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Elfeinhalb Jahre in Russland

Ausstellung im Bühler Stadtmuseum: Otto Seifried hat Kriegsgefangenschaft in Zeichnungen festgehalten

Elfeinhalb Jahre war der Bühler Otto Seifried in russischer Kriegsgefangenschaft. In Zeichnungen hat er viele Details festgehalten. Eine Ausstellung würdigt ihn jetzt.

Eine Frau und drei Männer stehen vor einer Bilderwand
Im Stadtmuseum in der Schwanenstraße stellten Ina Stirm vom Stadtgeschichtlichen Institut, Claus Seifried, Adalbert Metzinger und Wolfgang Jokerst die Ausstellung vor. Foto: Wilfried Lienhard

Der Titel der Ausstellung lautet schlicht: „Jahre in der Kriegsgefangenschaft – Zeichnungen und Objekte von Otto Seifried“. Das Leiden, der jahrelange tägliche Kampf ums Überleben lassen sich ebenso nur erahnen wie die lebenslangen Folgen der Gefangenschaft. Doch schon bei den ersten Blicken in die Ausstellung steht plastisch vor Augen, was die Kriegsgefangenschaft bedeutete. „Das übersteigt heute unsere Vorstellungskraft“, sagte der Bühler Bürgermeister Wolfgang Jokerst bei einem Pressegespräch im Vorfeld der Ausstellung, die am Sonntag, 15. Oktober, um 14 Uhr im Stadtmuseum eröffnet wird und bis zum 26. November dauert.

Die Ausstellung präsentiert Erinnerungen mehrerer Männer, die je nach US-amerikanischer, englischer oder russischer Kriegsgefangenschaft ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben. Im Mittelpunkt stehen aber die Zeichnungen von Otto Seifried. Der Sohn eines Bühler Tapezierer- und Polsterermeisters hatte nach der Schulzeit eine Lehre in einem Architekturbüro begonnen, die er 1933 abbrechen musste: Der Inhaber war Jude.

Werbeleiter bei Sans Soucis in Bühl

Im Zweiten Weltkrieg gerät Seifried 1944 in russische Gefangenschaft. Erst 1955, nach elfeinhalb Jahren unter teils brutalen Bedingungen, kommt er frei. Zunächst lebt er in seiner Geburtsstadt Düsseldorf, ehe er aus beruflichen Gründen zurück ins Badische zieht: Er wird Werbeleiter der damals noch in Bühl ansässigen Kosmetikfirma Sans Soucis. Die Familie wohnt erst in Bühl, dann in Steinbach und schließlich im Sinzheimer Ortsteil Winden.

Zeichnung eines Soldaten, der mit Gewehr auf Gefangene zielt.
Im Lager und nach seiner Rückkehr hat Otto Seifried in vielen Zeichnungen das Leid in den sibirischen Kriegsgefangenenlagern festgehalten. Foto: Stadtgeschichtliches Institut

Einige der Zeichnungen in der Bühler Ausstellungen stammen aus der Zeit im Lager. Sein Vater habe sie im doppelten Boden eines Koffers aus dem Lager hinausgeschmuggelt, sagt Claus Seifried. Die Ausstellung hätte seinen Eltern gefallen, seine Mutter habe jahrzehntelang auf eine solche gehofft.

Dass es nun dazu kommt, ist auf einen Artikel des Badischen Tagblatts aus dem Jahr 1985 zurückzuführen. Erika Schappeler-Honnef berichtet darin über das Schicksal von Otto Seifried. Der Artikel wird 14 Jahre später zur Grundlage eines Beitrags im Sinzheimer Heimatbuch „Der Fremersberger 2“. Adalbert Metzinger, der über Schicksale im Nationalsozialismus forscht, stößt dort auf ihn, nachdem er für Recherchen über einen im Dritten Reich inhaftierten Sinzheimer Kontakt zu Alois Huck aufgenommen hatte, unter dessen Regie das Jahrbuch maßgeblich entstanden war. Metzinger nahm Verbindung mit Claus Seifried auf und stellte den Kontakt zum Stadtgeschichtlichen Institut her.

Elf Millionen Einzelschicksale

Am Ende dieses Weges steht nun eine Ausstellung im Stadtmuseum. Wolfgang Jokerst ist davon enorm beeindruckt, und das in gleich mehrfacher Hinsicht. Sie zeige aussagekräftige Objekte, auch Briefe, die das Leid der Kriegsgefangenen dokumentieren. Absolut überrascht sei er von der künstlerischen Arbeit: „Das sind Zeichnungen von höchster Qualität.“ Heute lebe von den Kriegsgefangenen kaum noch jemand, weshalb es umso wichtiger sei, solche Zeugnisse zu haben. Sie gäben die Gelegenheit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Es gehe darum, die Menschen, die ein solches Schicksal erlitten hätten, aus der Anonymität zu holen: „Es gab allein elf Millionen deutsche Kriegsgefangene. Hinter jedem Einzelnen steht ein schlimmes Schicksal.“

Das ist eine Ausstellung, die unter die Haut geht.
Wolfgang Jokerst
Bühler Bürgermeister

Jokerst hofft, dass viele Schülerinnen und Schüler die Ausstellung besuchen. „Gerade für junge Leute ist es wichtig zu wissen, dass das Leiden nach dem Ende der Kriegsgefangenschaft nicht aufhörte. Viele waren körperlich erkrankt und psychisch angeschlagen zurückgekommen“, sagte Wolfgang Jokerst.

Otto Seifried ist ein Beispiel dafür. Die Zeit in den Lagern habe ihn bis in seine Träume verfolgt, er habe an Depressionen gelitten, sagt Sohn Claus. Sein Tod 1963, gerade mal 46-jährig, sei eine Folge von Krieg und Gefangenschaft gewesen. Die jahrelange Mangelernährung habe zu mehreren schweren Krankheiten geführt. Über das russische Volk habe er aber immer gut gesprochen, weiß Claus Seifried von seiner Mutter. Eine Ärztin etwa habe ihm mehrfach Vitaminpräparate in die Zelle gereicht.

Seifrieds Zeichnungen in Verbindung mit seinem Lebensweg machen verständlich, was Jokerst abschließend sagt: „Das ist eine großartige und wichtige Ausstellung, die unter die Haut geht, und deshalb wünsche ich ihr viele Besucher“.

Öffnungszeiten

Das Stadtmuseum ist geöffnet dienstags von 9 bis 13 Uhr, donnerstags und sonntags jeweils von 14 bis 18 Uhr.

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