Schaeffler kämpft am Standort Bühl mit einer doppelten Transformation. Der größte Arbeitgeber der Stadt muss nicht nur den Wandel vom Verbrennungsmotor zur E-Mobilität schaffen. Für interne Kontroversen zwischen Mitarbeitern und Firmenleitung sorgt außerdem der Wechsel von der tariflosen Zeit zu einem tarifgebundenen Unternehmen.
Dieser wird schrittweise über mehrere Jahre vollzogen. Ein neues Eckpunktepapier, auf das sich Geschäftsführung und Arbeitnehmervertretung jetzt verständigt haben, hat beide Parteien offensichtlich ein großes Stück weitergebracht.
An einer internen Informationsveranstaltung am Donnerstagnachmittag im Werk Bußmatten nahmen 500 bis 600 Mitarbeiter teil. Die Betriebsversammlung wurde gleichzeitig auf zwölf Leinwände und Bildschirme im Unternehmen und damit auch in die Werke in Sasbach und Kappelrodeck übertragen.
Unternehmensleitung und Betriebsrat in Bühl ziehen Bilanz
Aus dem Homeoffice schalteten sich weitere Mitarbeiter zu. Am Freitag zogen Jochen Schröder, Leiter des Unternehmensbereichs E-Mobilität, und der Betriebsratsvorsitzende Werner Schmitt im gemeinsamen Gespräch mit dieser Redaktion Bilanz und wirkten dabei zufrieden.
Schmitt wirkte erleichtert. „Im Vorfeld der Infoveranstaltung war ein Flyer im Werk unterwegs, in dem das Eckpunktepapier hart kritisiert wurde“, berichtet er. „Einer der Autoren dieses Flyers hat das Papier dann in der Versammlung ausdrücklich gelobt. Und am Ende der Veranstaltung gab es Beifall.“ Schröder bestätigt diesen Eindruck und spricht von „Aufbruchstimmung“.
Die Verhandlungen waren schwierig, aber auf Augenhöhe.Werner Schmitt, Betriebsratsvorsitzender
Zwei Monate lang haben Unternehmensleitung und Arbeitnehmervertretung gegen Ende des vergangenen Jahres über das Eckpunktepapier verhandelt. „Die Verhandlungen waren schwierig, aber auf Augenhöhe und immer von gegenseitiger Wertschätzung geprägt“, meint Schmitt.
„Natürlich hätten wir gerne mehr rausgeholt. Aber was wir erreicht haben, ist ein Meilenstein und lässt mich positiv in die Zukunft blicken.“ Schröder betont den „konstruktiven und offenen Dialog“. „Das heißt nicht, dass wir in allen Punkten einig waren, aber wir haben Lösungen gefunden“, konstatiert er.
Wir brauchen eine Kultur der Leistungsbereitschaft und Zusammenarbeit.Jochen Schröder, Chef E-Mobilität
Die sehen folgendermaßen aus: Schröder betont, dass der Standort Bühl gegenüber der internationalen Konkurrenz wettbewerbsfähig bleiben muss. Deshalb wünscht er sich mehr Flexibilität. „Wir stecken in einer tiefgreifenden Krise und es gibt aktuell viele Unsicherheiten“, stellt er fest.
Er nennt zwei Beispiele: „Wie nehmen die Kunden die neuen E-Modelle an? Wie geht es mit der Infrastruktur der Ladesäulen weiter?“ Deshalb brauche man in Bühl eine „Kultur der Leistungsbereitschaft und Zusammenarbeit“. Konkret geht es um eine Flexibilisierung von Zeitkonten und Mehrschicht.
Jobgarantie ist mit einem Fragezeichen versehen
Im Gegenzug zur größeren Flexibilität gibt es, wie Schmitt berichtet, im Eckpunktepapier eine Jobgarantie. Die ist allerdings mit einem Fragezeichen versehen. Schröder betont, dass die Beschäftigungsgarantie zeitlich nicht konkretisiert wurde und vom Erfolg der E-Mobilität abhängig sei. „Wir streben nach neuen Aufträgen und gehen davon aus, dass wir die auch bekommen werden“, ergänzt er.
Pressesprecherin Annett Fischer verweist auf zusätzliche Investitionen des Unternehmens in Höhe von rund 24 Millionen Euro in Maschinen und Anlagen für die Fertigung neuer Produkte. „Die Anlagen werden zum großen Teil so gestaltet, dass sie flexibel auch für andere Produkte angepasst und am Standort Bühl genutzt werden können“, sagt sie. „Zudem prüft das Unternehmen, weitere Produkte wirtschaftlich am Standort zu fertigen.“
Ein wesentlicher Punkt des Eckpunktepapiers ist das Ende des Prämienstreits, der – wie Schröder erklärt – noch aus der vortariflichen Zeit datiert und inzwischen vor Gericht gelandet ist. „Die Erwartungshaltung in Sachen Prämien hängt auch mit einer schwammigen Formulierung in einer Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2018 zusammen“, bedauert Schmitt. Auch er habe darauf vertraut.
Nach einer Rechtsberatung hat der Betriebsrat seine juristischen Schritte jetzt gestoppt. Stattdessen gibt es für jeden Mitarbeiter eine Sonderzahlung in Höhe von 1.000 Euro, die in zwei Raten ausgezahlt wird. Die Reklamationen von Mitarbeitenden rund um das im Zusammenhang mit der Tarifbindung verbundene ERA-Entgeltsystem sollen ebenfalls zügig abgearbeitet werden.
Weil der Übergang in den Tarifvertrag bei Schaeffler nicht in einem Schritt, sondern stufenweise über mehrere Jahre vollzogen wird, klagt eine Reihe von Mitarbeitern über Einkommenseinbußen.