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60-seitige Broschüre

PFAS in Mittelbaden: Was der Stand der Dinge ist

Die Verseuchung von Boden und Wasser mit Chemikalien der Gruppe PFAS beschäftigt Mittelbaden seit mehr als zehn Jahren. Eine Broschüre gibt einen aktuellen Überblick.

Titelbild einer Broschüre zur PFAS-Problematik in Mittelbaden
60 Seiten umfasst die von Patricia Klatt im Auftrag des Landratsamts Rastatt erarbeitete PFAS-Broschüre. Foto: Patricia Klatt

Die Broschüre „PFAS in Mittelbaden. Auf der Suche nach Lösungen“ ist mittlerweile mehr als 1.000 Mal heruntergeladen worden. Das von der Biologin und Wissenschaftsjournalistin Patricia Klatt verfasste Kompendium ist seit etwa vier Wochen online. Das ist bereits ein Fünftel der Downloads der vor zwei Jahren veröffentlichten Vorgängerversion.

Nachdem fünf europäische Länder Anfang des Jahres bei der Europäischen Chemikalienagentur in Helsinki einen Vorschlag eingereicht haben, der die Herstellung und Verwendung der mehr als 12.000 PFAS beschränken und nur noch für notwendige Bereiche erlauben soll, wird heftig und kontrovers diskutiert. Die Broschüre zum „Rastatt Case“, wie der mittelbadische Umweltskandal international firmiert, liefert da wertvolle Fakten.

Dass die Broschüre nur online verfügbar ist, ist nur auf den ersten Blick ein Manko. Das Thema ist zu komplex, um es auf 60 Seiten umfassend darzustellen. Deshalb hat die Autorin an vielen Stellen des Texts zu weiteren Informationen verlinkt, etwa zu internationalen Studien und zu Veröffentlichungen deutscher Behörden. Gedruckt bräuchte es da vermutlich eine Bibliothek.

Wie umfassend die PFAS (die international gültige Bezeichnung hat mittlerweile auch in Deutschland PFC abgelöst) in die Umwelt und damit das Leben eingesickert sind, zeigt schon ein rascher Blick in das Inhaltsverzeichnis. Grundwasser, Trinkwasser, Oberflächenwasser und Boden sind betroffen. Die Folgen spüren Landwirte, Jäger, Angler – und natürlich die Konsumenten. PFAS finden sich beispielsweise in landwirtschaftlichen Produkten, in Wild und Fischen.

Steter Blick auf PFAS in Mittelbaden

Nicht nur der Fischverzehr bringt den Menschen damit in Kontakt. In Dänemark, hat Klatt ermittelt, sind in Eigelben aus Hühnerfarmen hohe PFAS-Konzentrationen festgestellt worden. Fischmehl wird in Futtermitteln verwendet, was die hohen Werte erklären könnte. Sicher belegt ist es nicht, doch jedenfalls hat ein dänischer Verband die Verwendung von Fischmehl beendet. Zur Vollständigkeit: „In Baden-Württemberg liegen bislang keine eigenen Erkenntnisse vor, die auf eine erhöhte Kontamination von Eiern mit PFAS-Verbindungen hindeuten“, heißt es in der Broschüre.

Patricia Klatt referiert auf breiter Basis den aktuellen Wissensstand, und zwar global, aber immer mit einem besonderen Blick auf die Frage, wie sich ein bestimmter Aspekt auf die mittelbadische Region auswirkt. Dabei ist der „Rastatt Case“ nur einer von 1.500 in ganz Deutschland, europaweit sind es an die 17.000.

Papierschlämme eine wesentliche PFAS-Ursache

Das wirft natürlich die Frage nach dem Verursacher auf. Die Antwort: Es gibt mehr als einen Grund für die PFAS-Verseuchung von Wasser und Boden. In Mittelbaden laufen Schadensersatzklagen gegen einen Komposthändler, dessen Produkte Papierschlämme enthielten. Diesen Papierschlämmen und damit Papierfirmen weist das europaweite Forever Pollution Project eine grundsätzliche Beteiligung an der PFAS-Belastung von Boden und Wasser zu.

Das belege auch ein Arbeitspapier der EU-Kommission, in dem es heißt: „Wichtige Quellen von PFAS-Emissionen sind die wichtigsten Hersteller von Fluorchemikalien und/oder Fluorpolymeren sowie Karton- und Papierfabriken, die mit PFAS beschichtetes Papier für eine Vielzahl von Anwendungen herstellen“. 

Doch sind diese Chemikalien auch in einer Vielzahl anderer Produkte enthalten. Fast scheint es, als könne die Menschheit nicht mehr ohne PFAS auskommen. Doch das scheint eben nur so, wie Klatt in ihrer im Auftrag des Landratsamts Rastatt entstandenen Broschüre deutlich macht. Sie verlinkt mehrere Plattformen, die Firmen auflisten, die bei ihren Produkten auf PFAS verzichten.

Detaillierte Chronik des „Rastatt Case“

Die Broschüre zeichnet nicht allein den Stand der Forschung nach und beschreibt detailliert die Situation zwischen Bühl und Rastatt, wo 1.105 Hektar Boden und 180 Millionen Kubikmeter des Grundwassers belastet sind. Sie benennt auch Forderungen und Schlüsse aus dem Desaster und schlägt interessierten Lesern eine Bresche durch das einen Laien überfordernde Dickicht an weltweiten Informationen.

Dazu kommt eine chronologische Darstellung des mittelbadischen Umweltskandals. Dass diese trotz der sehr komprimierten Beschreibung vier Seiten umfasst, zeigt das ganze Ausmaß des Geschehens auf. Wie lange das aktuell bleibt, ist eine Frage, die sich nicht beantworten lässt. Ganz so, wie Klatt am Anfang zur Dauer der PFAS-Belastung in Mittelbaden schreibt: „Gute Frage, nächste Frage“.

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