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Viel Solidarität und Unterstützung in Corona-Zeiten

Wie angesagt regionale Produkte sind, erlebt das Karlsruher Start-up Fächerbräu

Statt mit dem eigenen Bier auf Frühlingsfesten richtig durchzustarten, mussten die drei Gründer des Karlsruher Start-ups Fächerbräu während der Corona-Krise kreativ werden.

Maik Hörner (links) und Fächerbräu-Geschäftsführer Christopher Wertz
Straßenverkauf: Geschäftsführer Christopher Wertz (rechts im Bild) mit Mitarbeiter Maik Hörner auf dem Karlsruher Abendmarkt auf dem Marktplatz. Foto: Stefan Jehle

Von Stefan Jehle

Bereits im Verlauf des Jahres 2017 hatten sich die drei Gründer gefunden: ein Bio-Landwirt, ein gelernter Brauer und ein Biersommelier. Das Bier, das sie seitdem herstellen, hat keine eigene Brauerei. Alles lief lange nebenberuflich. Und eigentlich wollte das Team des kleinen Start-up-Unternehmens „Fächerbräu“ im April voll durchstarten. Doch dann kam Corona. Da war plötzlich viel Kreativität gefordert.

Bierbrauen als Nebenjob

Ein Teil des Gebräus wurde kurzerhand zu Pils-Brand - und plötzlich war der stiefmütterlich behandelte Onlineshop ein Rettungsanker. Von der Zukunft erhofft man sich viel, auch ohne eigenes Sudhaus.

Es sind kleine Mengen, die bislang gebraut worden sind. Je 30 Hektoliter der Biersorten „Festbier“, Pils und Weizen, seien das noch im Februar gewesen, sagt Christopher Wertz, der für Vertrieb und Marketing verantwortlich zeichnet. Er war zuvor in der Medienbranche tätig, zuletzt als Anzeigenverkaufsleiter bei einer Tageszeitung.

Das Bierbrauen hatte er sich bei seinem früheren Arbeitgeber als „Nebentätigkeit“ genehmigen lassen – das war noch in den Jahren 2018 und 2019. Ab dem April dieses Jahres wollte er sich nur noch um das gemeinsame Kind, die namensrechtlich geschützte Marke „Fächerbräu“, kümmern.

Mit Liebe und Leidenschaft zu einem wirklich außerordentlichen Produkt.
Philosophie von Fächerbräu

Mit Wertz steht auch der Geschäftsführer Maxim Zownir, ein gelernter Bio-Landwirt, in der Öffentlichkeit für das junge Unternehmen. Der dritte der Gründer, von Herkunft Bierbrauer, der, wie Wertz sagt, „über enorme Erfahrung mit Rezepturen“ verfügt, hält sich eher im Hintergrund und wird von ihm auch nicht namentlich genannt. Mitstreiter Zownir habe, entsprechend seiner Ausbildung, gute Kontakte zu den Bio-Bauern.

Die Philosophie des kleinen Start-up-Unternehmens: „Mit Liebe und Leidenschaft zu einem wirklich außerordentlichen Produkt.“ Man setze „auf feinste regionale Zutaten und erschafft so ein Bier, welches im Geschmack unverwechselbar ist. Aus der Region - für die Region“, sagt Wertz.

Flaschenbier statt Fassbier

Die im Februar gebrauten rund 90 Hektoliter Bier, die nach etwa sechs Wochen Lagerung und Reifung fertig gewesen wären zur Abfüllung, wurden aber in der Zeit des Shutdowns, mitten in der Hochphase der Corona-Pandemie, eher zu einem Problem. Man habe das Produkt nicht mehr ins Fass abfüllen können – sondern habe sich für die Flaschenfüllung entschieden.

Teilweise ging die auch in den Einzelhandel. Guter Rat war teuer, nachdem schnell die Festivitäten für Frühjahr und Sommer abgesagt wurden. Alleine in der ersten März-Hälfte habe Fächerbräu sieben Events verloren, für die bereits Bier in Fässer gefüllt worden war. „Doch Corona hat uns kreativ gemacht“, resümiert Wertz.

Online-Shop und Lieferservice helfen durch die Krise

Ein bis dahin von den Jung-Unternehmern eher stiefmütterlich behandelter eigener Online-Shop sei ein Teil der Rettung gewesen, sagt er. Der kam ab März und April „voll zur Geltung“. Das Team habe sich zudem Gedanken gemacht über einen eigenen Heimliefer-Service und dies umgesetzt.

Zudem seien Versuche mit einem eigenen Bio-Cidre, einem herb im Geschmack kommenden Apfel-Perlwein, weiter vorangetrieben worden. Fächerbräu arbeitet dabei mit der Streuobstinitiative im Stadt- und Landkreis Karlsruhe zusammen. Und schließlich wurde ein Teil des Bier-Suds zu Schnaps, erläutert Wertz, bei einer erfahrenen Destillerie im Stadtteil Bulach: der Scriptor-Brennerei von Michael Schreiber.

Bio-Bierlikör statt Pils

„Wir haben mehrere Fässer, in der Summe mehrere hundert Liter Fassbier, zum ersten Karlsruher Schnaps in Bioqualität gebrannt.” Auch sei der Pils-Brand zu einem Bio-Bierlikör weiterverarbeitet worden, erzählt Wertz, der sich im vorigen Jahr in München und im österreichischen Obertrum bei Salzburg zum zertifizierten „Biersommelier“ fortbilden ließ.

Christopher Wertz vor dem Stand
Neue Vertriebswege: Fächerbräu-Geschäftsführer Christopher Wertz auf dem Abendmarkt auf dem Karlsruher Marktplatz Foto: Stefan Jehle

Nach einer Biermesse in München, bei der er vor längerer Zeit einen Karlsruher Bierbrauer kennenlernte, war auch der Entschluss gereift, eine eigene kleine „Kuckucksbrauerei“ zu gründen. So nennt man Bierbrauer, die über kein eigenes Sudhaus verfügen, sondern ihr Produkt „fremd“ verarbeiten lassen. Das Karlsruher Trio von Fächerbräu braut die Sorten Festbier, Pils und Weizen seit Anfang des Jahres 2018 bei der Brauerei Rogg in Lenzkirch, einem kleinen heilklimatischen Höhenkurort im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald.

Verdrießen ließen sich die drei in der Corona-Zeit keineswegs: „Auch nachdem wir schon die Planung für ein eigenes Sudhaus mit eigenem Brauereiausschank in der Karlsruher Weststadt fertig hatten.“ Aufgrund von Corona sei dieses Projekt jedoch bis auf weiteres auf Eis gelegt, sagt Wertz.

Die Gesellschaft weiß jetzt regionale und Bio-Produkte mehr denn je zu schätzen.
Christopher Wertz, Vertrieb und Marketing Fächerbräu

Der Fachmann für Marketing und Vertrieb, der ohne äußeren Zwang seine neun Jahre währende Tätigkeit im Anzeigenverkauf ad acta legte, sieht vielmehr auch positive Seiten der Krise, mitten in der „Durchstartphase“ seines Unternehmens: „Wir haben eine unglaubliche Solidarität erlebt und die Gesellschaft weiß jetzt regionale und Bio-Produkte mehr denn je zu schätzen und ist auch bereit, diese zu kaufen und regionale Unternehmen zu unterstützen“, sagt Wertz.

Im Juni wurde wieder eine neue Charge Bier in Lenzkirch gebraut – die ist im August „reif“ zur Abfüllung. Den Kontakt zur bestehenden und potenziellen Kundschaft halten er seine Mitstreiter jetzt die dritte Woche in Folge beim neu eingerichteten Abendmarkt – jeden Mittwoch von 16 bis 20 Uhr am Karlsruher Marktplatz.

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