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Große Liebe für Hansa Lloyd

Gerhard Witzstrocks „Schnauferl“ war eines der ersten Autos beim 1. Baden-Badener Oldtimertreffen 1978

Auf der Suche nach einem Hobby ist Gerhard Witzstrock auf Oldtimer gestoßen. Seine große Auto-Liebe fand er in einem Hansa Lloyd, den er aus Dänemark abholte.

Der Hansa Lloyd mit Gerhard Witzstrock am Steuer hergerichtet als Brautfahrzeug
Der Hansa Lloyd mit Gerhard Witzstrock am Steuer hergerichtet als Brautfahrzeug ist ein echter Hingucker. Foto: Repro Cornelia Hecker-Stock

Gerhard Witzstrock kam über Umwege an seinen Oldtimer. Doch als der Hansa Lloyd einmal gefunden war, wurde er zur Liebe seines Lebens und ließ ihn nie wieder los, erinnert sich seine Frau Lieselotte. Selbst den Wohnort richtete er nach seinem Liebling aus. Das Auto ihres verstorbenen Mannes war eines der ersten vier Autos, die beim 1. Oldtimertreffen 1978 in Baden-Baden dabei waren.

Der 1919 geborene Gerhard Witzstrock arbeitete lange in dem medizinisch-naturwissenschaftlichen Schattauer Verlag Stuttgart. Damals wohnte die Familie noch in Degerloch. Anfangs der 60er Jahre trieb ihn die Suche nach einem Hobby um, dem er sich in seiner Freizeit widmen könnte.

Alte Autos interessierten ihn schon immer, die Begeisterung für die Vehikel war latent vorhanden, nur fehlte es oft an der Zeit, diese Neigung zu intensivieren. Über seine Pressetätigkeit pflegte der umtriebige Mann jede Menge Kontakte, und eines Tages kam ein entscheidender Hinweis.

Die „Schrottmühle“ aus dem Heu lässt Witzstrocks Herz höher schlagen

Zur Hitlerzeit wurden alte Autos alle eingezogen und verschrottet, da dringend Eisen gebraucht wurde, erzählt Lieselotte Witzstrock. Ihr Mann bekam Wind von einem Oldtimer, der aus diesem Grund nach Dänemark verkauft worden sei. Versteckt habe ihn dort ein Bauer in seinem Heuschober, begraben unter den Ballen und damit so gut wie unauffindbar. „Mit unserem Volkswagen, zwei Kindern und dem Hund fuhren wir in den äußersten Zipfel Norddeutschlands“, erinnert sich Lieselotte Witzstrock.

In Großenbrode in Dänemark machte das Paar den Bauern tatsächlich ausfindig, doch beim Anblick des Wagens traf die Ehefrau fast der Schlag. Ausgegraben aus Bergen von Heu konnte sie lediglich eine „Schrottmühle“ erkennen. Das Herz ihres Göttergatten stand jedoch sofort in hellen Flammen vor Begeisterung.

Man war sich schnell handelseinig, abenteuerlich war dann bereits die Rückfahrt. „Wir haben ihn mit dem VW von ganz oben im Norden bis nach Stuttgart gezogen. Bei jedem einzelnen Anstieg dachte ich, das schafft er nicht, jetzt bleibt er liegen“, kann Lieselotte Witzstrock erst im Rückblick darüber lachen.

Nun ging die Suche los nach einer Werkstatt, die sich mit so einem Oldtimer auskennt. In Möglingen wurde ihr Mann schließlich fündig. Bei einem alten „Schrauber“, der den Hansa Lloyd erstmal komplett in seine Einzelteile zerlegen wollte, um dessen Innenleben richtig kennenzulernen. Gerhard Witzstrock war so begeistert von der Aussicht, ihm dabei über die Schulter zu schauen, dass sich die Familie in direkter Nachbarschaft der Werkstatt eine neue Bleibe suchte.

Das „Schnauferl“ fährt trotz aller Hindernisse zum Oldtimer-Meeting

Das Problem war, originale Ersatzteile aufzutreiben. So hatte das Vehikel keine Festgummireifen wie in Deutschland üblich, die passenden konnten nur über England bestellt werden. Auch musste eigens ein Wagner für die Speichen aus Holz gefunden werden. Die Familie hatte zu der Wohnung eine Garage für den Oldtimer angemietet.

Allerdings nahm der neue Besitzer die Einfahrt etwas zu stürmisch, blieb am Garagentor hängen und schlitzte sich das komplette, eben sanierte Dach seines Hansa Lloyd auf. „Am liebsten hätte er sich hingesetzt und geweint“, erinnert sich seine Witwe noch gut an den traurigen Moment.

Eine Abweichung vom Original musste damit akzeptiert werden. Das neue Dach fiel weiß aus, während den Oldie vorher eins in Schwarz zierte. Doch irgendwann war es vollbracht, das Prachtstück war fahrbereit und harrte kommender Abenteuer. Den furchtbaren Krach beim Anlassen, der Umstehende zusammenzucken ließ, hat die Witwe noch heute im Ohr. Der stolze Besitzer nutzte jede Gelegenheit zu Ausfahrten und war auf jeder Rallye vertreten.

Nicht nur in der Region, sondern bald auch in ganz Europa und der Schweiz. Da wurden keine Rennen gefahren, sondern die Fahrzeuge den staunenden Zuschauern in einem Corso präsentiert. Für jede Teilnahme gab es eine Plakette, die an ein über die Kühlerhaube gelegtes Lederband angeheftet wurde. „Das mussten wir nachts abnehmen, damit es nicht geklaut wurde.“

Oft war ihr Mann ganze Wochenenden unterwegs, da abends immer noch kräftig gefachsimpelt wurde. In die Kurstadt zog die Familie 1962. Doch beim hiesigen Oldtimer-Treffen war man wählerisch und wollte Gerhard Witzstrock nicht teilnehmen lassen, da er noch kein Mitglied im Club war. Da geriet man allerdings an den Falschen, denn er stellte sich hartnäckig einfach in den Kurgarten mit seinem „Schnauferl“.

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