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Mann soll Kinder angesprochen haben

So gehen Eltern mit Ängsten um: Expertin aus Graben-Neudorf gibt Tipps

In Graben-Neudorf und Forst haben Berichte von einem Mann, der Kinder anspricht, für Beunruhigung gesorgt. Expertin rät: Ängste sind wichtig, sollten aber nicht überhandnehmen.

Zwei Kinder mit Schulranzen steigen in ein Auto ein.
Eltern sollten ihre Kinder, aber auch sich selbst auf gefährliche Situationen vorbereiten. Dazu gehört auch, dass Kinder nicht bei Fremden ins Auto einsteigen dürfen. Foto: Ralf Hirschberger/dpa-Zentralbild/dpa

Ein Mann soll in Graben-Neudorf ein Kind angesprochen haben. Auch aus Forst wird ein ähnlicher Vorfall berichtet. Die Nachricht war für viele Eltern in der Region höchst beunruhigend.

Doch wie geht man als Elternteil mit solchen Nachrichten um? Und wie können sie ihre Kinder optimal auf derartige Situationen vorbereiten?

Das verrät Victoria Kalmbacher, Mitarbeiterin der Psychologischen Beratungsstelle des Landratsamts Karlsruhe in Graben-Neudorf.

Viele Eltern haben die Nachrichten über angesprochene Kinder in Graben-Neudorf und Forst sehr verunsichert. 
Victoria Kalmbacher
Angst zu haben, dass das eigene Kind entführt werden könnte, ist zunächst nichts Ungewöhnliches, sondern ein angemessenes Gefühl. Angst ist ein Urinstinkt, der uns seit Millionen Jahren vor potenziellen Gefahren schützt. Mit anderen Worten: Angst hat eine wichtige Funktion. Dabei ist es für Eltern aber wichtig, die eigene Angst nicht zu groß werden zu lassen. Sie könnte sich sonst ungünstig auf die eigenen Kinder auswirken. Ein Beispiel: Eltern fahren ihr Kind wieder zum Unterricht, obwohl es schon längst selbstständig zur Schule läuft. Da wirkt sich die Angst der Eltern negativ auf die Entwicklung des Kindes, auf seine Autonomie und sein Selbstvertrauen aus.
Wie können Eltern die eigenen Ängste beherrschen?
Victoria Kalmbacher
Menschen, die übertriebene Angst oder Panik empfinden, schätzen Gefahrenpotenziale oft gefährlicher oder risikoreicher ein. In so einer Situation ist es hilfreich, erst einmal einen Realitätscheck vorzunehmen. Wie wahrscheinlich ist eine Kinderentführung überhaupt? Und wie wahrscheinlich ist es, dass genau mein Kind entführt wird? Dafür braucht es gesicherte Quellen. Kindesentführungen sind glücklicherweise sehr selten. Durch das große mediale Interesse bleiben Fälle wie der der versuchten Entführung in Böblingen aber im Gedächtnis und lassen manche Gefahren größer wirken, als sie statistisch gesehen sind. 

Eltern sollten Kinder, aber auch sich selbst vorbereiten

Was kann ich sonst noch tun? 
Victoria Kalmbacher
Ein wichtiger Aspekt ist eine gute Vorbereitung, quasi als Absicherung für einen selbst. Eltern sollten ein angemessenes Gefahrenbewusstsein haben und das an die Kinder weitergeben. Dazu können sie eine Art Handlungs-Check für sich selbst erstellen. Kinder sollten lernen, dass sie niemals von Personen abgeholt werden, wenn es vorher nicht besprochen wurde, dass sie nicht mit Fremden mitgehen dürfen oder gar in ihr Auto steigen. Darüber hinaus müssen sie begreifen, dass nicht alle Erwachsenen Gutes wollen, auch wenn sie nett und zugewandt erscheinen oder mit Süßigkeiten locken. 
Reicht die Warnung vor Gefahren? 
Victoria Kalmbacher
Zusätzlich sollten Eltern ihren Kindern konkrete Handlungsstrategien und Hilfsangebote geben. Das kann zum Beispiel sein, dass sie nicht allein, sondern nur in Gruppen unterwegs sind. Das kann aber auch sein, dass Eltern und Kinder gemeinsam den Schulweg abgehen und gezielt Orte finden, an denen das Kind im Notfall Hilfe bekommen kann. Auch das Verhalten in einer solchen Situation sollte immer wieder geübt werden, etwa ein klares Nein oder die Ansprache von Hilfspersonen. Vorfälle wie in Graben-Neudorf und Forst können Eltern nutzen, um diese Handlungsanweisungen noch einmal zu wiederholen. Und noch eines ist wichtig: eine vertrauensvolle Eltern-Kind-Beziehung. Denn nur dann schaffen es Kinder, sich nach ängstigenden Situationen den Eltern anzuvertrauen.
Victoria Kalmbacher, Mitarbeiterin der Psychologischen Beratungsstelle Graben-Neudorf
Victoria Kalmbacher ist Mitarbeiterin der Psychologischen Beratungsstelle Graben-Neudorf. Foto: Victoria Schäufele
Wie sollten Eltern mit Nachrichten in sozialen Medien umgehen? 
Victoria Kalmbacher
Das ist nicht ganz einfach. Verdachtsfälle sollten immer an die richtige Stelle adressiert werden. Das ist eben die Polizei, gegebenenfalls die Schulleitung, und nicht die Whatsapp-Elterngruppe oder Facebook. Falschmeldungen, Spekulationen können dort schnell und unkompliziert verbreitet werden. Je häufiger solche Posts dann erscheinen, umso ängstigender kann das auf jeden Einzelnen wirken. Natürlich kann der Einzelne nicht einfach wegsehen, wenn eine derartige Nachricht in einem sozialen Netzwerk auftaucht. Aber man sollte immer überprüfen, welche Quelle dahintersteckt.
Heißt das, Eltern müssen jede Nachricht hinterfragen beziehungsweise überprüfen? 
Victoria Kalmbacher
Bevor man solche Nachrichten weitergibt, sollte man das tun. Denn sonst kann sich leicht eine Panik verbreiten. Richtige Informationen sollten von einer verlässlichen Quelle stammen.
Also sollte man andere Eltern nicht warnen? 
Victoria Kalmbacher
„Nur“ auf Basis eines Verdachts ergibt es keinen Sinn, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Das sollte man erst, wenn der Verdacht polizeilich bestätigt wurde. Postet die Polizei ihrerseits etwas, kann man das dann auch teilen.
Sie sprachen davon, Kindern zu vermitteln, dass es Erwachsene gibt, die nicht nur Gutes wollen. Wie viele Informationen sollte ich meinem Kind dazu geben? 
Victoria Kalmbacher
Das ist abhängig vom Alter und Entwicklungsstand. Eltern sollten ihren Kindern klarmachen, dass es Menschen gibt, die böse Absichten haben können. Denen gegenüber können und sollen Kinder klare Grenzen aufzeigen. Gleichzeitig ist das für Eltern eine Gratwanderung. Zum einen müssen Eltern klar sagen, was sein kann. Zum anderen sollten Eltern Kindern nicht unnötig Angst machen. 
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