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„Corpus Delicti“

Wie Theater in Baden-Baden und Karlsruhe Schullektüre auf die Bühne bringen

Schul-Lektüren wie „Corpus Delicti“ kommen oft auf Theaterbühnen. Bei der Umsetzung geht es aber nicht nur um Inhaltswiedergabe.

Lisa Schwarzer und Michael Laricchia in einer Szene des Stücks „Corpus Delicti“ am Theater Baden-Baden.
Vom Leben in einem Überwachungsstaat handelt das Stück „Corpus Delicti“ von Juli Zeh, das nun in Baden-Baden auf die Bühne kommt. Szene mit Lisa Schwarzer und Michael Laricchia. Foto: Jochen Klenk

An den Theaterspielplänen merkt man, wenn die Abiturprüfungen näher rücken. Denn dann häufen sich die Aufführungen, in denen der Stoff von Pflichtlektüren auf die Bühne gebracht wird.

So feiert an diesem Freitag in Baden-Baden die Abi-Lektüre „Corpus Delicti“ Premiere. Aber wie wird aus einem Roman eigentlich ein Theaterabend?

Aus 200 Seiten werden 70: Textarbeit in Baden-Baden

Am Anfang steht viel Textarbeit, sagt die Dramaturgin Miriam Fehlker vom Theater Baden-Baden. Sie betreut die dortige Inszenierung und hat die Textfassung gemeinsam mit dem Regieteam um Isabel Osthues geschrieben.

Die ursprüngliche Vorlage der Autorin Juli Zeh hatte ungefähr 200 Seiten Umfang, am Ende blieben 70 Seiten übrig.

Bemerkenswert im Fall von „Corpus Delicti“: Der Stoff steht als Roman auf der Lektüreliste, wurde von Zeh aber zunächst als Theaterstück für die Ruhrtriennale 2007 verfasst.

Zwei Jahre später brachte die Autorin den dystopischen Stoff dann auch als Roman heraus.

Auch Staatstheater Karlsruhe zeigte „Corpus Delicti“

„Corpus Delicti“ zeigt einen Zukunftsentwurf, der zuerst erstrebenswert erscheint und sich dann als Unrechtssystem offenbart. Als eine Wissenschaftlerin hinterfragt, warum ihr Bruder sich das Leben genommen hat, wird deutlich: Aus einem strikt auf die Gesundheit seiner Bürger achtenden System ist ein knallharter Überwachungsstaat geworden.

In der Jugendsparte des Badischen Staatstheaters Karlsruhe war „Corpus Delicti“ in den vergangenen zwei Spielzeiten zu sehen. Dramaturgin war dort Mona vom Dahl, die schon einige Schullektüren auf dem Weg zur Bühne begleitet hat. Auch sie berichtet von viel Textarbeit.

Schullektüre auf der Bühne: Auch Zeit spielt eine große Rolle

Sie vergleicht ihre Arbeit mit der Bildhauerei: Man habe erst mal einen großen Block und müsse dann viel wegschlagen und einiges anpassen.

Bei der Frage, wie nah man am Original bleibe, gebe es nicht nur künstlerische Aspekte zu beachten: Zum Beispiel dürfe die Aufführung höchstens zwei Stunden dauern, da Schulklassen nicht unbegrenzt Zeit für den Theaterbesuch hätten.

Miriam Fehlker bearbeitet vor allem mit einem Ziel: gemeinsam mit der Regie einen eigenen künstlerischen Zugang zum Inhalt zu finden. „Die Regie entwickelt mit der Zeit eine eigene Lesart des Stücks“, sagt sie.

Man setze einen Fokus auf ein bestimmtes Thema innerhalb des Stoffes. Im konkreten Fall bedeutet das: Der Schwerpunkt wird auf der Überwachung liegen, die Gesundheitsdiktatur wird in den Hintergrund rücken.

Inszenieren bedeutet also immer auch interpretieren – und eben auch kürzen. Deshalb könne der Aufführungsbesuch zwar neue Zugänge zur Abi-Lektüre eröffnen, aber das eigentliche Lesen des Textes nicht ersetzen.

Theater Baden-Baden bietet für Schulklassen auch Nachgespräche an

Was aber ist, wenn das Zielpublikum manche Ideen der Inszenierung nicht versteht? Dafür wird es in Baden-Baden immer ein Nachgespräch geben, bei dem man miteinander ins Gespräch kommen und sich austauschen kann. Auch in Karlsruhe gab es bei „Corpus Delicti“ diese Nachgespräche.

Im Theater bekommen diese Figuren plötzlich einen Körper.
Mona vom Dahl
Junges Staatstheater Karlsruhe

Eine Erfahrung, die vom Dahl dabei gemacht hat: Die Figuren wirkten für viele im Roman etwas „papieren“, als könnten sie nur auf dem Papier existieren: „Im Theater bekommen diese Figuren plötzlich einen Körper und das ist dann noch mal ganz anders erfahrbar.“

Deshalb bleibe es auch wichtig, Theatertexte nicht ausschließlich zu lesen, sondern auch auf der Bühne lebendig zu machen und zu sehen.

Für Mona vom Dahl ist bei Werken aller Genres und Epochen noch wichtig, dass eine junge Perspektive eingenommen wird – schließlich geht es beim Jungen Staatstheater immer um das junge Zielpublikum.

Die Karlsruher Dramaturgin will die Grundfragen, die ein Text stellt, überprüfen oder neu stellen: „Erst einmal nehmen, was sich aus dem Text ergibt und dann eine heutige, junge Perspektive einnehmen“, sei die Devise.

Ein Theaterstück solle immer unterhalten und gleichzeitig zum Denken anregen.

Baden-Baden will mit „Corpus Delicti“ auch Erwachsene erreichen

Im Theater Baden-Baden will man mit dem Stück auch im Abendspielplan viele Erwachsene erreichen. Fehlker hält „Corpus Delicti“ für sehr aktuell und für die gesamte Gesellschaft relevant – besonders die Demonstrationen für Demokratie in der letzten Zeit hätten das Stück und seine Themen wie Freiheit und Sicherheit wieder ganz nach oben auf die Tagesordnung gebracht: „Wir wollen ‚Corpus Delicti‘ auch ein Stück weit aus der Schule rausholen und die Gesellschaft damit konfrontieren.“

Am Ende gehe es bei jeder Inszenierung darum, dass etwas beim Publikum ankommt. Miriam Fehlker ist überzeugt, dass man nicht nur als Schüler oder Schülerin etwas mitnehmen kann, wenn man sich auf das Stück einlässt.

Service

„Corpus Delicti“ in Baden-Baden: Premiere am 9. Februar. Weitere Aufführungen: 24., 25., 29. Februar; 8., 9., 10., 27., 28., 29. März; 12. April, jeweils 19 Uhr. Am 29. Februar um 15 Uhr. www.theater.baden-baden.de.

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