Dominik Graf ist einer der wichtigsten Filmemacher Deutschlands und beim Fernsehfilm- und Serienfestival TeleVisionale in Baden-Baden Vorsitzender der Jury für den Deutschen Fernsehfilmpreis.
Im Vorfeld der Preisverleihung an diesem Freitag im Baden-Badener Kurhaus äußert sich Graf im BNN-Gespräch über veränderte Sehgewohnheiten der TV-Zuschauer und über seine Vorstellung von einem guten Film.
Wissen Sie, wie viele Filme Sie schon gemacht haben?
Dominik GrafIch weiß es nicht. Darunter sind auch Serienproduktionen mit mehreren Folgen. Es werden um die 50 sein.
Ist einer davon der Wichtigste für Sie?
GrafNein! Es gibt sicher ein Dutzend, die wichtiger sind als andere, aber im Grunde hat man sie alle lieb.
Wann haben Sie zuletzt einem Film im Fernsehen angeschaut?
GrafIch gucke schon relativ viel Fernsehen, oft auch nebenbei. Meistens Öffentlich-Rechtliche, zwischendurch auch Einzelfolgen von Serien. Mich interessiert das immer noch sehr, aber es ist selten, dass ich ein Ding wirklich komplett zu Ende schaue. Dazu bin ich hier gezwungen (lacht). In den meisten Fällen ist es aber kein Zwang, sondern ein tolle Erfahrung. Vor allem, weil die Filme auf der großen Leinwand laufen. Ich hatte sie zwar schon gesehen, aber auf dem Großformat ist das etwas völlig anderes. Zuhause habe ich keinen Riesen-Fernseher.
Welchen Stellenwert haben die Preise, die beim Festival in Baden-Baden vergeben werden, aus Ihrer Sicht?
GrafDer hat mit der Qualität der Jury zu tun. Hier habe ich das Gefühl, dass echte Fachleute in den Jurys sitzen. Das war in all den Jahren immer so. Ich habe den ersten Preis 1988 bekommen. Wenn man gelesen hat, wer einem den gegeben hat, hatte man immer das Gefühl, das kann man ernst nehmen.
Was muss passieren, dass Sie vor dem Fernseher bei einem Film abschalten?
GrafWenn es langweilig ist, wenn die Szenen doof sind, wenn die Schauspieler schlecht sind, wenn die Story nicht funktioniert – ich glaube, da würde auch jeder andere ausschalten.
Bei der TeleVisionale wird viel über Qualität gesprochen. Was ist für Sie ein guter Film?
GrafDa müssten Sie jetzt mindestens drei Stunden Zeit haben. Das ist kompliziert, denn auf Qualität kann man völlig unterschiedlich schauen. Für manche sind auch Crash-Filme Qualität. Für mich ist alles, was mich irgendwie fasziniert, Qualität – völlig egal aus welchem Genre. Ich finde es immer gut, wenn es unerwartet und lebendig zugeht. Es gibt auch Filme, die in Ruhe ihre Geschichte erzählen und faszinierend sind.
Das Festival hat sich auch für Pay-TV- und Streaming-Angebote geöffnet. Haben die auch Ihre Arbeit als Regisseur verändert?
GrafNein! Ich mache das, was ich gut finde, was mir angeboten wird oder was ich versuche, mit Autoren zu entwickeln. Ich schiele nicht darauf, hoffentlich ein Streaming-Angebot zu bekommen. Ich gehe meinen Weg.
Es gibt kritische Stimmen, die das Ende des 90-Minuten-Films im Fernsehen vorhersagen. Ist der ein Auslaufmodell?
GrafDas glaube ich nicht. Ich glaube auch, dass die Serie irgendwann darauf zurückkommen wird, abgeschlossene Folgen zu erzählen. Diese horizontale Erzählweise hat ihre Grenzen. Die zwingt dich immer in den selben Rhythmus: Du musst noch das Problem von der Vor-Folge zu Ende erzählen, dann darfst du langsam wieder was Neues aufbauen. Wenn du da am Höhepunkt bist, dann bricht die Folge ab. Daraus kann man auch Kunststücke machen, aber es ist ein wahnsinnig vorgefertigter Zwang. Ich habe früher viele Folgen für Vorabendfernsehen gemacht. Das waren in sich abgeschlossene kleine Geschichten. Ich war immer sehr froh darüber, dass das so war.
Das Durchschnittsalter der Zuschauer bei den Öffentlich-Rechtlichen liegt bei 62 Jahren. Stirbt das Fernsehen im Format mit festem Programm aus?
GrafDas kann schon sein. Das finde ich aber auch nicht so wichtig. ARD, ZDF und wie sie alle heißen, können auch zu Netflix-Streaming-Angeboten mutieren gewissermaßen, ohne dass das chronologische Angebot gewahrt ist. Letztendlich ist es ja dasselbe. Der Unterschied ist nur, dass Sie nicht mehr einschalten, wenn die Tagesschau kommt, sondern die Tagesschau kommt zu Ihnen, wenn Sie den Knopf drücken.
Wie sieht der Filmemacher Graf die Bäderstadt?
GrafIch habe hier vor fünf Jahren für den „Tatort“ „Der rote Schatten“ gedreht. Der lange Schatten der Todesnacht von Stammheim, in der die RAF-Terroristen Andreas Baader und Gudrun Ensslin 40 Jahre davor in ihren Zellen tot gefunden wurden, reichte bis in den Fall der Stuttgarter Ermittler Lannert und Bootz. Baden-Baden ist eine ziemlich interessante Stadt, um zu drehen. Sie hat ein großes Gefälle in der sozialen Schichtung – ein richtig spannender Ort.