreis.

Aus für Melanchthonhaus vor Jahren beschlossen

Dass die Zeit im Melanchthonhaus zu Ende geht, war in der damaligen Matthäusgemeinde schon vor sieben Jahren klar, erzählt Landmann. Damals sei man davon ausgegangen, dass man das Gemeindezentrum aufgibt, im Gegenzug aber Räume hinter der Matthäuskirche saniert und dann bezogen werden. Es kam anders. Im Jahr 2021 fusionierten die Matthäus- und die Paul-Gerhardt-Gemeinde zur heutigen Südkreuzgemeinde. Die hat rund 5.000 Mitglieder.

Im Wechsel nutzte man zuletzt das Melanchthonhaus in der Südweststadt und das Stephanienbad in Beiertheim. Auf letzteres konzentriert sich nun das Geschehen. „Es fühlt sich auch gut an, dass jetzt alles unter einem Dach ist“, sagt die Pfarrerin.

Alle Gruppen, die das wollten, hätten Platz gefunden am neuen, gemeinsamen Standort. „Und man muss nicht immer alles hin und her schaffen“, meint Landmann. Dennoch stehen beide etwas wehmütig inmitten der Flohmarktartikel.

Die evangelische Kirche gibt Immobilien auf. Das Gemeindezentrum Melanchthonhaus wird geräumt und es gibt einen Flohmarkt
Spielsachen für Kinder ist beim Flohmarkt im Melanchthonhaus zu haben. Foto: Rake Hora

Eine Stoffkrone liegt auf dem Tisch. „Die stammt von einer Verkleidungsaktion“, ist die Pfarrerin sicher. Tortenheber, Gläser, Vasen und eine große Kerze warten auf Käufer. „Das Kreuz und die Bibel sind nach dem letzten Gottesdienst umgezogen worden“, erzählt Uta van Rensen. Vieles wurde ins neue Domizil in Beiertheim gebracht.

Auch Karlsruher Kirche auf Streichliste

Dass die Kirche im Zuge des Sparkurses Immobilien aufgibt, beschäftigt die Gemeinde weiter. Denn auf der im Juli in der Stadtsynode veröffentlichten Liste steht auch die Matthäuskirche als möglicher Streichposten. „Einige Mitglieder sind ausgetreten, als sie das hörten“, sagt die Pfarrerin.

Im Dezember entscheidet der Stadtkirchenrat, welches Gotteshaus eine Zukunft hat. „Wir fänden es schwierig, wenn sich die evangelische Kirche komplett aus der Südweststadt zurückziehen würde“, sagt van Rensen und Landmann stimmt zu.

Auf Vorgabe der Landeskirche zufolge müssen die Kirchenbezirke ihre Gebäude in Kategorien einteilen: 30 Prozent sollen in Rot fallen und damit langfristig nicht im Eigentum der Kirche bleiben. „Wir wollen aber auch anstelle der Matthäuskirche keine andere Kirche für Rot vorschlagen“, so van Rensen. In Gelb fallen Immobilien, über die bis 2032 entschieden wird. Grün heißt, der Erhalt ist sicher.

Ich könnte mir auch eine Kletterhalle in der Kirche vorstellen.
Uta van Rensen
Pfarrerin

Die Pfarrerin erzählen von Osternächten, in denen 700 Menschen in der Matthäuskirche feierten. „Wir haben nicht nur an Weihnachten volles Haus.“ Aber Landmann räumt ein: „An sechs Tagen die Wochen ist die Kirche leer.“

Der Ältestenrat sei offen für kreative Lösungen und Partner, um die Kirche gemeinsam mit Leben zu füllen. „Ein Café wäre denkbar“, findet die Pfarrerin. „Ich könnte mir auch eine Kletterhalle in der Kirche vorstellen – unter dem Motto ,himmelwärts’.“

Rot, gelb oder grün: Noch sind das Vorschläge, nichts ist entschieden. Was am Ende wegfällt, wird von der Landeskirche nicht mehr über die Kirchensteuer finanziert. „Aber es könnte ja andere Lösungen zum Weiterbetrieb, zum Beispiel eben mit Partnern geben“, bestätigt Markus Mickein von der evangelischen Kirche in Karlsruhe.

Beim Melanchthonhaus sei ein Verkauf geplant. Doch erst nach der Entscheidung Anfang Dezember sollen Gespräche mit Interessenten geführt werden.

Der Rückzug der evangelischen Kirche wie jetzt beim Melanchthonhaus beschäftigt inzwischen auch die Kommunalpolitik. Die SPD-Fraktion will, dass die Stadt früh auf die Kirche zugeht und den Austausch sucht. „Das Hauptziel dieser Gespräche ist es, die Standorte der Gemeindezentren zu erhalten und sie in Stadtteilzentren und/oder in andere dringend benötigte soziale Einrichtungen umzuwandeln“, heißt es in einem Antrag der Stadträte.

Thema beschäftigt die Kommunalpolitik

Die Kirche wiederum könne dann für eine „angemessene Gebühr“ die Räume wieder für ihre Arbeit mitnutzen. Die SPD schreibt weiter: „Auch die katholische Kirche wird in Zukunft weitere Gebäude aufgeben müssen.“ Der Antrag wird im Oktober im Hauptausschuss beraten.

Der katholische Dekan Hubert Streckert brachte im Frühsommer bei Gemeindehäusern eine gemeinsame Nutzung mit den evangelischen Gemeinden ins Gespräch. Dies gehe idealerweise einher mit Räumen für die Jugendlichen aus den einzelnen Stadtteilen, wie er darlegte.

Aktuell stehen in Karlsruhe bei der evangelischen Kirche unter anderem das Martin-Luther-Haus in Grötzingen, das Gemeindehaus in Daxlanden, der Jung-Stilling-Saal in Mühlburg und das Luther-Melanchthon Gemeindezentrum in Durlach infrage.

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