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„Gurs 1940“

Ausstellung im Stadtmuseum Baden-Baden: Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus

Zusammen mit dem Stadtarchiv hat der Arbeitskreis Stolpersteine über 560 Biogramme von Opfern des Nationalsozialismus entwickelt. Das virtuelle Buch soll Würde zurückgeben.

Kurt Hochstuhl, Angelika Schindler, Heike Kronenwett, Margret Mergen, Stadtarchivarin Dagmar Rumpf /von links/
Die Initiatoren: Kurt Hochstuhl, Angelika Schindler, Heike Kronenwett, OB Margret Mergen und Dagmar Rumpf (von links) brachten das digitale Opferbuch auf den Weg. Foto: Foto: Christiane Krause-Dimmock

Der Countdown ist abgelaufen. Nicht nur in Berlin und in anderen großen Metropolen wird nun den Opfern des Nationalsozialismus auf besondere Weise Rechnung getragen. Initiiert von SPD-Gemeinderat Kurt Hochstuhl wurde in Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum/Stadtarchiv jetzt ein digitales Erinnerungsbuch geschaffen. Dieses soll trotz der darin vorgestellten verstorbenen Personen viel Lebendigkeit mit sich tragen.

Blickt man ein wenig hinter die Kulissen der Arbeit, welche sich die Beteiligten gemacht haben, wird deutlich, dass das Werk wachsen soll, dass es sich durchaus auch verändern können. Zu den Beteiligten gehört neben dem AK Stolpersteine und dessen Leiterin Angelika Schindler auch Dagmar Rumpf vom Baden-Badener Stadtarchiv.

Sie war fast ein Jahr lang intensiv auf vielen Ebenen in das aufwendige Projekt eingebunden. Gemeinsam habe man damit die Grundlage geschaffen, um über 800 Männern, Frauen und Kindern ein Stück ihrer Würde zurückzugeben, die ihnen während dieser dunklen Phase der deutschen Geschichte geraubt wurden.

Über 560 Biogramme von Opfern des Nationalsozialismus

All diese Menschen haben einen besonderen Bezug zur Stadt, wurden etwa hier geboren oder haben hier gewohnt, ehe sie in die Mühlen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gerieten. Ursächlich für Ausgrenzung, Demütigung, Verfolgungen oder Ermordung war der Glaube, die Überzeugung, die Herkunft oder eine Erkrankung.

Die bislang 562 freigeschalteten Biogramme können ab sofort online besucht werden, während die dazu passende Ausstellung noch auf bessere Inzidenzwerte warten muss. „Wir hoffen, dass wir sie noch zeigen können“, bedauert Museumschefin Heike Kronenwett die Lage.

Doch sich einzulesen ist schon jetzt möglich, etwa in die Geschichte des ehemaligen Hotel Zentral und die der Besitzerfamilie oder aber in das Leben des damals noch ganz jungen Manfred Kirschner, einer der wenigen Zeitzeugen, die heute noch am Lebens sind.

So wurde in den vergangenen Monaten in Archiven gestöbert, vor allem auch altes Aktenmaterial gesichtet, berichtet Kurt Hochstuhl von der schon früh aufgebauten internen Personendatenbank zur NS-Dokumentation des Stadtarchivs, aber auch von den Altakten der damals noch kommunalen Polizeidirektion der Stadt.

„Als besonders ergiebige Quellen erweisen sich dabei die Gesuche der jüdischen Mitbürger um Auswanderungserlaubnis, die vor allem nach dem November 1938 in großer Zahl gestellt wurden. Als Teil des Auswanderungsantrags und möglicherweise als Baden-Badener Besonderheit forderte das Passbüro der Polizeidirektion dabei Lebensläufe der Antragsteller ein.“

Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Stolpersteine

Einen wichtigen Beitrag in der lokalen Gedenkarbeit leistete auch der Arbeitskreis Stolpersteine, bedankte sich Hochstuhl für die Hilfe von Angelika Schindler. „Ihre Recherchen zu den Biografien der Opfer lässt deren Leben sichtbar werden. Diese Texte sind ebenfalls in das Gedenkbuch eingeflossen.“ 2021 sei man damit nun zwar verspätet, aber noch nicht zu spät am Start. Hier könne Großes entstehen, erinnerte er etwa an den Kölner Künstler Gunter Demnig.

„Er begann 1992, kleine Gedenktafeln vor den letzten frei gewählten Wohnhäusern von NS-Opfern in den Boden einzulassen, um damit zumindest deren Namen und ihre wichtigsten biografischen Daten im öffentlichen Raum zu platzieren. Über 75.000 solcher Stolpersteine in 26 europäischen Ländern sind derzeit die beeindruckende Zwischenbilanz dieses Erinnerungsprojekts – größtes dezentrales Mahnmal der Welt.“

Allein 114 davon befinden sich in Baden-Baden. Genau wie hierbei nur ein Bruchteil der Betroffenen erfasst werden könne, erhebe auch das jetzt vorgestellte Gedenkbuch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. „Die vorhandenen Wissenslücken zu füllen und damit unsere ehemaligen Mitbürger und Mitbürgerinnen aus Baden-Baden dem Vergessen zu entreißen, ihnen mit ihrem Namen einen Teil ihrer geraubten Würde wiederzugeben, sei Sinn und Zweck des virtuellen Opferbuchs.“

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