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Wenn Ökopunkte gebraucht werden

Hofbetreiber aus Eggenstein-Leopoldshafen kritisiert Bürokratie 

Aus Sicht von Markus Leicht, Inhaber eines Erdbeer- und Spargelhofs, wird zu viel fruchtbares Ackerland für Ausgleichsflächen verwendet.

Mann schneidet mit Gartenschere Pflnaze auf Feld
Diese Ausgleichsfläche am Hardtwald in Eggenstein wurde von Markus Leicht nach dem Pflanzplan eines Landschaftsplaners als Lebensraum für Insekten und andere Tiere angelegt. Foto: Pia Frei

Neue Baugebiete, Brücken, Straßen, Energietrassen – für menschliche Eingriffe in den Naturhaushalt oder das Landschaftsbild muss der Verursacher einen Ausgleich herstellen. Und zwar, bevor er mit dem Vorhaben beginnt. Eigens dafür wurde eine eigene Währung eingeführt: die Ökopunkte. Jeder Art von Fläche wird ein Biotoptyp zugeordnet. Das Bundesamt für Naturschutz unterscheidet 863 Biotoptypen, jeweils mit einem speziellen Biotopwert. Die Anzahl der Ökopunkte ergibt sich durch den Vergleich mit der Punktzahl pro Quadratmeter der Fläche vor und nach der Ausgleichsmaßnahme.

Spargelbauer pflegt auch Ausgleichsflächen

Markus Leicht, Betriebsinhaber des Erdbeer- und Spargelhofs in Eggenstein-Leopoldshafen, ist von Ausgleichsmaßnahmen betroffen. Einige seiner Felder wurden zu Ausgleichsflächen. Andere legt er für die Gemeinde an und pflegt sie.

Sind Ausgleichsmaßnahmen und Ökopunkte sinnvoll?
Leicht
Ich bin Landwirt. Ich arbeite und lebe täglich mit und in der Natur. Natur- und Artenschutz ist mir wichtig. Grundsätzlich unterstütze ich deshalb auch die Forderung nach Ausgleichsmaßnahmen. Aber es kommt darauf an, wo und wie sie umgesetzt werden.
Für das neue Baugebiet N5 wurde am Hardtwald in Eggenstein eine Ausgleichsfläche angelegt. Was wurde gemacht?
Leicht
Rund 3.000 Quadratmeter Ackerland wurden vor zwei Jahren von der Gemeindeverwaltung aus der Bewirtschaftung genommen und mit heimischen Büschen und zwei Bäumen bepflanzt, an den Rändern ein Krautstreifen mit Wildblumen ausgesät. Ein Landschaftsarchitekt hat das Gelände geplant. Es wurden ausschließlich autochthone Pflanzen verwendet, also Büsche aus Pflanzschulen der Umgebung. Leider sind einige Pflanzen vertrocknet. Autochthone Ersatzpflanzen waren nicht lieferbar. Andere durften ohne erneute Genehmigung nicht verwendet werden. Ein ziemlich bürokratischer Aufwand …
Auch im Tiefgestade neben dem Gewerbegebiet Richtung Neureut gibt es Ausgleichsflächen. Wer war der Initiator?
Leicht
Eigentümer der Flächen ist der Bund. Es geht um den Ausgleich für den Bau der neuen Rheinbrücke in Knielingen. In eingezäunten Flächen entstehen nun Wald und Flachwasserzonen für Amphibien. Ringsum gibt es Wald, Hecken, Auenlandschaft. Es ging bei der Standortwahl nicht um die Notwendigkeit, die dortigen Flächen verbessern zu müssen. Es wurden Ökopunkte gebraucht. Die Fläche liegt nahe an Karlsruhe, also wurden die Pachtverträge mit den Landwirten vom Bund gekündigt. 20 Hektar fruchtbaren Ackerlands ging verloren.
Wurden Teile Ihrer Anbauflächen schon zu Ausgleichsflächen?
Leicht
Ich bewirtschafte Pachtflächen in Bad Schönborn. Die Kieswerke Philipp haben in Langenbrücken eine Abbauerweiterung um 15 Hektar für den Baggersee beantragt. Auf der Fläche des ersten Bauabschnitts wurden von einem Ornithologen Bodenbrüter entdeckt. Als Ausgleich erfolgt auf drei Hektar meiner Pachtflächen extensiver Getreideanbau. Extensiver Anbau bedeutet reduzierte Aussaatmenge, kein Dünger, keine Pflanzenschutzmittel. Die lichteren Getreideflächen sollen somit Lebensraum für bodenbrütende Vögel, Insekten und Ackerwildkräuter werden. Eigentlich eine gute Sache. Nur ernten und zur Mühle bringen kann ich das Getreide aufgrund des geringen Reinheitsgrades wahrscheinlich nicht. Vermutlich muss ich die Fläche am Ende der Saison mulchen.
Gibt es in Eggenstein-Leopoldshafen positive Beispiele für Ausgleichsmaßnahmen?
Leicht
Ende 2016 wurden von der Unteren Naturschutzbehörde Maßnahmen zur Entschlammung des Alten Hafens in Leopoldshafen genehmigt. Aus der Niedrigwasserrinne zwischen der Leimersheimer Fähre und dem Alten Hafen sowie vom Kiesrücken im Alten Hafen wurde Schlamm in eine tiefere Gewässersenke umgelagert. Der Alte Hafen ist ein wertvolles Biotop auf unserer Gemarkung. Die Ausgleichsmaßnahme verbesserte deutlich die Wasserqualität. Zudem konnten wir damit fast 600.000 Ökopunkte generieren.
Funktioniert das System aus Ihrer Sicht?
Leicht
Mich ärgert das Prozedere: Der Gesetzgeber schreibt vor und wir werden nicht gefragt. Wir haben in der Hardt keine Agrarwüste. In unseren Gemeinden gibt es Wälder, Streuobstwiesen, Überflutungsauen, Baggerseen– alles wertvolle Biotope. Diese gilt es, zu schützen und, wo nötig, zu verbessern. Fruchtbares Ackerland in Ausgleichsflächen umzuwandeln ist für mich der falsche Weg. Und oftmals auch ein kostenintensiver. Denn für Planung, Anlegen und Pflege muss die Gemeinde viel Geld in die Hand nehmen. Schon heute schreiben viele Kommunen rote Zahlen. Letztendlich leiden auch die Bürger. Denn Kosten für Ausgleichsmaßnahmen im neuen Baugebiet werden auf die zukünftigen Bauherren umgelegt. Deshalb: Ausgleichsmaßnahmen ja, aber in für die Kommunen sinnvolle Projekte investieren.
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