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Goethes Tierepos

Besuch bei der Badischen Landesbühne in Bretten: Was nun, Reineke Fuchs?

Reineke Fuchs ist ein brillanter Betrüger und einer der charismatischsten Schelme der Weltliteratur. Arne Retzlaff bringt Goethes bitterböses Tierepos auf die Freilichtbühne. Wir haben hinter die Kulissen geschaut.

Tod oder Gnade, Fuchs Reineke? Der Rat trifft unter König Nobel die Entscheidung.
Tod oder Gnade, Fuchs Reineke? Der Rat trifft unter König Nobel die Entscheidung. Foto: Achim Hartlieb

Gespannt wartet das Publikum vor den noch verschlossenen Türen der Stadtparkhalle Bretten. Diese werden sich in wenigen Minuten öffnen, um die Bühne freizugeben für das Theaterstück von Johann Wolfgang Goethe „Reineke Fuchs“, welches die Badische Landesbühne zur Aufführung bringt.

„Ich bin gespannt, was ich heute über die Menschen zu Zeiten Goethes lerne und was davon heute noch zu sehen ist“, sagt eine Zuschauerin kurz vor Einlass in den Saal.

Stück hat erkennbare Parallelen zur heutigen Gesellschaft

Nach dem tänzerischen Beginn, welcher mit fetzigen Rhythmen das Publikum sofort in seinen Bann zieht und, nachdem Fuchs Reineke dem Bären einen selbigen aufgebunden hat, wird klar, worum sich dieses Stück im Kern dreht: Unterhaltsam und auch schockierend konfrontiert uns Goethes Tierfabel mit Themen wie Manipulation, Konkurrenzkampf und Abhängigkeitsverhältnisse. Und, die Herrschaftsstrategien und Machtstrukturen, die darin bloß gelegt werden, haben durchaus Parallelen zur Gegenwart.

Im Grunde hat sich eigentlich nichts verändert.
Besucher
in der Theaterpause

Dabei wäre eigentlich eine Freilichtaufführung geplant gewesen. Witterungsbedingt musste die Veranstaltung jedoch in die Stadtparkhalle verlegt werden. Jedoch sei es nicht schwierig gewesen, kurzfristig umzuplanen, sagt Regieassistentin Marlene Lintner. Man habe Erfahrungen mit dem Stück, das Equipment sei überschaubar und lasse kurzfristige Ortswechsel zu.

So wird das Publikum Zeuge, wie Fuchs Reineke, dargestellt von Martin Behlert, alle Tiere, die den Staat bei Hofe des Löwen Nobel, dem König der Tiere, bilden, wort- und situationsgewandt auf den doppelten Boden von Schein und Lüge führt.

Und der König, verkörpert von Markus Hennes, muss feststellen, dass er ebenfalls List und Verrat in seinen eigenen Reihen hat. „Im Grunde hat sich eigentlich nichts verändert“, meint ein Besucher in der Theaterpause.

„Reineke Fuchs“ in Bretten: Hat die List eine ethische Grundlage?

In einer zunehmend komplexen Welt von heute ist das gnadenlose Gesetz von fressen und gefressen werden vielleicht nicht auf den ersten Blick erkennbar. Jedoch herrscht Stille im Saal, als Reineke Fuchs, mittlerweile bei Gericht vor König Nobel stehend und um Gnade bittend, zu seiner Verteidigungsrede ausholt.

Das Publikum muss feststellen, dass König Nobel das zunächst angedachte Todesurteil in einen Gnadenakt umwandelt, und Fuchs Reineke zum „Kanzler des Königs“ ernennt. Ein Akt der „Staatsraison“ im Tierreich Goethes? Vielleicht. Hat er, König Nobel, doch selbst von den Taten Reinekes profitiert.

Damals im antiken Griechenland stand Sokrates in Athen vor Gericht. Er, der Philosoph, welcher der Wahrheit verpflichtet war, wurde der Gotteslästerung angeklagt und zum Tode verurteilt – ohne Gnade zu erfahren.

Goethe lässt damit offen, ob List und Schalkheit eine ethische Grundlage haben und geeignet sind, das Gute im Menschen zu befördern. Möge das Publikum selbst in dieser heiklen Frage die richtige Antwort finden.

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