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Grobbachtal war Rodel-Treffpunkt

Früher war mehr Schnee: Vor 50 Jahren zog es Baden-Badener nur selten in die Höhengebiete

„Bahn frei – Kartoffelbrei.“ Ein klassischer Schlachtruf war schon in den 1950er-Jahren an den typischen Orten zu vernehmen, sobald der erste Schnee fiel und die Kinder nach der Schule zur heimischen Wintersportvariante die Baden-Badener Hügel und Anhöhen eroberten. Mit dem Bus oder gar den Eltern in die Höhengebiete ging es dagegen nur selten.

Skiabfahrtslauf auf dem Baden-Badener Golfplatzgelände
Schnellster Fahrer gesucht: Die Stadtmeisterschaften im Skiabfahrtslauf wurden auf dem Golfplatz ausgetragen. Foto: Christiane Krause-Dimmock

Ein Ausflug auf die Schwarzwaldhochstraße? „Das brauchte man nicht unbedingt“, erinnert sich Jutta Bauer gerne an ihre Kindheit und Jugend, in denen bei weitem mehr Schnee lag als in heutigen Wintern. Und zwar zuverlässig, denkt sie an ein besonderes Event.

„Auf dem Golfplatz wurden in meiner Jugend die Stadtmeisterschaften im Abfahrtslauf ausgetragen.“ Die Ski auf die Schultern und gepackt und Richtung Badner Höhe marschiert, das war eine gute Trainingseinheit. „Übers Grobbachtal sind wird dann wieder hinuntergesaust.“ Ein echtes Highlight waren natürlich die Ausflüge nach Hundseck. Kinder, Eltern, Ausrüstung, alles rein in den Käfer und ab ging die Post. „Ich habe heute noch irgendwo ein Foto von uns allen mit dem großen Eisbär, der dort stand.“

Vorne musste ein Einsitzer als Lenker fahren.
Joachim Weggler, Hobby-Rodler

Auch bei der Familie Weggler waren das die besonderen Ausflüge, erinnert sich Sohn Joachim gerne an die Winter seiner Kindertage zurück. „Wenn das Wetter gut war, wusste man immer, wo man die anderen trifft. Da brauchte man kein Handy.“ Aufgewachsen in der Geroldsauer Straße war das Übelsbachtal in den 50er- und 60er-Jahren sein Schneerevier.

Dort wo sich die Wege kreuzen, trennte sich die Spreu vom Weizen. Wer’s drauf hatte, der wählte den gefährlicheren, steileren Weg, vorzugsweise im „Hänger“, bei dem sich mehrere Kinder hintereinander mit ihren Schlitten gegenseitig einhängten. „Vorne musste ein Einsitzer als Lenker fahren.“

Die Leidenschaft fürs Rodeln, die ist übrigens geblieben. Als in früheren Jahren in schneereichen Wintern die Waldverbindung zwischen Scherrhof und Bussacker vom Forstamt geräumt wurde, ging es auch hier zur Sache. „Der Vater hat uns nach oben gebracht und wir sind runtergerodelt.“ Mit dabei auch seine Mutter Lisa. „Im Alter von 60 Jahren hat sie sich bei einer solchen Gelegenheit dann das erste Mal in ihrem Leben etwas gebrochen.“ Statt heißem Tee zu Hause gab es im Krankenhaus ein Gipsbein.

Die ehemalige Rodelstrecke ab Scherrhof war ein echtes Winterhighlight
Beliebt bei Kindern: Die ehemalige Rodelstrecke ab Scherrhof war damals bei SchneeFans ein echtes Winterhighlight. Foto: Christiane Krause-Dimmock

Aber auch in der Innenstadt war der Jubel unter der jungen Bevölkerung meist groß, wenn Frau Holle kräftig die Betten schüttelte. Längst nicht jede Straße wurde so wie heute regelmäßig geräumt. „Vor allem wurde nicht gestreut“, erinnert sich auch Stadtrat Werner Schmoll gerne an diese Zeit.

Ehemals beliebte Treffpunkte sind heute fast leer

Als Weststädter hatte er jedoch ein eigenes Revier. Auch hier brauchte es kein Handy und keine Verabredungen. Wenn Schnee, dann raus. So hieß die Devise. Zwischen Mittagessen und Dunkelwerden konnte man seinen Nachwuchs für gewöhnlich ab dem Balzenbergweg aufwärts finden, wenn man sie vor der Zeit suchte.

„Als meine eigenen Kinder in dem Alter waren, sah das ganz anders aus.“ Wo sich früher ganze Horden um den besten Platz drängten, waren Anfang der 2000er-Jahre nur mehr wenige Rodler anzutreffen. „Es gab damals offenbar mehr Schnee und vor alle mehr Kinder.“

Doch in die Höhe ist man trotzdem gefahren, bestätigt Roland Seiter, der in seinem Buch „Erlebnis Schwarzwald Hochstraße zu Großvaters Zeiten“ die Historie des Höhengebietes anhand von alten Postkarten nacherzählt. Der Schnee lockte schon immer in die Berge, weiß der Autor aufgrund seiner Recherchen. Zwar hatten damals nicht ganz so viele Menschen einen eigenen Pkw. Doch den Weg in den Schnee, den fand man trotzdem, zumal es schon früh Anbindungen per Bus gab.

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