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Was tut das Regierungspräsidium?

Chaos mit Ansage: Lage an der Sicherheitskontrolle des Baden-Airparks ist mehr als angespannt

Immer mehr Flüge, immer mehr Passagiere und immer weniger Personal: Die Situation am Koffer- und Passagiercheck des Baden-Airparks hat sich nicht entspannt

Wie lang müssen Passagiere warten? Diese Woche beginnen in Baden-Württemberg die Sommerferien. Flughäfen bereiten sich deshalb auf mehr Betrieb vor.
Passagiere warten auf ihre Abfertigung. Bald beginnen in Baden-Württemberg die Sommerferien. Dann könnte es an der Sicherheitsabfertigung wieder zu langen Schlangen kommen. Foto: Christoph Schmidt/dpa

Renate K. hasst ihren Traumjob. „Eigentlich hatte ich einen tollen Beruf, aber unter diesen Umständen ist er furchtbar“, klagt die Luftsicherheitsassistentin am Baden-Airpark.

Renate ist dort für die Sicherheitsabfertigung der Passagiere und des Gepäcks verantwortlich. Sie macht diese Arbeit schon seit mehreren Jahren. Doch inzwischen setzen ihr die Zustände am Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden (FKB) derart zu, dass sie um ihre Gesundheit fürchtet. „Es ist immer schlimmer und schlimmer geworden“, klagt sie.

Passagiere müssen am Boden bleiben

Das Problem ist lange bekannt: Immer mehr Menschen für immer mehr Maschinen müssen von immer weniger Personal abgefertigt werden. Die Schlangen werden länger, die Zeit drängt, die Passagiere werden ungeduldig und der Druck auf Renate und ihre Kolleginnen und Kollegen wächst.

Im schlimmsten Fall können die Flugzeuge nicht warten und heben ohne Passagiere wieder ab. Und das, obwohl diese ein gültiges Ticket haben und rechtzeitig zum Check-In am Flughafen gekommen sind.

Nach solchen Vorfällen kam es im vergangenen Jahr schon mehrfach zu Chaos und Tumulten in der Abflughalle des Baden-Airparks. Mehr als einmal musste die Polizei anrücken, um aufgebrachte Passagiere zu beruhigen. Der Frust entlädt sich an den Mitarbeitern des FKB.

Regierungspräsidium Stuttgart ist zuständig

Doch die sind für die Kontrollen gar nicht zuständig. Weil es sich um eine wichtige, sicherheitsrelevante Aufgabe handelt, liegt sie in staatlicher Hand. Im Fall des Baden-Airparks ist das Regierungspräsidium Stuttgart (RPS) federführend. Die Behörde wiederum hat ein privates Sicherheitsunternehmen, die Unternehmensgruppe ESA aus Berlin, mit der Aufgabe betraut.

Mit dem Dienstleister hat es in der Vergangenheit immer wieder Probleme gegeben. Der Höhepunkt bislang: Im August 2021 mussten 130 Passagiere am Boden bleiben, weil sie nicht rechtzeitig abgefertigt werden konnten. Außergewöhnlich viele Kontrolleure und Kontrolleurinnen hatten sich an diesem Tag krankgemeldet.

Unternehmen verhängt Maulkorb

Seitdem habe sich an der Situation nicht wirklich etwas verbessert, berichtet Renate. Im Gegenteil: „Der Ton ist noch sehr viel rauer geworden. Die Chefs haben verboten, dass wir uns in der Öffentlichkeit äußern.“ Renate tut es trotzdem, aber es ist ihr wichtig, dass sie dabei anonym bleiben kann.

Özay Tarim hat dagegen überhaupt kein Problem, mit vollem Namen in die Öffentlichkeit zu gehen. Es ist sein Job. Als Gewerkschaftssekretär bei verdi ist er eigentlich für die Beschäftigten an den nordrhein-westfälischen Flughäfen zuständig. Die Firma, bei der Renate angestellt ist, ist für ihn keine Unbekannte. „Die ESA ist außer am FKB unter anderem auch in Erfurt, Weeze und Friedrichshafen für die Sicherheitskontrolle zuständig“, sagt er. Auch dort, habe es in der Vergangenheit immer wieder Probleme gegeben.

Löhne zu spät gezahlt – Vorwürfe an das Regierungspräsidium

Zum Beispiel wegen zu spät überwiesener Löhne. „Der Lohn für Mai wurde sechs Tage später überwiesen als vereinbart“, sagt Özay Tarim. Das war auch am FKB der Fall. In einem Schreiben an alle Mitarbeitenden (es liegt der Redaktion vor) schiebt die ESA die Schuld auf das Regierungspräsidium Stuttgart. Dieses habe die Rechnungen an die ESA nicht fristgerecht bezahlt.

In Stuttgart weist man die Vorwürfe entscheiden zurück. „Die Rechnungen wurden vollständig und fristgerecht bezahlt“, heißt es auf Nachfrage unserer Redaktion. Wegen der Probleme an den Sicherheitsschleusen sei man mit dem Dienstleister im täglichen Austausch. Man habe immer wieder „vielschichtige Maßnahmen“ ergriffen, um der Personalnot an den Sicherheitsschleusen zu begegnen. „Es wurde beispielsweise Personal von anderen Standorten herangezogen. Zudem werden vermehrt Schulungen und kurzfristige Prüfungstermine angeboten“, heißt es weiter.

Die Verstärkungsteams seien allerdings ein Tropfen auf den heißen Stein, findet Renate. Sie seien zwar in den Dienstplänen eingetragen, tauchten aber faktisch nie oder nur selten auf. Die enorm große Arbeitsbelastung der Stammkräfte führe zu extrem vielen Krankmeldungen. An manchen Tagen fielen über 20 der insgesamt rund 70 Kolleginnen und Kollegen aus.

Defektes Röntgengerät verursacht Staus am Band des Baden-Airparks

Und noch ein anderes Problem treibt sie und ihre Kollegen und Kolleginnen um: Das Röntgengerät, das zur Kontrolle der Koffer nach dem Check-In eingesetzt wird, falle immer wieder aus. „Dadurch kommt es zu Staus am Band. Wir müssen die Gepäckstücke dann oft anheben und versetzen, was körperlich sehr anstrengend ist.“

Die Flughafenleitung weiß um die Probleme, verweist aber auf das RP, das in diesem Fall für das Gerät zuständig sei. Von dort heißt es: „Der FKB war einer der ersten Flughäfen bundesweit, der ein solches Gerät verwendet. Die aufgrund der technischen Fertigkeit des Gerätes phasenweise auftretenden Schwierigkeiten sind bekannt.“

Was dagegen unternommen wird? „Das Land, vertreten durch das Regierungspräsidium Stuttgart, hat eine 24h-Servicehotline beauftragt, sodass auch ein Techniker schnellstmöglich vor Ort kommen kann, um eventuelle Probleme zu beheben.“

Was passiert am Ferienbeginn in Baden-Württemberg?

Wenn am 27. Juli in Baden-Württemberg die Sommerferien beginnen, scheint das Chaos vorprogrammiert. Im RP gibt man sich allerdings betont gelassen. Man habe den Personalbedarf für den nächsten Monat nach dem entsprechenden Flugplan ermittelt und wöchentlich konkretisiert, heißt es. Es fänden engmaschige Kontrollen statt, um zu überprüfen, ob der Dienstleister die Anforderungen auch erfüllt.

Das ist ein öffentlicher Auftrag und der beauftragte Dienstleister darf seine Angestellten nicht wie Taglöhner behandeln.
Özay Tarim
verdi-Gewerkschaftssekretär

Von der ESA selbst war, trotz mehrfacher Anfrage, keine Stellungnahme zu den Vorwürfen zu erhalten. Özay Tarim kennt das schon. Er sieht aber auch die Auftraggeber in der Pflicht. Gerade im Fall der verspäteten Lohnzahlungen müsse die Behörde mehr unternehmen.

„Das ist ein öffentlicher Auftrag und der beauftragte Dienstleister darf seine Angestellten nicht wie Taglöhner behandeln“, sagt er. Zumal die Luftsicherheitsassistenten und -assistentinnen einen enorm wichtigen Beitrag zur Sicherheit aller Menschen am Boden und in der Luft leisteten.

Gab es eine ordentliche Ausschreibung?

Wie die ESA im Fall des FKB überhaupt an den Auftrag des Landes kam, ist noch eine andere Geschichte. Vergeben wurde der Auftrag nach einer Ausschreibung eigentlich an die Vorgängerfirma, die es aber nicht mehr gibt. „Der Rechtsvorgänger erhielt den Zuschlag. Es ging ein Vergabeverfahren voraus“, bestätigt das RP. Die Firma sei im Vorfeld „selbstverständlich“ überprüft worden, heißt es. Allerdings ist nicht ganz klar, welche Firma gemeint ist. Der Rechtsvorgänger der ESA oder die ESA selbst.

Um den Dienstleister zu wechseln, bedarf es einer neuen Ausschreibung. Die könnte schon bald bevorstehen. „Ein genauer Zeitpunkt ist noch nicht festgelegt. Voraussichtlich wird dies 2023 oder 2024 der Fall sein“, sagt das RP.

Bis dahin wird sich für die Passagiere am Baden-Airpark also vorerst nicht viel ändern. Ihnen bleibt nur, den Rat des Flughafenbetreibers zu beherzigen und sich gerade in der Ferienzeit mehr als rechtzeitig vor Abflug am Airport einzufinden.

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