„Wo auch immer das ist“, heißt die letzte Zeile in Max Giesingers Song „Zuhause“. Dabei lässt der 31-Jährige bei seinen schon traditionellen Jahresabschluss-Konzerten im Tollhaus Karlsruhe keinen Zweifel, wo zuhause für ihn ist: „Die Leut in Hamburg, die gucke wie die Eumel wenn ich so schwätz wie hier“, grinst der bei Waldbronn aufgewachsene Sänger und freut sich, „in nur drei Tagen bei der Familie“ über Weihnachten wieder voll in den badischen Dialekt hineingerutscht zu sein.
Später schwärmt er seiner fünfköpfigen Band noch vor, man solle doch gemeinsam aus der Hanse- in die Fächerstadt ziehen. Er dichtet dafür sogar „Kalifornien“, den ersten Song seines ersten Albums „Laufen lernen“, an diesen Abenden um: „Wir zieh'n nach Karlsruh'-City“, heißt es nun im Refrain, und: „Alles wird gut in Karlsruh'-City“.
So sieht es in der Tat aus: Die beiden Konzerte im großen Saal waren quasi schon zu Jahresbeginn ausverkauft, was zwei Mal knapp 1500 Besucher bedeutet. Die Stimmung ist überaus herzlich: Der Saal begrüßt Giesinger mit einem Meer aus Luftballons, später werden Papierherzen mit seinem Vornamen geschwenkt - das Heimspiel-Publikum liebt seinen Max.
Flapsige Sprüche
Und der gibt ihm allen Grund dazu. Schon im zweiten Song verlässt er die Bühne und geht minutenlang durch den Saal, um viele Besucher aus der Nähe zu begrüßen. "Ja, ich bin wirklich so klein", flachst er dabei - ein Vorgeschmack auf andere flapsige Sprüche, die folgen werden.
Und, auch nicht unwesentlich: Zweieinhalb Stunden lang serviert Giesinger mit seiner perfekt eingespielten Band, die auch nach 90 Shows im nun endenden Jahr sichtlich noch Spaß auf der Bühne hat, einen Querschnitt durch sein mittlerweile doch recht ergiebiges Repertoire.
Abwechslungsreiche Setlist
Die Reise dieses Abends führt vom Opener „Bist du bereit“ und das rockige „Ultraviolett“ über das nachdenkliche „Wenn ich leiser bin“ und das optimistische „Australien“ bis zu den Hits „Wenn sie tanzt“ und „80 Millionen“. Die geschickt zusammengestellte Setlist sorgt für Abwechslung. Während Gitarrist Steffen Graefe eines seiner wenigen (dafür umso markanteren) Soli spielt, wird ein Klavier auf die Bühne geschoben.
An diesem Instrument spielt Giesinger das melancholische Trennungsstück „Leerer Raum“, begleitet vom zweiten Gitarristen Felix Gerlach am Cello. Und bevor die Band eine Unplugged-Runde gibt, spielt er solo an der Akustikgitarren einen Song zum Besten, „den ich das ganze Jahr für mich geklimpert habe und auf den ich jetzt Bock habe“. Und ja, „I'm on Fire“ von Bruce Springsteen steht ihm überraschend gut zu Gesicht.
Linzertorte bei der Oma
Ohnehin profitieren diese Jahresabschluss-Konzerte, die Giesinger vor sechs Jahren vor deutlich kleinerem Auditorium ins Leben rief, von Spontanität und großer Nähe zwischen Sänger und Publikum. Giesinger erzählt vom Weihnachtsurlaub („Vor zwei Tagen hab ich noch bei meiner Oma Linzertorte gegessen, und jetzt steh ich zwei Mal hintereinander vor 1.500 Leuten“). Er erinnert sich an seine Zeit als Hochzeitssänger und stimmt spontan den Sunrise-Avenue-Hit „Hollywood Hills“ aus seinem damaligen Repertoire an.
Und er behauptet, die neue Oh-oh-oh-Backgroundmelodie zu „Kalifornien“ (pardon: „Karlsruh'-City“) sei ihm beim Alpaka-Wandern zugeflogen. „Die kam mir in den Sinn, als wir einen Berg hoch sind, und da hab' ich das Alpaka gefragt, ob die Melodie gut genug ist, dass ich sie heute in Karlsruhe verwenden kann“, flunkert er, bevor es ihm herausrutscht: „Was red ich denn da für einen Quatsch? Zuviel Weihnachten...“
Gast aus England
Mit Tom Gregory aus Blackpool hat „Der Junge der rennt“ (so Giesingers zweiter Albumtitel) einen Gast, der ebenfalls gern über Bewegung singt: Dessen hier vorgestellte Songs heißen „Small Steps“ und „Run to you“. Und Gregory überzeugt nicht nur mit seiner ausdrucksstarken klaren Stimme, die ein wirkungsvolles Gegenüber zu Giesingers warmherzigem Gesang bildet, auch seine Songs gehen sofort ins Bein und ins Ohr. Am Ende von „Run to you“ singt das Publikum schon fast genauso laut mit wie bei Giesingers Stücken.
Lotte, die Duettpartnerin von Giesingers aktueller Single, wäre natürlich auch ein toller Name für die Gastliste gewesen. Aber deren Karriere hat mittlerweile dermaßen Schwung aufgenommen, dass sie wohl zwischendurch auch mal durchschnaufen muss. So wird ihr Gesangspart bei „Auf das, was da noch kommt“ an diesem Abend vom vielseitigen Gitarrist Graefe übernommen.
2020 in dm-Arena
Den Titel dieses elektrobeat-angehauchten Songs können Giesinger-Fans übrigens wörtlich nehmen und sich freuen auf das, was da noch kommt: Am 20. März 2020 wird Karlsruhe in der dm-Arena wohl das bislang größte Einzelkonzert seines auch schon zwei Mal auf der "Fest"-Hauptbühne gefeierten Musikexports erleben.