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Leserforum zur US-Wahl 2024

BNN-Korrespondent zur US-Wahl: „Hoffnung oder Hass – beides funktioniert“

Thomas Spang erklärt die Konsequenzen der bevorstehenden US-Wahl für Deutschland und warum ein Kennedy womöglich entscheidender ist als Biden oder Trump.

Thomas Spang und Alexei Makartsev, im Vordergrund sitzen Leser
Beim Leserforum unterhält sich US-Korrespondent Thomas Spang (rechts) mit Redakteur Alexei Makartsev und ausgewählten Lesern in der Karlsruher Geschäftsstelle über die US-Politik und ihre Folgen für Deutschland. Foto: Rake Hora /BNN

In der Geschäftsstelle der BNN in der Karlsruher Lammstraße sind die Fronten schnell klar. Wer Trump seine Stimme geben würde, fragt BNN-Redakteur Alexei Makartsev in die lockere Runde. Es folgen ein Raunen, ein paar Lacher. Die Hände bleiben alle unten.

In den USA sieht das trotz aller Trump’schen Eskapaden und mehrerer Anklagen gegen den republikanischen Ex-Präsidenten anders aus. Vieles spricht für ein enges Rennen zwischen ihm und Amtsinhaber Joe Biden (Demokraten), wenn Amerika in knapp einem Jahr das wichtigste Büro des Landes neu vergibt – mit Konsequenzen für Deutschland und Europa.

Warum das so ist und weswegen womöglich ein ganz anderer Kandidat für die Entscheidung sorgt, erklärt am Montagabend BNN-US-Korrespondent Thomas Spang seinen rund 20 Zuhörern. Seit 1999 berichtet er für unsere Redaktion aus Washington, hat in dieser Zeit allein sechs Präsidentschaftswahlen begleitet.

Rolle von unabhängigen Kandidaten wie Robert F. Kennedy kann entscheidend sein

„Ich warne davor zu glauben, dass das eine binäre Wahl ist“, sagt er zum Ende des zweistündigen Austauschs. Viele Fragen hat er längst beantwortet – zu Trump und Biden, zu möglichen Alternativen, zum Wahlsystem und zum Blick auf Deutschland. Doch dieser eine Punkt ist ihm besonders wichtig.

Wer ins Weiße Haus einzieht, darüber entscheiden womöglich eher ein Neffe von John F. Kennedy, eine Ärztin und ein Philosoph. Robert F. Kennedy als freier Kandidat, Jill Stein (Grüne) und Cornel West wollen sich zur Wahl stellen. Dazu kommt vermutlich ein noch unbekannter Bewerber aus dem zentristischen („no labels“) Umfeld. Mehrere namhafte Kandidaten werden öffentlich gehandelt.

„Wenn man bedenkt, dass es bei der vergangenen Wahl in manchen der zwölf entscheidenden Bundesstaaten um ein paar Tausend Stimmen ging, ist das extrem wichtig – und es macht die Wahl komplett unvorhersagbar“, sagt Thomas Spang. Er rechne damit, dass die vier unabhängigen Bewerber eher Biden als Trump Stimmen kosten.

Die USA waren nicht das Land, das den clownesken Rechtspopulismus erfunden hat.
Thomas Spang
BNN-Korrespondent in Washington

Die Gemengelage vor seiner siebten US-Wahl als deutscher Berichterstatter hält Spang für außergewöhnlich. Der 81-jährige Joe Biden („Alternativen gibt es und zu alt ist er auch.“) trifft ziemlich sicher auf seinen Vorgänger. Der Amtsinhaber habe in den USA traditionell einen Bonus, erklärt der BNN-Korrespondent die klare Festlegung. Das gelte auch für Trump. „Das Geld läuft in den USA immer der Macht hinterher.“

Doch warum stehen noch immer so viele Amerikaner hinter Trump, fragen sich die BNN-Leser in der Gesprächsrunde – trotz offener Strafprozesse, trotz zahlloser Lügen und Beleidigungen. „Die USA waren nicht das Land, das den clownesken Rechtspopulismus erfunden hat“, antwortet Thomas Spang und verweist auf Berlusconis Italien. Dann wird er ernster.

„Meine These ist: Ohne den Aufstieg der sozialen Medien hätten wir keinen Aufstieg von Trump.“ Ähnliches lasse sich in anderen Staaten beobachten. Dort mische sich Information und Desinformation. Es entstünden Echoräume, in denen Menschen zusammenfinden und ihre eigene Welt definieren. Trump habe die Republikaner zu einem Personenkult umgebaut. Spang: „Auch die Prozesse passen in seine Opfererzählung. Ob das stimmt oder nicht, interessiert seine Anhänger nicht.“

Spang: Deutschland wird sich nicht weiter verstecken können

Dass die Strafverfahren Trump deshalb mehr helfen als schaden, will der US-Experte aber nicht behaupten. Innerparteilich helfe ihm das, sagt er. „In der Mitte ist es aber sicher keine Auszeichnung, vor vier Strafgerichten zu stehen.“ Und genau um diese Mitte tobt ein harter Kampf.

Je ein Drittel der Wähler zähle zu den Anhängern der Demokraten und der Republikaner, erklärt Spang. „Die Parteien müssen das Drittel in der Mitte mobilisieren – und den großen Pool der Nicht-Wähler. Mit Hoffnung oder mit Hass, beides funktioniert.“

Doch egal, wem das besser gelingt und wer die Macht im Weißen Haus übernimmt, Deutschland wird sich auf weniger US-amerikanische Rückendeckung einstellen müssen, ist Spang überzeugt. „Das mit dem Verstecken, das wird auch mit Joe Biden nur begrenzt gut gehen“, sagt er. „Die klare Erwartung ist, dass Deutschland selbst mehr Lasten schultert.“

Deutlich stärker würde Deutschland das transatlantische Bröckeln aber zu spüren bekommen, sollte Trump gewinnen, ist Spang sicher. Unter Trump hätten sich die Republikaner zu einer „stark isolationistischen Bewegung“ entwickelt, sagt er und berichtet von einem in rechten Kreisen viel beachteten Papier, das sich mit der Frage beschäftigt, wie sich die Nato „in einen Dornröschenschlaf versetzen lässt“. Europa sei gut beraten, sich in Sachen Verteidigung nicht zu sehr auf die USA zu verlassen.

Schon heute bröckelt beispielsweise die amerikanische Unterstützungsbereitschaft für die Ukraine im Kampf gegen den russischen Angriffskrieg. Im US-Kongress gibt es dafür keine Mehrheit mehr, berichtet Thomas Spang. Das sei ein Vorgeschmack auf den Wahlkampf. „Wird Trump zum großen Freund Putins?“, fragt ein Leser. „Ist er doch schon“, antwortet Spang trocken.

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