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Reben sollen langsamer reifen

Drei Jahre Dürre, dann der Regen: Winzer in Weingarten müssen sich dem Klima anpassen

Die Wetterextreme der vergangenen Jahren haben es den Winzern in Weingarten nicht leicht gemacht. Weinbauinstitute setzen nun vermehrt auf mediterrane Sorten - doch so schnell klappt die Umstellung nicht.

Aktuelle Arbeit:  Die Reben werden geschnitten. Die fruchttragenden Ruten werden bis auf ein bis zwei Augen zurückgeschnitten, aus denen sich im Frühjahr neue Triebe entwickeln. Das Altholz fällt auf den Boden und wird nachträglich entfernt.
Aktuelle Arbeit: Die Reben werden geschnitten. Die fruchttragenden Ruten werden bis auf ein bis zwei Augen zurückgeschnitten, aus denen sich im Frühjahr neue Triebe entwickeln. Das Altholz fällt auf den Boden und wird nachträglich entfernt. Foto: Marianne Lother

Elina Holzmüller steht im Weinberg und schneidet mit der elektrischen Schere das Fruchtholz der Auxerroisreben an. Die 25-Jährige hat ein abgeschlossenes Studium in Internationaler Weinwirtschaft und vertieft ihre praktischen Kenntnisse im elterlichen Betrieb.

„Die Wetterextreme in den vergangenen Jahren haben die Reben sehr gestresst“, fasst sie zusammen. Sie kennt auch die alte Winzerweisheit: Ein nasses Jahr verdirbt mehr als ein trockenes. 2021 war eindeutig zu nass.

Das bestätigen auch die erfahrenen Winzer Gerd Siegrist und Frank Gauss, der Chef der Weinmanufaktur Weingarten. Der viele Regen im Verbund mit hohen Temperaturen habe ein Klima erzeugt, wie in einem Badezimmer, in dem nie gelüftet, aber ständig geduscht wird.

Grundsätzlich sei der Regen nach den drei sehr trockenen Jahren dringend nötig gewesen, sagt Gauss. Aber es habe fast keine trockenen Zeiträume gegeben, die es den Winzern erlaubt hätten, ausreichend Pflanzenschutz auszubringen, der nicht sofort wieder abgewaschen wurde.

Winzer haben Ausfälle von etwa 30 Prozent

Trotz einer sehr großen Gefahr von Mehltau habe man nicht spritzen können, das habe zu größeren Ertragseinbußen geführt, sagt Siegrist. Auf durchschnittlich 30 Prozent beziffern die drei Weinbautreibenden ihre Ausfälle.

Ein Trost: Die Qualität der abgegebenen Trauben habe dank der enormen Fleißarbeit der Winzer, die täglich die fauligen Beeren ausgeschnitten hätten, nicht gelitten und verspreche einen spritzigen und gehaltvollen Wein, so Gauss.

Der Weinbau kommt am Klimawandel nicht vorbei. Schon seit längerem versuchen die Weinbauinstitute mit der Entwicklung neuer, klimaangepasster Sorten dem entgegenzukommen. Elina Holzmüller nennt Syrah, Merlot, Chardonnay und Sauvignon.

Diese mediterranen Rebsorten seien hitzetoleranter und in dieser Hinsicht tauglicher. Aber, sagt die junge Fachfrau, so eine Umstellung gehe nicht von heute auf morgen. Denn wenn Reben erst einmal stehen, seien diese für die nächsten 25 Jahre eingeplant.

Ein Ansatz versucht, den Reifeprozess zu verlangsamen

Nicht mehr ganz neu im Zuchtprogramm der Institute sind sogenannte PiWis, pilzwiderstandsfähige Sorten, die sich in der Praxis durchsetzen, berichtet Gerd Siegrist. Wenn der Weinbau seine Verpflichtung zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln in Zukunft einhalten wolle, führe an diesen Sorten kein Weg vorbei.

Das bedeutet aber nicht, dass gar nicht mehr gespritzt werden müsse, ergänzt Elina Holzmüller. Ganz ohne Pflanzenschutz gehe es nicht, aber Einsparungen von rund 50 Prozent seien möglich.

Ein dritter Ansatz, so die drei Experten, sei der Versuch, den Reifeprozess der Reben zu verlangsamen. In den vergangenen Jahren habe die Lese drei Wochen früher begonnen als noch vor Jahrzehnten. Dadurch falle die Reifeentwicklung in eine wärmere Phase.

Heiße Tage bringen hohe Zuckergehalte in den Trauben, was bei der Vergärung zu einem veränderten Aromaprofil und hohem Alkoholgehalt führe. Das werde beim Verbraucher nicht gewünscht, erklärt Siegrist.

Badische Weinbauverband ändert seinen Slogan

Einen möglichen Lösungsansatz sehen die Versuchsanstalten darin, die Laubwand in der Rebanlage zu verkleinern. Weniger Blätter bedeuten weniger Fotosynthese und damit weniger Zuckereinlagerung.

Jahrzehntelang galt in Baden der Werbeslogan: Badischer Wein – von der Sonne verwöhnt. Jetzt hat sich der Badische Weinbauverband von diesem Slogan getrennt. Kenner der Branche sehen darin ein klares Signal für einen Aufbruch und einen bevorstehenden Strukturwandel.

Die Weingartener Winzer wissen das auch. „Die Mitglieder der Genossenschaft werden auch 2022 wieder ihr Möglichstes tun, um ihre Kunden auch in Zukunft mit hervorragenden Weinen zu erfreuen“, verspricht Gauss.

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