„Gott sei Dank ist das nur alle fünf Jahre“, bricht es gegen 23 Uhr aus dem FDP-Kreisvorsitzenden René Lohs heraus. „Danke, dass Ihr das alle durchgehalten habt“, lobt er seine Parteifreunde. Zwar sind um diese Uhrzeit nicht mehr alle da, aber die meisten sitzen nun schon seit mehr als drei Stunden im Geroldsauer Gasthaus „Auerhahn“ zusammen, um ihre Kandidatenliste für die Gemeinderatswahl aufzustellen.
Dass die Wahl zu einem langwierigen Verfahren wird, zeichnet sich zunächst nicht ab. Der Vorstand hat wie üblich vorgearbeitet. Die drei ersten Plätze sind schnell abgehakt: Die Ratsmitglieder Rolf Pilarski, René Lohs und Hans Schindler werden zügig wiedergewählt, nachdem Hausherr Schindler noch schnell zwei Sektkübel als Wahlurnen organisiert hat.
Dann geht auf Vorschlag des Vorstands mit Kreisgeschäftsführerin Sabine Detscher die erste Frau auf Platz 4 ins Rennen. Der ist bei aktuell drei liberalen Gemeinderatsmitgliedern aussichtsreich, denn die FDP-Fraktion möchte wachsen. Dazu will die kurstädtische FDP auch weiblicher und jünger werden. Teile der kommunalpolitischen Konkurrenz, die bereits ihre Listen aufgestellt haben, haben es vorgemacht.
Mit Detscher wird eine Unternehmerin vorgeschlagen, die sich seit Jahren in der Parteiarbeit verdient gemacht hat. Doch Beisitzer Jonas Wirth meldet plötzlich mit Tina Tischer-Suphukhieo eine Gegenkandidatur an.
Beide stellen sich nochmals vor: Detscher mit einem Abriss ihrer drei kommunalpolitischen Schwerpunkte bessere Verkehrsführung, besseres Finanz- und Personalmanagement und bessere Wirtschaftsförderung; Tischer-Suphukhieo mit einem flammenden Liberalismus-Plädoyer. Detscher erobert den Listenplatz mit 18 zu vier Stimmen.
Und auch, wenn unter den 25 Stimmberechtigten nur sechs Frauen sitzen, wird Listenplatz fünf ebenfalls weiblich: Daniela Carlein-Landschütz, Unternehmerin und Tochter des ehemaligen Baden-Badener CDU-Oberbürgermeisters Walter Carlein, tritt mit einer eloquenten Vorstellungsrede an. Ihre Wahl geht reibungslos über die Bühne.
Klinikum ein wichtiges Thema
Doch schon beim nächsten Platz hakt es erneut: Gegen den altgedienten Liberalen Wilfried Mitzel wirft Hotelier Matthias Hirsch den Hut in den Ring. Er engagiert sich seit ein paar Jahren ehrenamtlich in der Kommunalpolitik und saß sehr oft im Stadtrat dabei. Irgendwann habe er sich auf der Besucherempore gedacht: „Entweder ich komme gar nicht mehr oder ich sitze da unten.“
Ihm geht es wie Carlein-Landschütz um mehr Engagement für den Verbleib des Klinikums in der Kurstadt, die Stärkung der Innenstadt, bessere Verkehrsführung. Seine Bewerbung um ein Mandat macht er an Missständen in diesen Bereichen fest und daran, dass „der OB deutlich schlechter performe“ als man es erhofft habe. Letztlich erhält er acht, der 61-jährige Mitzel 16 Stimmen.
Wollte die Partei nicht auch jünger werden? Diesen Anspruch erfüllt Schriftführer Leonard Krieg. Er ist erst 17 Jahre alt, hat sein Abitur schon in der Tasche und studiert Jura. Er muss zwar zwei Nein-Stimmen verkraften, hat aber den Sprung auf Listenrang 8 geschafft. Tischer-Suphukhieo und Hirsch finden dann auch noch ihre Plätze unter den ersten Zehn.
Da ist es bereits kurz vor 22 Uhr. Als sich Lohs nach weiteren Fragen erkundigt, kommt vom Tisch der betagteren Parteimitglieder ein warnendes „Wehe!“. „Wir müssen ins Bett“, ruft Ex-Stadtrat Olaf Feldmann gutgelaut. Von wegen: Kurz vor 23 Uhr entscheidet sich der ehemalige Bundestagsabgeordnete sogar noch selbst zu einer Kandidatur. Denn kurzfristig ist Listenplatz 42 unbesetzt. Feldmann springt ein – er will ja irgendwann ins Bett, wie der 86-Jährige scherzt.
Die Stunden davor hat er sich prächtig mit dem Überraschungsgast des Abends unterhalten: FDP-Landesparteichef Michael Theurer, sein alter Parteifreund, ist aufgetaucht. Er dankt in einer kurzen Rede seinen Parteikollegen für ihr Engagement und weitet den Blick auf die übergeordneten Parteithemen wie Verkehrspolitik, alternative Treibstoffe sowie die Bedeutung der Schuldenbremse.
Die Stippvisite ist für ihn offenkundig mehr als ein leidiger Pflichttermin. Er macht es sich am Tisch bei Feldmann, Schindler, Ex-Fraktionschef Michael Bauer und dem Ebersteinburger Ortsvorsteher Josef Benz gemütlich. Die Runde ist dermaßen launig, dass Detscher die Herren zwischendurch zur Ruhe ermahnen muss.
Dann ist es endlich geschafft. Die Liste ist fertig. Es stehen jüngere und weibliche Parteimitglieder darauf. Ziel erfüllt. Lohs ruft die erschöpften Parteifreunde noch zu einem engagierten Wahlkampf auf. Ziel müsse sein, die Fraktionsstärke zu verdoppeln. Man sei „einfach gut“ und habe hervorragende Persönlichkeiten. Eine davon ist schon weg: Feldmann ist zu Bett gegangen.