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Schüler organisieren Mahnwache

Wie Karlsruher Schüler sich gegen Judenhass einsetzen

Am 9. November wird in Karlsruhe an die Opfer der Reichspogromnacht gedacht. Die Schüler der Drais-Gemeinschaftsschule organisieren in diesem Jahr die Mahnwache. So bereiten sie sich vor.

Drei Frauen diskutieren
Louisa Zech (links) und Madita Richter zeigen Solange Rosenberg (Mitte), was sie bisher für ihre Plakate zusammengetragen haben. Foto: Martina Erhard

Der 9. November 1938 ging als die Reichspogromnacht in die Geschichte ein. Synagogen, aber auch Geschäfte und Wohnungen von Menschen jüdischen Glaubens wurden angegriffen, es gab Tote und Verletzte.

Heute, 85 Jahre später, müssen Juden wieder in Angst leben. Für ein „Nie wieder“ stehen die Schülerinnen und Schüler, die sich alljährlich zur Mahnwache am Platz der ehemaligen Karlsruher Synagoge treffen, um an die Gräueltaten von damals zu erinnern. In diesem Jahr übernehmen Zehntklässler der Karlsruher Drais-Gemeinschaftsschule diese Aufgabe.

Schüler bereiten Mahnwache zum 9. November vor

Schon seit Wochen bereiten sie sich, zusammen mit Miguel Bernal, er unterrichtet unter anderem Geschichte und Ethik, auf diesen Tag vor. Sie arbeiten unter anderem an einer Ausstellung, die aus mehreren Stellwänden besteht und die während der Mahnwache zu sehen sein wird.

Die Ausstellung soll eine Mahnung sein. 
Miguel Bernal
Lehrer

Unter der Überschrift „Der 9. November in Karlsruhe – der Anfang vom Ende“, zeigen sie auf, wie es zu den Verbrechen der Nazis kommen konnte. „Die Ausstellung soll eine Mahnung sein. Sie soll zeigen, dass so etwas nie wieder passieren darf“, sagt Bernal. Die 27 Schülerinnen und Schüler arbeiten zu fünf Themenkomplexen: Es geht um die Entstehung des Judentums und um die Entstehung des Judenhasses.

Eine dritte Gruppe berichtet über die Reichspogromnacht in Karlsruhe, während eine andere den Widerstand in Karlsruhe beleuchtet. Zuletzt geht es um die systematische Vernichtung der Juden, wobei die Schülerinnen und Schüler in erster Linie auf die Karlsruher Opfer eingehen.

In der Gruppe, in der es um die Entstehung des Judenhasses geht, arbeiten unter anderem Sidney Johns und Hannah Hovestadt, die bei ihrer Recherche vor allem das Internet genutzt haben. „Wir wussten ja, dass die Juden von den Nazis verfolgt wurden, aber dass es die Judenverfolgung auch im Mittelalter schon gab, war uns neu“, meint Hovestadt und erklärt, dass „den Juden der Tod von Jesus in die Schuhe geschoben wurde“. Johns kann nicht verstehen, dass sich jemand an der Religion eines anderen stört, denn „es sind ja alles Menschen“.

Karlsruher Schüler laden Politiker mit handgeschriebenen Briefen zum Gedenken ein

In der dritten Gruppe, sie widmet sich der Reichspogromnacht, sind die Schülerinnen und Schüler dabei, handgeschriebene Briefe an Politikerinnen und Politiker zu schreiben, um sie zum Gedenktag einzuladen. Roua Zaghbi schreibt gerade an Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) und ist davon überzeugt, dass „ein handgeschriebener Brief sicher eher auffällt als eine E-Mail“. Emilia Lingor meint, dass diese Briefe zeigen würden, wie wichtig ihnen das Thema sei.

Die Informationen für die fünfte Tafel haben die Schüler zum Teil aus dem „Gedenkbuch für die Karlsruher Juden“. Danach ergab eine Volkszählung aus dem Jahr 1933, dass es in Karlsruhe, Durlach und Grötzingen 3.358 Jüdinnen und Juden gab. „Von ihnen wurden mehr als 1.000 ermordet“, sagt Tammo Knolle. „Diese Zahl ist erschreckend“, findet er.

Es waren unschuldige Menschen, die nur aufgrund ihres Glaubens ermordet wurden
Tobin Rößler
Schüler

„Es waren unschuldige Menschen, die nur aufgrund ihres Glaubens ermordet wurden“, fügt Mitschüler Tobin Rößler hinzu. Einige der Namen werden bei der Mahnwache vorgelesen, die komplette Liste wird in der Ausstellung veröffentlicht.

Madita Richter und Louisa Zech arbeiten ebenfalls an diesem Thema und bereiten gerade die Plakate für die Stellwände vor. Dabei schaut ihnen Solange Rosenberg, Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe, über die Schultern. „Ich bin sehr beeindruckt, wenn ich sehe, was die Schüler alles an Informationen zusammengetragen haben“, meint sie. „Sie haben sich eingehend mit dem Thema beschäftigt und nehmen die Sache wirklich ernst“, lobt sie das Engagement der Schüler.

Mit solchen Veranstaltungen wollen wir vor allem etwas in den Köpfen der Schüler verändern.
Detlef Puhl
Ehrenamtlicher

„Mit solchen Veranstaltungen wollen wir vor allem etwas in den Köpfen der Schüler verändern“, sagt Detlef Puhl. Der ehemalige Lehrer hat 1988 die erste Mahnwache am Platz der früheren Synagoge organisiert und arbeitet noch heute ehrenamtlich bei diesem Projekt mit.

„Etwas Außergewöhnliches, wie eine solche Mahnwache, bleibt einfach in Erinnerung“, ist er überzeugt und zitiert Theodor W. Adorno: „Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, dass ich weder glaube, sie begründen zu müssen noch zu sollen.“

Termin

Am Platz der ehemaligen Synagoge, Kronenstraße 15, findet die Mahnwache von 9.30 bis 17 Uhr statt. Das Gedenkgebet für die Ermordeten beginnt um 14 Uhr. Im Kulturzentrum Tollhaus findet um 20 Uhr die Veranstaltung „Erinnerung – Gegenwart – Zukunft“ statt, bei der unter anderem der Dokumentarfilmer Eric Friedler sprechen wird.

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