Viele Worte macht die Frau aus Estland nicht: Sie umarmt die Ukrainer, die am Tag des russischen Angriffs auf ihre Heimat am Karlsruher Marktplatz spontan eine Mahnwache halten. Ukrainische Fahnen flattern im Wind. „We stand with Ukraine“, steht auf einem Plakat am Eingang zum U-Strab-Tunnel zu lesen.
„Um 4.30 Uhr rief mich meine Ex-Frau aus Kiew an und berichtete von Explosionen“, erzählt am frühen Nachmittag Valeri Artamonov. Er steht im Herzen von Karlsruhe und verfolgt am Radio Nachrichten. Wieder klingelt sein Handy, seine frühere Partnerin meldet sich erneut. Sie sitzt mit ihrer Mutter im Keller ihres Hauses. Informationen zur Lage werden ausgetauscht.
Valeri Artamonov und seine Tochter Oleksandra leben seit 2008 in Karlsruhe und verfolgen mit großer Sorge die Entwicklung. „Ich würde jetzt ja hinfahren, aber was kann ich tun“, sagt die 32-Jährige.
Vereinzelt Spott von russischer Seite
Immer wieder bleiben Passanten stehen, suchen das Gespräch mit den Teilnehmern der Mahnwache. „Es war eine Russin hier, die hat geweint. Sie hat Familie in Russland und der Ukraine und sagte, dass das einfache Volk den Krieg nicht will“, berichten Mitglieder des Vereins Ukrainer in Karlsruhe. 60 Mitglieder hat der, einschlägige Facebook-Seiten haben mehr als 1.000 aktive Nutzer.
„Wir haben ebenso Russen angesprochen“, berichten die Ukrainer. Es habe von dieser Seite vereinzelt Spott in sozialen Netzwerken gegeben. Ein Mann sagt: „Es wollen sich uns aber einige Russen bewusst anschließen.“
Am Samstag ist eine nächste Kundgebung am Karlsruher Schloss geplant. Diese soll größer werden, als die kurzfristig organisierte Mahnwache am Donnerstag.
Bruder will kämpfen
„Das ist ein Krieg in Europa, nicht nur in der Ukraine“, sagt Viktor Solowtay, der spontan auf den Marktplatz gekommen ist. Seit sechs Jahren lebt der IT-Entwickler in Karlsruhe, wo seine Tochter Physik am KIT studiert. Die Familie stammt aus dem ukrainischen Grenzgebiet mit der Slowakei und Ungarn. „Mein Bruder lebt aber in Kiew und will dort bleiben“, erzählt Viktor Solowtay. Der 42-Jährige sei kein Soldat, sondern in der politischen Bildung beschäftigt. „Aber er ist bereit, zu kämpfen“, sagt sein Bruder.