
Eine solch unbeschwerte, mit Eindrücken und Erlebnissen vollgepackte Sommerzeit habe sie später nie mehr erlebt, erzählt Ruth Müller-Brennfleck.
Schüleraustausch in den USA schafft Freundschaft
Und das kam so: 1985 nimmt die damals 16 Jahre alte Schülerin des Copernicus-Gymnasiums Philippsburg an einem Austausch im US-Bundesstaat Maine teil. Sie versteht sich ausgezeichnet mit ihren Gasteltern Patricia und Ernest, kurz Pat und Ern, und sie halten auch nach ihrer Rückkehr weiter Kontakt.
Es folgt eine Einladung für einen mehrwöchigen Besuch in den USA nach dem Abi, die Ruth sehr gerne annimmt. „Die Gegend dort in Neuengland ist unmöglich schön, ähnlich wie Skandinavien, mit viel Wald und Seen“, erinnert sie sich.
Von Segeltour bis hin zum amerikanischen Barbecue
Im Mai 1989 ist es so weit. Die dann 19-Jährige jobbt eine Weile, um sich ihren geplanten fünfwöchigen Aufenthalt zu finanzieren, bevor sie am 11. Juni in den Flieger nach Boston steigt.
„Das war mein zweiter Flug überhaupt und der erste ganz alleine“, berichtet sie. Die Gasteltern unternehmen viele Ausflüge mit ihr, nehmen sie mit auf eine mehrtägige Tour auf dem eigenen Segelboot, von der Ruth trotz Seekrankheit noch heute schwärmt.
Ich konnte einfach das Leben ohne jede Verpflichtung genießenRuth Müller-Brennfleck
Bibliothekarin aus Zeutern
Sie erlebt einen „typischen“ 4. Juli-Unabhängigkeitsfeiertag mit Barbecue und vielen Freunden, verbringt ihre Zeit am Pool mit lesen und morgens mit einigen Runden im Wasser.
Sie schaut Talkshows im Fernsehen, wie sie viel später erst ähnlich auch in Deutschland zu sehen sind, lernt „Coffe to go“ kennen und findet in Hazelnut Flavour, also Haselnuss, ihre Lieblingsgeschmacksrichtung. „Das war für ein Dorfkind wie mich, ich komme ja aus Kirrlach, schon eine Welt zum Staunen“.

Ein Tag in New York mit Bootsfahrt
An einen Tag erinnert sich die heute 53-Jährige noch in allen Details. Mit Denise, der Freundin des Sohnes ihrer Gasteltern, besucht sie deren Freundin in New York.
Sie verbringen einen „Tag voller Erlebnisse“: Die „Circle Line Tour“ mit dem Boot bringt sie zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt, sie erkunden Manhatten, besuchen das „Museum of Art“, den Central Park, das World Trade Center, sehen beeindruckt die Schlange vor dem „Hard Rock Cafe“ und schauen sich am Broadway das Musical „Nunsense“ an.
„Wir drei Mädels unter 21, das war damals nicht ohne, denn die Stadt war ja nicht ungefährlich“, erinnert sich Ruth.
Erinnerungen an Paris und eine Dachkammer
Nach vier Wochen ruft sie die Eltern an – es ist das zweite von zwei Telefonaten mit Zuhause – um ihnen zu sagen, dass sie zwei Wochen länger bleibt. Nach sieben Wochen kehrt sie zurück, um dann gleich im August noch einmal mit einer Mitabiturientin ihre Freundin Bettina in Paris zu besuchen, die dort als Au-pair arbeitet.
„Wir haben zu dritt in Bettinas winziger Dachkammer mit Blick über die Dächer von Paris geschlafen, mit Dusche im 10 Quadratmeter Zimmer und Toilette auf halber Treppe, und tagsüber die Stadt erkundet“.
Sie habe das Leben genossen, ohne jede Verpflichtung, aber mit dem guten Gefühl, genau zu wissen, wie es anschließend weitergeht, denn ihr dualer Studienplatz zur Bibliothekarin zum Oktober war fest.
Mit ihren Gasteltern von damals hatte sie noch lange Kontakt, mit gegenseitigen Besuchen, unter anderem zu ihrer Hochzeit und auch später, als sie mit ihrer Familie bereits in Zeutern lebte.