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Plagiats-Vorwurf

Anonyme Anschuldigungen im Weisenbacher Bürgermeister-Wahlkampf

Von vielen Seiten ist das faire Wahlkampfklima in Weisenbach gelobt worden - wo am Sonntag ganz knapp Daniel Retsch zum neuen Bürgermeister gewählt wurde. Die gute Stimmung allerdings war in der Woche vor der Wahl nicht mehr gegeben. Ein deutlicher Schatten hatte sich über die Atmosphäre zwischen den beiden Kandidaten gelegt.

Christoph Kist (links) trat bei der Bürgermeisterwahl in Weisenbach gegen Daniel Retsch an.
Christoph Kist (links) trat bei der Bürgermeisterwahl in Weisenbach gegen Daniel Retsch an. Foto: Keller

Das wird nach dem äußerst knappen Wahlkampf-Sieg von Daniel Retsch vor Christoph Kist noch für Gesprächsstoff in Weisenbach sorgen: Es geht um den Vorwurf, wesentliche Teile der Wahlkampfunterlagen abgeschrieben zu haben und um die weitere Entwicklung nach diesem Vorwurf.

Ausgangspunkt der BNN-Recherchen ist eine anonyme Mail, die die Redaktion Gaggenau erhält und in der von einem „Plagiat bei der Bürgermeisterwahl“ die Rede ist.

Demnach soll „Daniel Retsch 1:1 von den Wahlkampfunterlagen seines Vorgängers im Amt des Hauptamtsleiters in Sasbach und jetzigen Bürgermeisters von Bietigheim, Constantin Braun, abgeschrieben“ haben. Verwiesen wird auf Veröffentlichungen beider Kandidaten bei Facebook.

Retsch hat bei seinem Vorgänger abgeschaut

Recherchen unserer Redaktion bestätigen den Vorhalt: Viele Passagen in den schriftlichen Ausführungen von Constantin Braun in seinem Wahlkampf in Bietigheim ähneln denen von Daniel Retsch in seinem Weisenbacher Wahlkampf, viele sind deckungsgleich.

Ein Beispiel: Bei Braun heißt es im Jahr 2015: „Seit gut drei Wochen bin ich täglich in Bietigheim unterwegs. Viele Kilometer habe ich bei den über 1 500 Hausbesuchen und Bürgergesprächen zu Fuß zurückgelegt. Aber es hat sich gelohnt. Denn ich bekam von Ihnen zahlreiche wertvolle Hinweise, Anregungen und Verbesserungsvorschläge mit auf den Weg.“

Bei Retsch liest sich das mit Veröffentlichung im Mai 2019 so: „Seit über sechs Wochen bin ich in Weisenbach unterwegs. Viele Kilometer habe ich bei den über 800 Hausbesuchen und Bürgergesprächen zu Fuß zurückgelegt. Aber es hat sich gelohnt. Denn ich bekam von Ihnen zahlreiche wertvolle Hinweise, Anregungen und Verbesserungsvorschläge mit auf den Weg.“ Bei beiden lautet die Überschrift „Zwischenbilanz“. Die Recherchen ergeben noch mehrere weitere auffällige Übereinstimmungen.

Retsch: Es gibt "Verbesserungspotenzial"

Die bestreitet Daniel Retsch auf BNN-Nachfrage auch gar nicht. Schließlich pflege er ein freundschaftliches Verhältnis zu Constantin Braun, der sein Vorgänger im Hauptamt in Sasbach war. Retsch sagt auch, dass er Braun in dessen Wahlkampf in Bietigheim unterstützt habe. Es sei legitim, sich an einem erfolgreichen Wahlkampf zu orientieren, das sei auch rechtlich nicht zu beanstanden.

Auf Nachhaken, wie es bei der Bürgerschaft ankomme, in Teilen wortgleiche Ausführungen früherer Bürgermeisterbewerber zu übernehmen, meint Retsch, „dass es rückwirkend betrachtet Verbesserungspotenzial gibt“. Von einem Fehler mag er aber nicht sprechen.

Vorwürfe beider Kandidaten

Vielmehr geht Retsch selbst in die Offensive. Er sagt gegenüber den BNN, dass ihm am Montagabend vor einer Woche – unmittelbar nach der öffentlichen Kandidatenvorstellung in der Festhalle – von Christoph Kist vorgeworfen worden sei, Teile seines Wahlkampfs mit Unterlagen aus anderen erfolgreichen Wahlkämpfen bestritten zu haben. Und er sagt vor allem, dass Kist von ihm den Rückzug von der Kandidatur gefordert und mit der Presse gedroht habe. An diesem Punkt gehen die Darstellungen auseinander.

Unstrittig ist, dass Kist Hauptamtsleiter Walter Wörner bereits am Nachmittag des vergangenen Montags darum gebeten hat, dafür Sorge zu tragen, dass sich die beiden Kandidaten sowie die drei Mitglieder des Gemeindewahlausschusses zu einem internen Gespräch noch am Abend der Kandidatenvorstellung zusammensetzen können. Dieses fand in einem separaten Raum der Festhalle statt, Vertraulichkeit wurde vereinbart.

Gespräch zwischen Retsch und Kist bleibt vertraulich

Unstrittig ist, dass der Gemeindewahlausschuss, der ausschließlich rechtliche Dinge prüft, keine Wertung darüber abzugeben hat, dass sich Retsch aus den Wahlkampfunterlagen anderer bedient hat. Hauptamtsleiter Wörner betont auf BNN-Nachfrage, dass ein Urteil hierüber nicht Aufgabe des Wahlausschusses sei. Da Vertraulichkeit vereinbart worden sei, will er über Inhalte des Gesprächs keine Auskunft geben.

Auf die vereinbarte Vertraulichkeit verweist zunächst auch Christoph Kist. Die Aussage von Retsch, dass er seinen Gegner zum Rücktritt aufgefordert habe, weist Kist aber mit deutlichen Worten zurück. Dies sei nicht richtig, es habe keine Drohung gegeben. Auch die an Redaktionen versandte anonyme Mail stamme weder von ihm noch aus seiner Unterstützergruppe, betont er.

Es stimme auch nicht, wie von Retsch behauptet, dass auch er (Kist) Teile der Wahlkampfunterlagen von Braun verwendet habe. Die habe er sich zwar angeschaut. „Was ich jedoch nicht gemacht habe, ist daraus ganze Seiten, Absätze oder Layouts zu übernehmen,“ so Kist.

An die in dem Gespräch am späten Abend in der Festhalle vereinbarte Vertraulichkeit habe er sich stets gehalten, deshalb wolle er von weiteren Aussagen in diesem Zusammenhang absehen. Der Vorsitzende des Weisenbacher Wahlausschusses, Uwe Rothenberger, war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

In eigener Sache

Die anonyme Mail erreichte die BNN-Redaktion erst am Donnerstag vor der Wahl. Der dort enthaltene Vorwurf gegenüber Kandidat Daniel Retsch erforderte eine umfassende und sorgfältige Recherche. Von einer Veröffentlichung von Teilergebnissen dieser Recherche kurz vor der Wahl hat die Redaktion bewusst abgesehen.

Andernfalls, also bei einer möglicherweise einseitigen (oder als einseitig empfundenen) Veröffentlichung von Teilergebnissen, hätte sich die Redaktion einer Wahlbeeinflussung schuldig gemacht, die wir nicht mehr rechtzeitig vor dem Wahltag hätten korrigieren können.

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