
Noch ist Sven S. nur ein mutmaßlicher Erpresser. Doch an der Schuld des 53-Jährigen, der im August 2019 eine Lösegeld-Forderung an das Karlsruher Drogeriemarkt-Unternehmen dm stellte und dieser mit einem Bombenanschlag Nachdruck verlieh, besteht im Grunde kein Zweifel. Schon zu Beginn des Prozesses vor dem Karlsruher Landgericht hatte der Angeklagte ein umfassendes Geständnis abgelegt. Jetzt geht es nur noch darum, wie lang er für seine Tat büßen muss.
Vor Gericht hatte Sven S. immer wieder versucht, den Eindruck eines intelligenten Mannes ohne übermäßig viel kriminelle Energie zu erwecken. Er zeigte sich offen für alle Fragen und beantwortete diese höflich.
Immer wieder hatte er am ersten Prozesstag beteuert, dass er mit seiner selbstgebauten Bombe niemanden habe verletzen wollen. Das Karlsruher Unternehmen habe er sich nur deshalb als Opfer ausgesucht, weil es „denen am wenigsten weh tut“.
Auch seine Lösegeldforderung von zunächst 27 und später 54 Bitcoins, letzteres entsprach zu diesem Zeitpunkt einer Summe von einer halben Million Euro, war nicht exorbitant hoch, sondern sollte nur dazu dienen, für die nächsten zehn Jahre nicht mehr arbeiten zu müssen.
Polizistin berichtet von Waffen in großen Mengen
Bei der Zeugenaussage einer ermittelnden Polizeibeamtin allerdings bekam das Bild vom biederen Erpresser tiefe Risse. Sie berichtete von einer umfangreichen Waffensammlung, die man bei der Durchsuchung der Wohnräume des Angeklagten in der Schweiz gefunden hatte.
In so einer Menge und Anzahl hatten das die Kollegen nie gesehen.Ermittelnde Polizistin
„In so einer Menge und Anzahl hatten das die Kollegen nie gesehen“, berichtete sie. Die Vermieterin, die im selben Haus mit dem Angeklagten wohnte, habe auf einem regelrechten Pulverfass gelebt.
Allerdings stießen die Ermittler noch auf mehr: Auf dem sichergestellten Rechner des Angeklagten befanden sich zahlreiche Dateien mit kinderpornografischen Inhalten.
Schon der bloße Besitz solcher Dateien ist strafbar. In Deutschland wird es deshalb aber vermutlich nicht zu einer Klage kommen. Nach Angaben des Ersten Staatsanwalts Matthias Hörster droht dem Angeklagten deshalb aber in der Schweiz der Prozess.
Verteidiger plädiert für ein mildes Urteil
Für die jetzt angeklagte räuberische Erpressung mit Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion spielte dieser Verdacht allerdings keine Rolle. Hörster forderte er in seinem Plädoyer eine Haftstrafe von neun Jahren für den nicht vorbestraften Angeklagten.

Er betonte die besondere Gefährlichkeit der Tat, die außerordentliche kriminelle Energie, die es für die Planung brauchte und die Gier, die das einzige Motiv gewesen sei.
Pflichtverteidiger York Fratzky aus Karlsruhe sprach sich für ein mildes Urteil aus. Man müsse das Nachtat-Verhalten seines Mandanten berücksichtigen. Für ihn spräche das umfassende Geständnis und der von vornherein geäußerte Wille zu Kooperation. Am 14. April will das Gericht unter Vorsitz von Richter Fernando Sanchez-Hermosilla das Urteil verkünden.
dm fordert Schadenersatz
Einen nicht unerheblichen Teil des Prozesstages nahm die genaue Berechnung des von dm geforderten Schadenersatzes in Höhe von rund 500.000 Euro ein. Die Anwälte des Unternehmens, die in dem Verfahren als so genannte Adhäsionskläger auftreten, forderten außerdem mehr Auskunft über den Verbleib der gesamten Bitcoin-Summe.
Wir hätten ein komisches Gefühl, wenn er das Gefängnis als Millionär verlässt“, gab der dm-Anwalt zu bedenken.dm-Anwalt
Da die Kryptowährungen in den vergangenen Jahren immer wieder großen Wertschwankungen unterworfen waren, warfen sie die Frage auf, ob der Angeklagte möglicherweise Gewinne gemacht hat, die jetzt noch irgendwo schlummern.
„Wir hätten ein komisches Gefühl, wenn er das Gefängnis als Millionär verlässt“, gab der dm-Anwalt zu bedenken. Der Angeklagte erklärte, auf die sichergestellten Vermögenswerte zu Gunsten der Firma dm und der Staatskasse verzichten zu wollen.