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Zwei Drittel der Gemeinderäte üben Kritik

Neue Mitte in Graben-Neudorf: Planung und Kosten für Gebäude stoßen auf Ablehnung

Ein Stararchitekt, ausreichend Platz und hohe Erwartungen: Das sind die Eckpunkte des Vorhabens „Neue Mitte“ in Graben-Neudorf, das nichts weniger soll, als die Doppelgemeinde endlich zu einer Einheit verschmelzen. An Details entzweien sich allerdings die Geister.

In die Umgebung eingepasst: Der Entwurf des niederländischen Architekten Winy Maas für die neue Gemeindebibliothek in Graben-Neudorf findet in der überarbeiten Ausführung viel Bewunderung.  Die Treppenanlage könnte sich vielfältig, auch für kulturelle Ereignisse, nutzen lassen.
In die Umgebung eingepasst: Der Entwurf des niederländischen Architekten Winy Maas für die neue Gemeindebibliothek in Graben-Neudorf findet in der überarbeiten Ausführung viel Bewunderung. Die Treppenanlage könnte sich vielfältig, auch für kulturelle Ereignisse, nutzen lassen. Foto: Architekten MVRDV

Graben-Neudorfs „Neue Mitte“ sorgt für viel Gesprächsstoff. Das wurde in der Gemeinderatssitzung am Montag in der Grabener Festhalle deutlich. Musste Christian Eheim in der Bürgerfragestunde erst einmal den Vorwurf entkräften, dass dort ein Wohnghetto entstünde. Schon vor dieser Wortmeldung nahm der Rathauschef Stellung zum Projekt.

Es entstehe ein CO2-freies Quartier mit Praxen, Betreutem Wohnen, Ladengeschäften und einer Tagespflege, auf das man stolz sein könne. In puncto Bibliotheksgebäude sollten sich die Graben-Neudorfer nicht zerstreiten. Er sehe das Thema Bürgerbeteiligung bei der Bibliothek ernst.

In der „Neuen Mitte“ soll eine neue Gemeindebibliothek entstehen - ein zentrales Gebäude.

Widerstand im Gemeinderat

Der futuristische Entwurf stammt vom niederländischen Architekten Winy Maas. Das Gebäude soll nicht nur Lesestoff beherbergen, auch das Bürgerbüro und Gastronomie sollen unter einem terrassenförmigen Dach Platz finden. Im Juli 2018 hat der Gemeinderat das Konzept „Leben“ beschlossen - den Bau einer Bibliothek mit Gastronomie, Bürgerservice und Veranstaltungsräumen.

Nun regt sich allerdings im Gemeinderat Widerstand gegen den Entwurf.

Zwölf der 18 Mitglieder des Gemeinderates haben eine Stellungnahme unterschrieben, die der Grünen-Fraktionsvorsitzende Armin Gabler am Montagabend verlas und als Antrag einbrachte. Gefordert wird nichts anderes als ein Neustart. Die Antragssteller wollten weiterhin eine attraktive und lebendige Mitte schaffen, die bei den Bürgern eine hohe Akzeptanz genießt. Der Entwurf des Rotterdamer Architekturbüros könne allerdings die gestellten Anforderungen nicht erfüllen, so die Mitteilung.

Statt Einigkeit und Identifikation erzeugt diese Landschaftsbücherei Uneinigkeit und Spaltung.
Stellungnahme von 18 Mitgliedern des Gemeinderats

Man hege Zweifel, ob das Projekt durchführbar sei, so Gabler. „Nach langen und intensiven Diskussionen sind wir zum Ergebnis gekommen, dass dieser Entwurf die gestellten Anforderungen nicht erfüllen kann“, heißt es in dem Papier. Und weiter: „Statt Einigkeit und Identifikation erzeugt diese Landschaftsbücherei Uneinigkeit und Spaltung.“

Mehrheit für Projekt nicht absehbar

Kritisiert werden die hohen Kosten, die mit Bau des Landschaftsdachs, der Tiefgarage, dem Umbau der Hauptstraße und der Inneneinrichtung einen zweistelligen Millionenbetrag verschlingen würden. Die unterzeichnenden Gemeinderäte sehen die Bücherei als Prestigeprojekt, das Folgekosten nach sich ziehe, in einer Zeit, in denen andere Kommunen Sparhaushalte beschließen würden.

Der Planungsprozess muss gestoppt werden.
Stellungnahme von 18 Mitgliedern des Gemeinderats

Und: „Neben den großen Gebäuden der Sparkasse und des Ärztehauses wird noch ein weiteres Gebäude hineingequetscht, das genauso hoch sein soll, wie der Rathausturm“ - die Mitte werde komplett zugebaut. Die Forderung der Gemeinderäte von CDU, SPD und den Grünen: „Der Planungsprozess muss gestoppt werden“, verlas Gabler in der Sitzung.

In einer Linie: Die künftige Gemeindebücherei liegt genau neben dem Rathaus (hinten). Das Projekt soll einen neuen Höhepunkt in 50 Jahren Gemeindegeschichte bilden.
Das Projekt soll einen neuen Höhepunkt in 50 Jahren Gemeindegeschichte bilden. Foto: Architekturbüro MVRDV

Aus dem Papier heißt es, dass es wenig Sinn ergebe, weitere Planungsleistungen zu bestellen, wenn eine Mehrheit für die Pläne im Gemeinderat nicht absehbar sei. Des Weiteren soll noch einmal über Alternativen nachgedacht werden, sprich, ob ein Neubau notwendig erscheint, wenn eine Sanierung des bestehenden Gebäudes ausreichen würde.

Entscheidung am 5. Oktober

Auch die Art der Gastronomie und die Ausgestaltung des Begegnungszentrums wirft Fragen auf. Zuallerletzt gehen die Antragssteller auf die Gemeindefinanzen in Corona-Zeiten ein und fordern, die Kosten anzupassen, denn es sei nicht klar, wie hoch die Einbußen bei den Einnahmen infolge der Krise sein werden. Das neue Gebäude mit seinen Folgekosten müsse in den finanziellen Rahmen passen. Über den Antrag soll in der kommenden Gemeinderatssitzung am 5. Oktober entschieden werden.

Wir wären gut beraten die Rückmeldungen aus der Bürgerschaft auszuwerten.
Christian Eheim, Bürgermeister Graben-Neudorf

Christian Eheim, erklärte, dass man seit dem 27. Juli keine weitere Planung vorangetrieben habe und bis zur Gemeinderatssitzung im Oktober auch nicht tätig werde. In vier Veranstaltungen vor den Sommerferien sei der Entwurf den Bürgervertretern vorgestellt worden, erläutert er auf Anfrage der BNN. Aber: „Es wäre nicht besonders klug mitten in einem laufenden Prozess die Flinte ins Korn zu werfen. Das Ziel, eine moderne Bibliothek als Treffpunkt mit Gastronomie als Herzstück für die Ortsmitte zu bauen, hat sich der Gemeinderat im Juli 2018 selbst gesetzt. Wir wären gut beraten die Rückmeldungen aus der Bürgerschaft auszuwerten und in einer Klausurtagung gemeinsam mit dem einstimmig beauftragten Architekturbüro den Entwurf anzupassen“, sagt der Bürgermeister.

Sein Vorschlag sei es, weiter miteinander im Gespräch zu bleiben und bei einer Klausurtagung mit den Architekten darüber zu sprechen, wie der Entwurf angepasst werden könne. Wenn es stattdessen einen Stillstand gebe, ohne eine wirkliche Alternative zu benennen, bleibe die Frage, was Graben-Neudorf davon habe.

„Entschleunigung ja, Stillstand nein“, scheine ihm das bessere Motto für den Planungsprozess zu sein.

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