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Melanie I. und Julian I.

Ein Tag mit dem Baden-Badener Prinzenpaar: Sekt, Küsschen und Helau

Rathaus-Stürmung, Grundschulbefreiung und ein Sekt-Empfang nach dem anderen: Fasnachts-Prinzenpaar zu sein, erfordert Kondition. Wir haben das Baden-Badener Stadprinzenpaar Melanie I. und Julian I. einen Tag lang von Termin zu Termin begleitet.

Prinzenpaar in Aktion: Nach der morgendlichen Rathaus-Stürmung ist für Melanie I. und Julian I. noch lange nicht Schluss. Immer gut gelaunt geht es den ganzen Tag von einer Veranstaltung zur nächsten.
Prinzenpaar in Aktion: Nach der morgendlichen Rathaus-Stürmung ist für Melanie I. und Julian I. noch lange nicht Schluss. Immer gut gelaunt geht es den ganzen Tag von einer Veranstaltung zur nächsten. Foto: Alina Meier

„Wie viele Strähnen sinds noch?“, fragt Melanie Schmidtke ungeduldig. Seit 5.30 Uhr ist sie schon auf den Beinen: Duschen, Schminken, Haare frisieren. Alles muss perfekt sitzen, denn heute ist ein wichtiger Tag.

Zusammen mit ihrem Prinzen Julian I. repräsentiert sie als Stadtprinzessin Melanie I. die Baden-Badener Fasnacht. Redaktionsmitglied Alina Meier hat die beiden einen Tag lang begleitet.

Die Nervosität bleibt

Seit ihrer Proklamation im Januar hat sie schon jede Menge Termine absolviert, trotzdem wirkt Melanie immer noch ein bisschen nervös.

„Wir sind bis jetzt immer rechtzeitig fertig gewesen. Iss dein Brot, solange du noch Zeit hast“, ermahnt Mutter Eveline und dreht weiter Melanies Haare mit dem Lockenstab ein. Sie ist immer dabei und hilft bei den Vorbereitungen.

„Mama kommt vor jedem Termin, macht mich fertig, zieht mich an und versorgt mich mit Essen“, sagt die Prinzessin.

Mit Thermo-Leggings gegen die Kälte

An diesem Morgen muss es etwas schneller gehen, deswegen fällt Melanies Wahl auf das blaue Kleid: „Das ist ein bisschen einfacher anzuziehen, weil es keine Schnürung hat“, erklärt Eveline, während sie das glitzernde Prinzessinnen-Kleid vorsichtig über Melanies Kopf manövriert.

Mit mehr als 1.000 kleinen Strass-Steinchen haben die beiden das Kleid nachträglich noch verziert. Praktischer geht es unter dem Rock zu: Über ihre Strumpfhose zieht Melanie noch eine Thermo-Leggings, denn einige Termine werden an diesem Tag im Freien stattfinden.

An beiden Beinen etwas nach oben ziehen, und keiner bemerkt die schwarze Hose unter dem Reifrock. Über das Kleid kommen Felljacke und Fellponcho.

Fehlt nur noch die Schärpe mit den vielen bunten Orden. Am Anfang musste die noch am Kleid festgemacht werden, damit sie nicht ständig verrutscht. Jetzt ist sie schon so schwer, dass da nichts mehr passiert. „So langsam haben wir Routine“, sagt Eveline.

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Sonderurlaub für die närrische Hochsaison

„Normalerweise wäre ich jetzt auf dem Weg zur Arbeit“, sagt Melanie kurz nach sieben Uhr. Denn im echten Leben ist die 26-Jährige Lehrerin an einer Realschule. Wie das mit Job und Prinzessinnen-Amt funktioniert?

„Muss halt“, sagt sie lachend.

Nur für diesen einen Tag hat sie Sonderurlaub bekommen, alles andere hat sie so hinbekommen. Und in der nächsten Woche, wenn es richtig rund geht, sind zum Glück Schulferien.

Direkt bei Antritt ihrer neuen Arbeitsstelle im vergangenen Spätjahr, musste sie ihren Chef um diesen Urlaub bitten. Der reagierte ganz entspannt und sagte: "Machen Sie es, mit 50 fragt Sie keiner mehr.“

Prinz und Prinzenfahrer holen die Prinzessin ab

Es ist mittlerweile hell geworden, als es kurz vor acht Uhr an der Tür klingelt. Gut gelaunt betreten Prinz Julian Hartmann und der Prinzenfahrer Mario Dunger die Wohnung der Prinzessin. Ein Paar sind die beiden nicht, auch wenn viele das zuerst annehmen.

Der Prinz trägt schon seinen Frack und alle angehefteten Orden. Die Umhänge-Orden nimmt er nicht mehr alle mit, das wäre einfach zu schwer bei mittlerweile 30 Stück die sich in der Kampagne bisher angesammelt haben.

Ihr eigener Orden hat die Form eines Baden-Badener Kandelabers, er sollte schlicht und edel sein und etwas das es noch nie gab. Von den bestellten 800 Stück sind allerdings nur noch 50 übrig – jetzt heißt es sparsam sein, nur noch ausgewählte Personen bekommen einen.

Prinz Julian hat es als dualer Student der Mechatronik in den närrischen Tagen etwas einfacher als seine Prinzessin und hat sich freigenommen.

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Prinz Julian I. ist schon seit seiner Kindheit in der Fasnacht aktiv

Im Gegensatz zu seiner Prinzessin ist der 24-Jährige ein Fasnachter durch und durch. Schon als Kind hat er Büttenreden gehalten, ist Schriftführer des Ooser Carneval-Vereins und der Sohn des Präsidenten Matthias Hartmann.

„Entweder man ist ganz und gar ein Fasnachter oder nicht.“
Nicolas Grimm, Prinzenführer

Das hat er mit seinem Prinzenführer und langjährigen Freund Nicolas Grimm gemeinsam. Auch er ist seit Kindesbeinen in der Fasnacht aktiv und will irgendwann die Präsidentenposition seines Vaters beim Deutsch-Französischen Carneval-Verein Baden-Baden übernehmen. Er weiß, dass man in solch einer Position Durchhaltevermögen braucht: „Entweder man ist ganz und gar ein Fasnachter oder nicht.“

Melanie hingegen war vor ihrer Regentschaft noch nie in einem Fasnachtsverein aktiv und wusste nicht wirklich, was da auf sie zukommt.

Der Prinzenfahrer kümmert sich um das Wohl der Prinzessin

Während sie noch einen letzten Biss vom Frühstücksbrot nimmt, gibt es einen kurzen Austausch zwischen Mutter und Prinzenfahrer, denn er ist für das Wohl der Prinzessin zuständig und lässt sie nicht aus den Augen.

„Ich hab ihr einen Halswohl-Tee in der Thermoskanne eingepackt, sie hat heute Morgen gesagt, es kratzt im Hals“, gibt Eveline ihm mit auf den Weg. Denn eine Erkältung können weder Prinz noch Prinzessin jetzt gebrauchen, immerhin stehen nun die wichtigsten und anstrengendsten Tage der Fasnachts-Kampagne an.

Um acht Uhr steigen die beiden in die schwarze Limousine, mit der Prinzenfahrer Mario das Prinzenpaar von Termin zu Termin fährt. Es geht los zur Grundschulbefreiung im Baden-Badener Stadtteil Cité, Mario parkt das Prinzenauto direkt vor dem Eingang.

Julian legt jetzt das große Ornat an, nach einem Knopfdruck auf die Lautsprecher-Box werden die Schüler unter „Heut ist so ein schöner Tag“ aus ihren Klassenräumen befreit und tanzen mit dem Prinzenpaar die Polonaise.

Zwischen Heften, Ordnern und Buntstiften: Im Lehrerzimmer der Grundschule gibt es den ersten Sekt des Tages.
Zwischen Heften, Ordnern und Buntstiften: Im Lehrerzimmer der Grundschule gibt es den ersten Sekt des Tages. Foto: Alina Meier

Zwischen Ordnern, Heften und Buntstiften gibt es danach einen Umtrunk im Lehrerzimmer und den ersten Sekt-Orange für die Prinzessin. „Ich bin nicht trinkfest“, sagt die, deswegen ist nach drei oder vier Gläschen, die sie über den Tag hinweg trinkt, meist Schluss. „Das übernehmen dann der Prinz und ich“, sagt Prinzenführer Nicolas grinsend.

Kaffeepause vor dem Rathausssturm

Ein Blick auf die Uhr zeigt, dass noch ein bisschen Zeit ist, bis zum nächsten Termin, deshalb legt das Prinzenpaar noch kurz eine Kaffeepause ein - wer weiß, ob sie heute nochmal dazu kommen.

Weiter geht’s ins Rathaus zum nächsten offiziellen Termin. Bevor die beiden an der Spitze der Baden-Badener Narren den Rathausschlüssel erobern, steht auch hier ein Sektempfang an.

Fasnacht bedeutet für die beiden in diesen Momenten vor allem Hände schütteln, freundlich lächeln und Smalltalk machen. Und wenn man jemanden mal nicht kennt, gibt es ja immer noch Prinzenführer und -Fahrer.

Die beiden sind schon alte Fasnachts-Hasen, da kennt jeder jeden. Mario ist schon im zwölften Jahr der Prinzenfahrer, dementsprechend ist er auch die Ruhe selbst. „Am Anfang war das total aufregend“, erzählt er, während er die Limousine langsam durch die engen Sträßchen in der Innenstadt lenkt. „Aber die Routine bringt Gelassenheit und Leichtigkeit.“

Letzte Saison des Prinzenfahrers

Dank ihm muss sich das Prinzenpaar um nichts kümmern, die beiden sollen einfach nur Spaß haben. Er findet es spannend, jedes Jahr ein neues Prinzenpaar zu betreuen, immer wieder neue Charaktere kennen zu lernen, von Null auf Hundert. „Man kennt sich null und dann verbringt man mehrere Wochen lang fast jede Minute zusammen“, sagt er.

Trotzdem wird diese Kampagne seine letzte als Prinzenfahrer sein. Nach zwölf Jahren, in denen er in dieser Zeit kaum zu Hause war, möchte er Fasnacht mal wieder mit seiner Familie verbringen.

Über das Parken macht er sich nach dieser Zeit schon lange keine Gedanken mehr, sagt er und stellt die Limousine mitten auf dem Leopoldsplatz ab. Probleme gab es deswegen noch nie, prangt auf dem Auto doch groß das Logo des Stadtprinzenpaars.

Fasnachts-Botschaft und Helau

Für die beiden geht es weiter, rein in die Sparkassen-Filiale, wieder einige Hände schütteln, Orden und Küsschen verteilen. Noch einmal ein letzter Blick auf die Schriftrolle mit der Rede, kurz durchatmen und raus auf den Balkon, unter dem schon das nächste Publikum wartet. Routiniert verkünden die beiden ihre Fasnachts-Botschaft, winken und rufen fröhlich „Helau“.

Darauf folgt, wie solls auch sonst sein, ein Sekt-Empfang. Es ist kurz nach 13 Uhr und für die Prinzessin gibt es zum ersten Mal etwas zu essen. Der Prinz muss noch warten, er muss glutenfrei essen und da ist die Auswahl an Fasnacht oft nicht so groß. Doch selbst dafür ist Mario gerüstet, in seinem Notfall-Koffer befindet sich sogar glutenfreies Brot.

Von Erschöpfung ist auch beim Rückzug in ein nahegelegenes Lokal um 14.30 Uhr beim ganzen Tross noch nichts zu spüren, nur das kleine Ornat, das der Prinz gegen das große getauscht hat, zeigt die Pause an.

Beim Verschnaufen gibt es trotzdem keine Auszeit von der fasnächtlichen Stimmung denn aus den Boxen wummern - wenn auch leiser - weiter die eingängigen Mitsing-Hits. Selbst hier sind sie nicht vom Begrüßen von bekannten (oder auch weniger bekannten) Gesichtern befreit.

Resümee einer Fasnachts-Prinzessin

Melanie zieht derweil ein erstes Resümee ihrer Zeit als Stadt-Prinzessin: „Das ist ein ganz anderes Fasnacht-Feiern, als das viele heute kennen, es ist Fasching mit Niveau. Ich hatte am Anfang Bedenken, dass es mit meinem Job vielleicht nicht so klappt, aber das ist nicht so. Ich war positiv überrascht. Das ist auf jeden Fall etwas, an das ich mich noch in 50 Jahren erinnern werde.“

Gleich darauf heißt es wieder einsteigen, großes Ornat anlegen und weiter zu den restlichen Terminen des Tages, auf eine Straßenfasnacht und zum Speckeier-Essen. Und bei einem Geburtstag schauen sie auch noch vorbei.

Etwa 15 Stunden waren die beiden dann unterwegs, bevor es für Prinzessin Melanie nach Hause ins Bett geht. Den Schlaf braucht sie, morgen ist pädagogischer Tag in der Schule, da kann sie nicht fehlen.

Am Nachmittag geht’s dann schnell nach Hause, kurz mit einem Kaffee auf die Couch und dann heißt es auch schon wieder aufs Neue: Sekt, Küsschen und „Helau!“

Prinzenpaar-Facts:

  • Das Baden-Badener Prinzenpaar wird gestellt von verschiedenen Vereinen des Festkomitee der Baden-Badener Fasnacht. 2020 feiert der Ooser Carneval-Verein sein 88-jähriges Bestehen und stellt deswegen den Prinzen Julian I.
  • Das Prinzenpaar tritt bei offiziellen Terminen stets im „großen Ornat“ auf. Beim Prinz besteht das aus Hut mit Fasanen-Feder, weißen Handschuhen, Mantel und Zepter. Bei inoffiziellen Anlässen trägt der Prinz für das kleine Ornat nur einen Hut ohne Feder. Die Prinzessin trägt auf der Bühne immer ihren Blumenstrauß.
  • Das Prinzenpaar ist in ständiger Begleitung, Prinzenführer und Prinzenfahrer lassen die beiden nicht aus den Augen. Nicolas Grimm ist in diesem Jahr der Prinzenführer. Er war vor zwei Jahren der Baden-Badener Prinz.
  • In der Regel bekleidet dieses Amt der Prinz aus dem vergangenen Jahr. Da 2019 aber eine Prinzessin ohne Prinz regierte, übernimmt Grimm in diesem Jahr erneut diese Position. Er kümmert sich in erster Linie um die Versorgung des Prinzen und dessen Ornat.

  • Mario Dunger ist seit zwölf Jahren der Baden-Badener Prinzenfahrer. Er bringt Prinz, Prinzessin und den Prinzenführer von Termin zu Termin. Darüber hinaus ist er besonders für das Wohl der Prinzessin verantwortlich.
  • Er hat bei allen Terminen einen Notfall-Koffer dabei, in dem sich zum Beispiel Ersatz-Strumpfhosen, Schuhe, oder ein Regenschirm befinden.
  • Er beginnt vor den Terminen mit dem Abholen des Prinzenführers und des Prinzen. Die Prinzessin wird stets zuletzt abgeholt, da sie die meiste Zeit in der Vorbereitung braucht. Am Abend ist die Reihenfolge umgekehrt, dann wird die Prinzessin immer zuerst nach Hause gebracht.
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