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Fünf Tage mit Filmkomödien

Karlsruher Festival bringt Stummfilme mit Live-Musik auf die Leinwand

Filme sind nicht neu oder alt, sondern gut oder schlecht. Das sagt Josef Jünger, der die Qualitäten von 100 Jahre alten Stummfilmen jährlich bei einem Karlsruher Festival präsentiert.

Mabel Normand, Charlie Chaplin und Marie Dressler (von links) in der US-Komödie „Tillie’s Punctured Romance“ von 1914.
Auch mit schmalem Schnurrbart schon erkennbar ist Charlie Chaplin (links, sitzend), der beim Dreh des Slapstick-Films „Tillies gestörte Romanze“ im Jahr 1914 seine große Karriere noch vor sich hatte. Die erste abendfüllende Kinokomödie der US-Filmgeschichte ist nun beim Karlsruher Stummfilmfestival zu sehen. Foto: Stummfilmfestival Karlsruhe

Warum sollte man sich Filme ansehen, die 100 Jahre alt oder sogar noch älter sind? Für Josef Jünger stellt sich die Frage nicht: Er unterscheidet Filme nicht nach alt oder neu. Sondern nach gut oder schlecht. „Beim Stummfilm ist es nur eben so, dass man viele Werke einfach gar nicht kennt“, sagt er. Und tut nun schon seit rund zwei Jahrzehnten als Organisator des Karlsruher Stummfilmfestivals einiges dafür, dass sich diese Situation ändert.

Ab diesem Mittwoch ist es wieder soweit: Fünf Tage lang gibt es Filmprogramm, in allen Vorstellungen mit Livemusik, die sich keineswegs immer auf den klassischen Stummfilm-Pianisten beschränkt.

„Für den Eröffnungsabend haben wir mit dem Ensemble Déjà Vu unter der Leitung von Gabriel Thibaudeau eine richtig internationale Besetzung gewonnen“, freut sich Jünger. „Der Schlagzeuger kommt aus Paris, die Geigerin aus Bologna und die Sängerin aus Berlin.“

Auf dem Programm steht auch ein vergleichsweise bekannter Name: Ernst Lubitsch, der bis heute als einer der Maßstäbe für Filmkomik gilt, inszenierte „Die Ehe im Kreis“ („Marriage Circle“) 1924 in den USA. Die 85-minütige Verwechslungskomödie ist nun am Mittwoch, 26. Januar, ab 19.30 Uhr zu sehen, und zwar an einem bislang für das Festival ungewohnten Ort: in der Festhalle Karlsruhe-Durlach. Denn verfügbar sind aus baulichen Gründen derzeit weder die angestammte Spielstätte, der Stephanssaal, noch die künftige Heimat, der neue Saal des Jazzclubs über der Kinemathek.

Karlsruher Stummfilmfestival mit bundesweit einzigartigem Profil

Auch wenn Stummfilm ein Spezialgebiet sein mag, so fügt diese Veranstaltung der Karlsruher Kulturlandschaft doch ein Alleinstellungsmerkmal hinzu. „Wir sind bundesweit das einzige Stummfilmfestival, das sein Programm jeweils unter ein Thema stellt“, betont Jünger.

Das Spektrum ist vielfältig: Es gab schon Festivals zum Crossdressing oder zur Geschichtsdarstellung im Film, zum Kino in der revolutionären Umbruchzeit direkt nach dem Ersten Weltkrieg oder zum Schaffen großer Regisseure wie Fritz Lang und Friedrich Wilhelm Murnau. „Ich finde, das gesamte Programm muss mehr sein als die Summe seiner Einzelteile“, erklärt Festivalleiter Jünger. Und fügt hinzu: „Es geht nicht nur ums historische Interesse. Die Filme müssen auch einen Platz im heutigen Leben finden können.“

Die Filme müssen auch einen Platz im heutigen Leben finden können.
Josef Jünger, Stummfilmfestival Karlsruhe

In mancher Hinsicht habe der Stummfilm bis heute gültige Maßstäbe gesetzt, etwa mit dem Prinzip, eine Geschichte vor allem über Bilder zu erzählen. „Manche Genres aber wären heute nur langweilig“, räumt Jünger ein. „Detektivfilme von damals würde ich nicht zeigen.“

Insgesamt altere jeder Film schlecht, der nur auf optische Sensationen setze. „Die lassen sich nicht aktualisieren. Gefühle hingegen wurden früher vielleicht anders ausgedrückt, gelten im Kern aber auch heute noch.“

Festival in Karlsruhe zeigt Chaplin vor seiner großen Solokarriere

Ein wenig gewagt erscheint da das Thema des aktuellen Festivals: Mit „Komödien, Slapstick & Co.“ setzt man vor allem auf das Vergnügen. Aber sind rund 100 Jahre alte Komödien heute noch lustig? „Ja, wenn die Komik aus den Figuren kommt“, befindet Jünger. „Deshalb ist Chaplin ja auch immer noch bekannt.“

Und dem Schaffen des legendären Filmemachers begegnet man nun auch in Karlsruhe. Nicht nur beim Chaplin-Nachmittag (30. Januar, 15 Uhr), sondern auch mit einem Auftritt vor der großen Solokarriere. Am zweiten Festivalabend läuft um 19 Uhr „Tillie’s Punctured Romance“ (Tillies gestörte Romanze) aus dem Jahr 1914, die erste abendfüllende Kinokomödie der amerikanischen Filmgeschichte. Und dort spielt der junge Chaplin unter der Regie von Slapstick-Erfinder Mack Sennett einen Kleinganoven, der sich als Heiratsschwindler an eine vermeintliche reiche Erbin heranmacht.

Musikalisch begleitet wird dieses filmhistorisch bemerkenswerte Werk durch das junge Karlsruher Duo saiLento. Und regionale Nachwuchsförderung betreibt das Festival mit der Vertonung des Sonderprogramms „Der alkoholische Slapstick“ (28. Januar, 21.30 Uhr, u.a. mit einem weiteren Chaplin-Beitrag): Dank eines Stipendiums der Riemschneider Stiftung konnten Natalia Garcia und Nicolas Mitschke, die an der Karlsruher Musikhochschule studieren, mit Kompositionen beauftragt werden, deren Uraufführung am Filmabend erfolgt.

Termine & Infos

Vom 26. bis 30. Januar in der Festhalle Karlsruhe-Durlach, www.stummfilmfestival-karlsruhe.de

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