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Ukrainische Lehrerin antwortet

An der Pestalozzischule Bretten berichtet eine Mutter von ihrer Flucht

„Gab es Bomben?“ oder „Kommt Putin auch hierher?“ – eine ukrainische Lehrerin antwortet an der Pestalozzischule auf Fragen von Schülern.

Zwei Frauen sehen sich in einem großen Klassenraum rund 30 Schülerinnen und Schülern gegenüber. In ihrer Mitte steht auf einem Whiteboard „Krieg in der Ukraine“.
Die Fünft- bis Neuntklässler der Pestalozzischule Bretten stellen Nadiia Tsatsenko (links) sehr Fragen zum Krieg. Schulleiterin Monika Czolk (rechts) stellt die junge Frau vor. Foto: Tom Rebel

Rund 30 Schüler lauschen einer ukrainischen Lehrerin in der Vollversammlung an der Pestalozzischule Bretten. Sie berichtet von der Flucht mit ihrer dreijährigen Tochter aus dem Raum Kiew. Die Eltern, ihr Bruder und ihre Freunde blieben. Als Nadiia Tsatsenko ihren Mann erwähnt, den sie auch zurücklassen musste, ersticken Tränen ihre Stimme. Sie entschuldigt sich. Ein Mädchen sagt: „Nicht schlimm.“ Es wird still im Saal. Dann fängt sich Tsatsenko wieder.

„Mein Vertrauen in die Menschen wächst, weil ich hier so gute Erfahrungen mache“, sagt die 30-Jährige, so wie überall auf der Flucht. Sie floh über die Slowakei und Tschechien nach Frankfurt. Von dort ging es nach Karlsruhe, wo sie Monika Czolk kennenlernte. Czolk ist Schulleiterin der Pestalozzischule. Sie und ihr Mann Rüdiger Czolk nahmen Tsatsenko und ihre Tochter Rosana auf. „Das war gar keine Frage. Wir haben großes Glück mit den beiden“, sagt die Schulleiterin.

Der Vorschlag, sich mit dem Krieg in der Ukraine zu befassen, sei aber von den Schülern selbst gekommen, so Czolk. Die Kinder und Jugendlichen aus den Klassen fünf bis neun hatten im Vorfeld eine Frageliste erarbeitet. Dennoch fallen ihnen mit Leichtigkeit weitere ein: „Wie geht es deiner Familie in der Ukraine?“, „Wie fühlt sich ein Mensch, der alles verloren hat?“ oder „Glauben Sie, dass Putin auch hierherkommt?“

Nur zuhause ist zuhause.
Nadiia Tsatsenko, Deutschlehrerin aus der Ukraine.

Die Schulleiterin erinnert daran, dass politische Fragen schwer zu beantworten seien. Tsatsenko versucht es dennoch: „Ich dachte auch nicht, dass es einen Krieg geben könnte. Aber Putin ist ein Aggressor.“ Und auch, wenn sich „das Leben ihrer Familie jetzt sehr von dem vorher unterscheide – es gehe ihr gut.

Tsatsenko war Deutschlehrerin in der Ukraine. Ihr Deutsch ist gut. „Meine Mutter arbeitet jeden Tag als Krankenschwester in einer Klinik in Kiew.“ Das sei gefährlich, doch auch Freunde oder ihr Bruder arbeiteten, „obwohl er jetzt weniger verdient“. Das Geld sei jetzt zweitrangig. Ihr Mann war in der Tourismusbranche tätig. Darum könne er momentan nur ehrenamtlich helfen. Die Menschen in der Ukraine „wollen vor allem die Tage mit Nutzen verbringen“, sagt Tsatsenko.

Zwischen mehreren Schülern hindurch ist eine junge Frau zu sehen, eine Lehrerin aus der Ukraine, Nadiia Tsatsenko.
Dass die Lehrerin Nadiia Tsatsenko in der Ukraine war, ist beim Umgang mit den Brettener Schülerinnen und Schülern zu spüren. Foto: Tom Rebel

„Wie ein Mensch sich fühlt, der alles verloren hat, weiß ich nicht“, antwortet sie. „Ich habe meine Familie ja noch und es geht vielen weit schlechter.“ Ja, sie will nach dem Krieg zurück. „Auch wenn wir viel werden aufbauen müssen, aber Menschen haben die Macht, sie sind die Hauptsache. Gebäude spielen keine so große Rolle“.

Im Krieg sind Bomben und Raketen nicht nur Worte

„Ja, es ist Krieg“, antwortet sie einem Schüler, der nach Bomben fragt. „Im Krieg sind das nicht nur Worte. Es gab Raketen und Bombardierungen.“ Und ja, sie vermisse die Ukraine. „Jedes Land ist einzigartig, aber nur zu Hause ist zu Hause“, wie jeder wisse, der Heimweh kenne. Manchmal weine sie ein bisschen, obwohl sie bei dieser wunderbaren Familie sei. Sie sieht Monika Czolk an.

Tsatsenkos Entscheidung für die Flucht fiel am Tag nach Kriegsbeginn: „Kinder sollten nichts mit dem Krieg zu tun haben“, so die junge Mutter. Und zum Entschluss trug das Wissen bei, dass die Hauptstadt zentrales Ziel werden könne. „Aber Menschen können ihre Zukunft bestimmen“, sagt sie, „auch wenn die Welt kein so sicherer Ort ist, wie ich dachte“.

Am Ende entlässt Tsatsenko die Schüler in gelösterer Atmosphäre. Sie erzählt, wie begeistert ihre Tochter von Spielplätzen sei: „Rosana sagt dazu Spielpalatz.“ Alle lachen mit ihr. Auch bringe Rosana ihrem Papa jeden Tag etwas Deutsch bei, wie „Löwenzahn und Gänseblümchen“. Ein Junge fragt, ob Tsatsenko nicht Lehrerin an der Pestalozzischule werden will. Sie sagt: „In Deutschland ist alles so ordentlich, dass ich viel Mühe habe mit den Papieren. Das wird nicht so schnell gehen.“

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