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Mit Modell von Marilyn Monroe

Weltweit erstes Bikini-Museum eröffnet am Sonntag in Bad Rappenau

Die Geschichte der Bademode, der Prüderie und des Sexismus beleuchtet das neue Bikini Art Museum in Bad Rappenau. Der Unternehmer Alexander Ruscheinsky hat das Haus gegründet. Zu sehen sind auch ein Original-Badeanzug von Marilyn Monroe und Gemälde von Udo Lindenberg.

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Eine Nackttänzerin präsentierte das „hübsche Nichts“: Micheline Bernardini, die normalerweise im Pariser Casino auftrat, trug 1946 den ersten original Bikini von Louis Réard. Die explosive Wirkung des Zweiteilers und die Kulturgeschichte der Bademode beleuchtet das neue Bikini Art Museum in Bad Rappenau. Foto: Ullstein Foto: ullstein

Neben der Autobahn 6 bei Bad Rappenau eröffnet am Sonntag, 5. Juli, ein ungewöhnlicher neuer Ausstellungsort: das Bikini Art Museum in Bad Rappenau. Der sogenannte "Autohof-König" Alexander Ruscheinsky hat eine umfangreiche Sammlung historischer Bademode zusammengetragen. Die Ausstellung beleuchtet die Geschichte wechselnder Moralvorstellungen und Schwimmkleider – und ihren Niederschlag in Kunst, Film und Musik.

Hat sie in diesen Badeanzug tatsächlich hineingepasst? Die sagenhafte Marilyn Monroe – dieses Vollweib mit den üppigen Kurven? Reinhold Weinmann zeigt das wertvolle Ausstellungsstück aus Samt und Spitzen mit feierlichem Stolz und schelmischer Freude.

„Es ist erstaunlich, wie zierlich Marilyn Monroe war“, sagt der Direktor des neuen Bikini-Art-Museums in Bad Rappenau. „Dieser Badeanzug passte keiner unserer Puppen.“ Dass ihn die eher kleine Hollywood-Göttin 1951 tatsächlich an ihrem Leib getragen hat, sei aber gesichert. Nicht nur, weil der Schatz von einer namhaften Sammlerin stammt.

Für Marilyn Monroe wurden alle Badeanzüge sonderangefertigt.
Reinhold Weinmann, Direktor des Bikini Art Museums

Dass der serienübliche Verschluss an dem Edel-Badeanzug für die „Love Nest“-Filmwerbung fehlt, ist auch ein wichtiges Indiz. „Für Marilyn Monroe wurden alle Badeanzüge sonderangefertigt, die saßen nur an ihr“, betont Weinmann – und fügt hinzu: „Dieser Badeanzug ist heute etwa 40.000 Euro wert.“ Ganz zu schweigen vom Monroe-Bonus.

Neben ihren Film-Engagements habe Monroe regelmäßig als Mannequin für die Bademode-Marke Catalina gearbeitet, erzählt der Museumsdirektor. Alte Modezeitschriften erzählen davon. Es sind nur einige von vielen unterhaltsamen Wissenshappen, die Besucher aufpicken können, wenn sie durch das neue Museum streifen, das an diesem Sonntag an der Autobahn 6 bei Bad Rappenau öffnet. Als „weltweit erstes Museum für Bademode und Badekultur“ wirbt es für einen Zwischenstopp.

Thema ist der Befreiungskampf der Frauen vom Stoff

Der Eingang in dem Neubau liegt etwas unscheinbar neben der Rezeption des Best-Western-Hotels und einem Bio-Schnellrestaurant. Wer hindurchtritt, den erwartet ein kulturhistorischer Spaziergang durch die Epochen von Prüderie und sexueller Befreiung, durch Bademoden- und Pop-Welten.

Der Anspruch der Ausstellungsmacher ist hoch. „Wir wollen die Befreiung der Frau zeigen“, umreißt ihn Kunsthistoriker Weinmann. Weithin sichtbar thront auf dem Museumsdach die Skulptur der „Janara“: ein Bikini-Mädchen mit Boxhandschuhen.

„Die Jüngeren wissen nicht, dass es so ein Kampf war, bis Frauen selbstverständlich mit dem Bikini ins Schwimmbad gehen konnten“, sagt Weinmann. Die Abteilung „Skandale“ bietet anschaulichen Nachhilfe-Unterricht.

Schwimmerin ohne Strümpfe wurde verhaftet

Da ist das Foto von Schwimmsportlerin Ethelda Bleibtrey: Sie wagte es 1919 doch tatsächlich, ohne Strümpfe am Manhattan Beach zu schwimmen – und wurde verhaftet. Denn Frauen mussten beim Baden ihre Füße und Knöchel bedeckt halten.

Dass Polizisten zum Maßband griffen und an Stränden prüften, ob die Badekleider der Frauen auch züchtig genug waren, zeigen mehrere Fotodokumente in Schwarz-Weiß. An die australische Schwimmerin Annette Kellermann erinnert die Ausstellung. Sie löste 1907 mit einem eng anliegenden Einteiler einen Skandal aus. „Ich will schwimmen – und das kann ich nicht mit einer Wäscheleine voll Stoff an meinem Körper!“, erklärte sie damals.

Bleikugeln beschwerten züchtige Badekleider

Und im 19. Jahrhundert waren es nicht nur die langen, alle Reize verhüllenden Stoffe, die Frauen das Leben erschwerten: „Es wurden Bleikügelchen in die Säume eingenäht, damit der Stoff im Wasser nicht auftrieb“, berichtet Weinmann. Da wurde das Planschen zur Überlebensfrage.

Der Weg zum bequemen Zweiteiler war lang. Adolf Hitlers Lebensgefährtin Eva Braun trug im Jahre 1938 schon einen, wie ein Ausstellungsfoto belegt – dabei galt damals in Deutschland immer noch der „Zwickelerlass“ von 1932: Er sollte verhindern, dass sich unter der Badekleidung zu viel abzeichnete oder die Menschen gar nackt badeten. Wie eine Bombe sollte dann 1946 der erste echte „Bikini“ einschlagen.

Designer Louis Réard präsentierte ihn auf einer Modenschau im Pariser Schwimmbad Molitor – nur wenige Tage nach den Atombomben-Abwürfen der USA im Bikini-Atoll. Daher der Name. Nackttänzerin Micheline Bernardini führte das „hübsche Nichts“ vor und zeigte ihren Bauchnabel – eine absolute Provokation.

Im Bad Rappenauer Bikini-Museum laufen auf Großleinwänden historische Filme jener Nachkriegszeit: Der Atompilz, Laufstegmädchen, Bikini-Erfinder Réard im Interview. Der Designer und Ingenieur verlor sogar seine Wohnung, weil sein Vermieter den Zweiteiler skandalös fand.

Rätselumwehte Brasilianerin hatte die Museums-Idee

16 Réard-Bikini-Typen sind erhalten. „Wir besitzen zwölf davon“, betont Museumsleiter Weinmann. Das edelste Stück glänzt in einer Vitrine: der „goldene Réard“, eine Einzelanfertigung mit Schneckennudel-BH um 1948. Die Sammlung hat der Museumsgründer Alexander Ruscheinsky zusammengetragen. Der Unternehmer aus Regensburg betreibt eine Reihe von Autohöfen an Autobahnen.

Eine rätselumwehte Brasilianerin namens Alda hat ihn zur Museumsidee inspiriert, so lautet der Gründungsmythos des neuen Bikini-Art-Museums. In Rio habe Ruscheinsky die ältere Dame getroffen, die in der Bademoden-Branche arbeitete. Sie erzählte von ihrem Jet-Set-Leben, vom Kampf um freie Haut – und von ihrem Traum eines Museums. Der „Autohof-König“ hat diesen Traum wahr gemacht – doch die schillernde Alda sei unauffindbar.

Dafür taucht das „Mädchen von Ipanema“ im Museum auf. Im Hintergrund ertönt Caterina Valentes Schlager „Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu Strand Bikini“. Zum Streifzug durch Pop- und Film-Geschichte gehört natürlich Ursula Andress im legendären James-Bond-Bikini von 1962. „Mit Andress’ Auftritt war der Siegeszug des Bikinis nicht mehr aufzuhalten“, sagt Weinmann.

Emanzipierte Schönheiten oder Sex-Objekte der Männer?

Stehen das Bond-Girl und Co nun für die befreite selbstbewusste Frau? Oder sind sie Objekt männlicher sexistischer Begierden? Diese Frage wird in der Schau kontrovers erörtert. Andress und dem provokanten Pin-up-Model Bettie Page gesteht der Betrachter die emanzipierte Rolle vermutlich eher zu als den Bikini-Mädchen, die sich lasziv auf Fotokalendern der 80er räkeln.

„Der Bikini war einmal ein Symbol der „Befreiung“ von der Spießbürger-Moral“, heißt es auf einer Museumstafel. „Doch diese neu-gewonnene Freiheit kippte.“

Frieder Burda in Badehose und Likörellen von Udo Lindenberg

Männer in Badehosen zeigt das neue Museum übrigens auch. Kunstmäzen Frieder Burda ist darunter. Prominenten-Fotograf Roger Fritz hat ihn vor die Linse bekommen – oben ohne in der Isar. Zur Foto-Serie von Fritz gehören auch Aufnahmen von Filmsternchen Elke Sommer und von Panikrocker Udo Lindenberg, der als junger Mann neben einem Partymädchen mit duchsichtigem Bikini zu sehen ist.

Lindenberg hat für das neue Museum auch selbst zu Farbe und Pinsel gegriffen: Er steuerte zwei seiner alkoholhaltigen "Likörellen"-Gemälde bei - Bikini-Mädchen inbegriffen. Auch Komiker Otto hat ein Kunstwerk geliefert: einen dicken Ottifanten im Zweiteiler am Strand.

Infos

Am Sonntag, 5. Juli, öffnet das Bikini Art Museum zum ersten Mal seine Pforten für die Öffentlichkeit. Dass der Sammler und Autohof-Betreiber Alexander Ruscheinsky sein Bikini-Museum am Standort in Bad Rappenau ansiedelte, liegt auch in der Geschichte des Soleheilbads begründet: Dort fertigten Textilarbeiterinnen schon im 19. Jahrhundert Bademode für die Firma Felina, die jedoch nach Mannheim umzog. In den 1960er-Jahren siedelte sich die Bademoden-Firma Benger Ribana in Bad Rappenau an. „Der Unternehmer Wilhelm Benger war sehr wichtig für die Textilindustrie im heutigen Baden-Württemberg“, erklärt Museumsdirektor Reinhold Weinmann. „In Degerloch gründete er 1852 die erste deutsche Rundwirkstuhl-Maschinenfabrik.“ 1983 kam der Konkurs in Bad Rappenau.

Neben Lehrreichem über die Textilindustrie beleuchtet das Museum die Kulturgeschichte der Bademoden anhand vieler Original-Exponate aus Mode, Film, Musik und Kunst.

Öffnungszeiten: Montag bis Sonntag, 10 bis 20 Uhr. Adresse: Buchäckerring 42 in Bad Rappenau, neben der A6-Ausfahrt. Infos: www.bikiniartmuseum.com.

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