Skip to main content

Arbeiten am Anschlag

Im Tafel-Laden in Baden-Baden kommen immer mehr Menschen auf weniger Lebensmittel-Spenden

Ausnahmezustand im Baden-Badener Tafelladen: Die Zahl der Kunden hat sich in den vergangenen Monaten vervierfacht. Wie gehen die Verantwortlichen mit der Situation um?

Viel zu tun: Helene Schäfer (rechts) und ihr Team von Ehrenamtlichen betreuen mehr als 400 Kunden.
Helene Schäfer (rechts) und ihr Team von Ehrenamtlichen betreuen mehr als 400 Kunden. Foto: Sarah Reith

Viermal so viele Kunden, weniger Lebensmittelspenden und keinerlei öffentliche Zuschüsse: Das Team des Tafel-Ladens in Lichtental arbeitet seit Monaten am Anschlag.

So kann es mittelfristig nicht weitergehen, sagt Thorsten Schmieder. „Eigentlich befinden wir uns in einer Sackgasse. Wir wollen nicht so weit kommen, dass wir den Laden schließen müssen, weil wir es nicht mehr bewältigen können“, macht der geschäftsführende Vorstand des Caritasverbands Baden-Baden die Brisanz der Situation deutlich.

Dabei könnte man beim Besuch im Tafelladen leicht denken, dass alles ideal läuft: Da ist ein höchst engagiertes und sichtlich gut aufeinander eingespieltes Team an Ehrenamtlichen im Einsatz, die Regale sind gut gefüllt, die Stimmung ist fröhlich. Sogar die Schlange vor dem Laden hält sich in Grenzen. Und in der Tat hat Helene Schäfer die Abläufe bestens organisiert.

Rund 100 Menschen helfen in ihrer Freizeit beim Tafel-Laden in Baden-Baden

Und in der Tat hat Helene Schäfer die Abläufe bestens organisiert. Im Januar hat die junge Frau die Leitung des Ladens übernommen – sie ist die Einzige, die hauptamtlich dort arbeitet, ihr Gehalt wird von der Caritas bezahlt. Ansonsten wird das Projekt über Ehrenamtliche bestritten.

Und hier kann sich Schäfer wirklich nicht über einen Mangel beklagen: Rund 100 Menschen engagieren sich in ihrer Freizeit für die Baden-Badener Tafel, holen Lebensmittelspenden aus Geschäften ab, räumen Waren ein, kümmern sich um den Verkauf im Laden.

Die Probleme liegen anderswo: Vor der Ukraine-Krise seien pro Einkaufstag 100 bis 120 Kunden zum Einkaufen gekommen, berichtet Schmieder. „Im Moment sind wir bei 400 bis 450.“

Tafel-Leiterin Schäfer hat deshalb ein gut verständliches System eingeführt, durch das sich nicht mehr zu Beginn der Öffnungszeit endlose Schlangen bilden: Die Kunden haben Farbkärtchen, jede Farbe ist einem festen Einkaufs-Zeitfenster zugeordnet.

Zwischen jedem Zeitfenster werden die Regale nachgefüllt, damit das Angebot für alle gleich attraktiv ist. Außerdem wurden die Öffnungszeiten verlängert, um den Ansturm zu bewältigen.

Ich arbeite die Warteliste ab, aber im Moment kommen mehr Anfragen, als ich Plätze vergeben kann.
Helene Schäfer, Leiterin des Tafel-Ladens

Doch das löst nur einen kleinen Teil des Problems: Denn längst nicht alle, die gern einkaufen würden, können als Tafel-Kunden aufgenommen werden. „Ich arbeite die Warteliste ab, aber im Moment kommen mehr Anfragen, als ich Plätze vergeben kann“, sagt Schäfer.

Diese Warteliste, auf der bereits rund 100 Menschen stehen, wird also immer länger. Der Bedarf ist groß – und zwar nicht nur in Baden-Baden: Erst vor kurzem habe sie sogar eine Anfrage aus Rastatt bekommen, weil dort Interessierte nicht einmal mehr auf die Warteliste gesetzt würden, berichtet Schäfer.

Rund zwei Drittel der Tafel-Kunden in Baden-Baden kommen derzeit aus der Ukraine

Schmieder sagt allerdings: „Wir sind besonders hoch belastet.“ Schließlich habe Baden-Baden so viele Flüchtlinge aufgenommen wie kein anderer Stadtkreis in Baden-Württemberg – das wirke sich auch auf den Betrieb der hiesigen Tafel aus.

Rund zwei Drittel der Kunden stammen laut dem Caritas-Geschäftsführer aus der Ukraine. Es kämen aber auch andere Neukunden, bei denen aufgrund der Energiekrise und Teuerung das Geld nicht mehr reicht.

Klar ist: Auf Dauer geht es nicht.
Thorsten Schmieder, Caritas-Vorstand

Grundsätzlich ist jeder, der Sozialleistungen bezieht, auch einkaufsberechtigt bei der Tafel. Und das ist die Krux: Die Ämter schickten die Neuankömmlinge einfach alle zur Tafel, die Versorgung so vieler Menschen könne man aber nicht leisten, moniert Schmieder: „Das ist eine staatliche Aufgabe.“

Dabei bekommen Tafeln keine öffentlichen Zuschüsse, die Stadt Baden-Baden stellt dem Tafelladen sogar die Müllentsorgung in Rechnung, wie einige Ehrenamtliche im Laden verärgert berichten.

Und es gibt noch eine weitere Baustelle: Während einerseits immer mehr Kunden kommen, sind laut Schmieder andererseits die Lebensmittelspenden deutlich zurückgegangen. Die Geschäfte hätten ihr Bestellverhalten optimiert, verkauften teils selbst Waren kurz vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum zum halben Preis. Mit der Schließung des Sinzheimer Reals sei zudem eine Quelle für Lebensmittelspenden weggefallen.

Das Lager im Keller des Tafel-Ladens ist aufgebraucht

Schon in den ersten Monaten des Ukraine-Kriegs habe man die Jahresvorräte länger haltbarer Lebensmittel verbraucht, mittlerweile sei das Lager im Keller leer. „Im Moment können wir das noch durch den Zukauf von Lebensmitteln auffangen, was aber völlig am Tafelgedanken vorbeigeht“, sagt Schmieder.

Bei diesem gehe es schließlich auch um Nachhaltigkeit und darum, Lebensmittelverschwendung zu verhindern. Noch habe man keine Lösung gefunden.

„Klar ist: Auf Dauer geht es nicht“, sagt der Caritas-Chef. „Wir haben mal geprüft, ob wir einen weiteren Standort aufmachen, das ist aber nicht möglich: Wir bekommen zu wenig Lebensmittel, um sie auf zwei Standorte zu verteilen.“

nach oben Zurück zum Seitenanfang