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Pilotprojekt

Deutschlands größte Anlage in Bad Schönborn: Hier kommt der Strom künftig aus dem Baggersee

Es ist Deutschlands derzeit größte schwimmende Photovoltaik-Anlage. Dementsprechend euphorisch waren die Beteiligten. Sie ließen das erste Sonnenfloß zu Wasser.

Spatenstich schwimmende Photovoltaikanlage Philippsee Bad Schönborn
Mit vereinten Kräften wird das erste von über 700 Solar-Flößen auf den Baggersee in Bad Schönborn geschoben. Mit dabei: Bad Schönborns Bürgermeister Klaus Detlev Huge, Steffen Kammerer, Geschäftsführer von O&L Nexentury, Staatssekretärin Gisela Splett, Landrat Christoph Schnaudigel, Regierungspräsidentin Sylvia Felder und Kieswerks-Chef Gerhard Philipp (von links). Foto: Martin Heintzen

4.700 Haushalte kann man künftig mit dem Strom dieser schwimmenden Photovoltaik-Anlage versorgen, rechnerisch. Oder ein Kieswerk und 4.000 Haushalte.

Wir sind in Bad Schönborn, am Philippsee. An diesem großen Baggersee, mit Blick auf das laufende Kieswerk der Familie Philipp, fällt an diesem Frühlingstag der Startschuss für den Bau von Deutschlands derzeit größter schwimmender Photovoltaik-Anlage. Ab Mitte Juli soll der Strom fließen. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Millionen-Projekt.

Über 700 schwimmende Flöße sammeln in Bad Schönborn Sonnenstrom ein

Wie genau sieht die schwimmende Photovoltaik-Anlage aus?
Die Anlage besteht aus 717 Flößen, die mit knapp 26.000 Solarmodulen bestückt sind. Die Flöße sind gebaut aus schwimmenden Plastik-Tanks, auf denen dachförmig die Module installiert sind. Befestigt werden die Flöße an 71 Bojen. Diese sind mit schweren Stahl-Fundamenten im Boden des Sees, in 40 Metern Tiefe, verankert. 7,9 Hektar des Philippsees, knapp 15 Prozent, werden mit der Anlage überdacht sein. 150 Kilometer Kabel werden verlegt, 655 Tonnen Stahl verbaut. Die Anlage hat eine Leistung von knapp 15 Megawatt Peak. Damit ließen sich rechnerisch 4.700 Haushalte mit Strom versorgen. In der Praxis soll das energieintensive Kieswerk 70 Prozent seines Strombedarfs aus der Anlage decken. Der Rest wird ins Netz eingespeist und kann dann noch etwa 4.000 Haushalte versorgen. Die Einsparung von CO2 beträgt laut Projektbetreibern 11.000 Tonnen pro Jahr.
Wer hat das Projekt initiiert?
Hauptsächlich der Kieswerkbetreiber Gerhard Philipp und das Unternehmen O&L Nexentury aus dem bayerischen Starnberg. Investiert werden sollen bis zu 17 Millionen Euro. Die Betreiber sehen sich als Pioniere. Es ist die erste Anlage dieser Größenordnung in der Region. Geht es nach Philipp, ist es aber nicht die letzte. Auch der See in Huttenheim könnte für eine solche Anlage geeignet sein. „Das ist die größte Investition in unserer Firmengeschichte“, erklärt der Betreiber dreier Kieswerke in Bad Schönborn, Huttenheim und Büchenau. „Wenn nicht jeder mithilft, dann wird das nichts mit der Energiewende“, findet der Mittelständler.
Gab es Widerstand gegen das Projekt?
So gut wie keine. Das Ganze ist erstaunlich geräuschlos über die Bühne gegangen. Auch die Behörden, so war bei einer Feier zu vernehmen, sowie die Wassersport-Vereine und der Gemeinderat waren alle „Feuer und Flamme.“ Konflikte etwa mit den Wassersportlern werden kaum befürchtet. Die Anlage ist 400 Meter weit vom Badestrand entfernt und wird gegen Vandalismus mittels Wellenbrechern abgeschirmt. Gerne, das betonte auch Landrat Christoph Schnaudigel (CDU), hätte man noch viel mehr Fläche genehmigt.
Wenn das so konfliktfrei lief, warum lässt man nicht noch viel mehr Solarflöße schwimmen?
Schwimmende Photovoltaik-Anlagen sind in Deutschland noch in einer Art Testphase. Alle Anwesenden kritisierten unisono aber die Begrenzung der Bundesregierung auf 15 Prozent der Seefläche. „Wir haben uns der Bundesregierung als Pilotregion angeboten“, berichtet der Landrat. Doch man habe keine Antwort bekommen. Selbst das grün-geführte Landesumweltministerium habe bei den grünen Kollegen im Bund bereits darum gebeten, die 15-Prozent-Regel fallen zu lassen. Die Landesanstalt für Umwelt hat ermittelt, dass eine Bedeckung von bis zu 25 Prozent unkritisch seien. Darauf weist auch die Umweltministerin des Landes, Thekla Walker (Grüne), hin. Doch ihre grüne Kollegin im Bundesumweltministerium konnte sie davon wohl bisher nicht überzeugen.

Schwimmende Photovoltaik-Anlagen sind nicht die Lösung aller Energie-Probleme

Spatenstich schwimmende Photovoltaikanlage Philippsee Bad Schönborn
Sonnenstrom vom Baggersee: In Bad Schönborn, im Norden des Landkreises Karlsruhe, soll ab Juli Deutschlands derzeit größte schwimmende Photovoltaik-Anlage Strom liefern. Rechnerisch können damit 4.700 Haushalte mit Strom beliefert werden. Am Donnerstag wurde das erste von 717 Flößen, bestückt mit Solarmodulen, zu Wasser gelassen. Foto: Martin Heintzen
Sind schwimmende Photovoltaik-Anlagen also die Lösung schlechthin für die Energiewende? Immerhin scheint – anders als bei Windkraft oder Geothermie – niemand etwas dagegen zu haben?
Nein, ganz so einfach ist es nicht. Regierungspräsidentin Sylvia Felder (CDU) und Landrat Christoph Schnaudigel bestätigen zwar, dass die Region am Oberrhein mit ihren Dutzenden künstlichen Baggerseen ideal wäre. Schwimmende Photovoltaik reicht aber nicht aus. „Wir brauchen den ganzen Mix“, wirbt Felder. Es gehe nur mit allen möglichen Energieformen: Photovoltaik, Geothermie, Wind oder auch die Gewinnung von Wärme aus Gewässern. Auch darüber habe sich der Kieswerksbetreiber Philipp bereits Gedanken gemacht.
War die Umsetzung dieser Anlage also ganz einfach?
Nein. Bad Schönborns Bürgermeister Huge (SPD) berichtet von einem regelrechten Dschungel der Bürokratie. Auch er bekräftigt: „Wir würden gerne Modell-Region werden.“ Er sei stolz auf die hiesigen Pioniere. Lob für die Behörden gab es wiederum von der Firma O&L Nexentury und ihrem Geschäftsführer Steffen Kammerer. Die Zusammenarbeit war „mustergültig.“ Immerhin umfasst die Antragsdokumentation 823 Seiten. Offenbar waren sich aber alle Behörden von der Gemeindeverwaltung bis zum Regierungspräsidium einig, dass man dieses Pilotprojekt möglichst schnell vorantreiben will.
Was sind die Vorteile der Anlage?
Der Strom wird umweltfreundlich produziert, auf einer Fläche, die quasi „brach“ liegt. So entsteht kein Konflikt mit anderen Nutzern, etwa Landwirten. Die Module können effizienter Strom ernten, weil sie vom Wasser gekühlt werden. Gutachter gingen bisher davon aus, dass die Anlage keine oder kaum negative Auswirkungen auf die Umwelt, auf das Wasser sowie die Tier- und Pflanzenwelt hat.
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