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Mehlsuppe und Futterrüben

Wie die Wiesentaler Weihnachten im Krieg erlebten

Die Bevölkerung hungerte und musste auch zwei Bombenangriffe mit vielen Toten erdulden. Doch dass es schlimm werden würde, dachten die meisten nicht.

Eine brennende Kirche im Zweiten Weltkrieg
Kurz nach Weihnachten 1944 brannte nach einem Bombenangriff die Wiesentaler Pfarrkirche aus. Foto: Repro Werner Schmidhuber

Dass der ersten Kriegsweihnacht noch fünf weitere folgen würden, daran glaubte zu Kriegsbeginn im Jahr 1939 kein Mensch. „Die meisten Mitbürger gingen davon aus, dass in Europa alsbald Ruhe einkehren würde, zumal Polen in nur wenigen Wochen von Hitlers Truppen überrannt worden war“, so lautete die Meinung vieler in den 1980er Jahren befragter Wiesentaler.

Diese optimistische Auffassung bestätigt auch eine Postkarte im Heimatmuseum, die ein Landser an seine Familie in Wiesental schrieb. Auf der Rückseite der zu Weihnachten 1939 eingetroffenen Kurznachricht heißt es wörtlich: „Mein lieber Sohn. Leider bin ich bis zum Weihnachtsfest nicht bei euch. Doch der Krieg ist bald vorbei. Dann komme ich wieder. Dein Vater.“

Die Bruhraingemeinde Wiesental zählte damals etwas mehr als 5.000 Einwohner in knapp 1.370 Haushalten. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges mussten 1.205 Männer einrücken. 249 von ihnen kehrten nicht mehr zurück. Befragte Zeitzeugen wussten noch, dass sich die Radiomeldung vom Kriegsbeginn wie ein Lauffeuer verbreitete. „Wir hewwer Krieg.“ Mit diesen Worten informierten die Nachbarn die noch Unwissenden in der Gemeinde über den beginnenden Polenfeldzug 1939.

Aus fast jedem Wiesentaler Haus zog ein Mann in den Krieg

Trotz des heraufziehenden Unheils war die Stimmung außerordentlich gut, erinnerte sich eine 1923 geborene Frau. Fast jeder rechnete mit einer schnellen Beendigung des Kriegs in Europa, der ohne allzu große Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage sein sollte, glaubte man. Obwohl es bereits Lebensmittelkarten gab, konnte in der Gemeinde auf ausreichende Nahrungsmittel im Garten, auf dem Feld oder im Stall zurückgegriffen werden – noch.

Wer nicht anderweitig an einen geeigneten Tannenbaum kam, besorgte sich ein Mini-Christbäumchen, das zu Hause auf den Tisch gestellt wurde. Anfangs verzierten noch Kugeln die Äste, später half man sich mit bemalten Tannenzapfen und anderen Materialien. Während sich die Erwachsenen durchweg nützliche Utensilien schenkten, etwa ein paar warme Socken, bekamen die Kinder etwas zum Spielen. Die einzige Puppe, die ein Jahr lang verschwunden war, tauchte wieder auf, vom Christkind auf den armseligen Gabentisch gelegt.

Doch von der einen zu der anderen Kriegsweihnacht nahm die Not zu, die Lebensmittel gingen aus und bald herrschte überall Hunger. Bekannt sind Familien, bei den es eine kalte Mehlsuppe oder Futterrüben als Festessen gab.

„Christbäume“ hatten vor 80 Jahren eine andere Bedeutung: Als solche wurden Leuchtmarkierungen bezeichnet, mit denen Pfadfindermaschinen die Bomberstaffeln zu ihren Zielen führten. Auch in Wiesental. Ganz schlimm kam es 1942 und 1945, als bei Bombenangriffen viele Wohngebäude zerstört wurden. Auch die Pfarrkirche traf es genau vier Wochen nach dem Weihnachtsfest 1944. 37 Tote waren zu beklagen.

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