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Fußball-Trainer im Wartestand

Ex-Hoffenheimer Wildersinn hofft auf baldige Rückkehr in den Traumjob

Sieben Jahre lang war der aus dem Rastatter Stadtteil Wintersdorf stammende Marco Wildersinn in der TSG-Akademie des Fußball-Bundesligisten Hoffenheim beschäftigt, die meiste Zeit davon als Cheftrainer der U23. Im Oktober kam das überraschende Ende des Engagements. Seither ist Wildersinn ein Trainer im Wartestand, der sich seine Gedanken über das Dasein im Profigeschäft macht.

VfB Stuttgart II - TSG 1899 Hoffenheim II Deutschland, Stuttgart, 14.04.2019, Fussball, Regionalliga Südwest, Saison 2018/2019, VfB Stuttgart II - TSG 1899 Hoffenheim II: Marco Wildersinn (Trainer TSG 1899 Hoffenheim II).
Engagement an der Seitenlinie: Lange gab Marco Wildersinn bei der U23 der TSG 1899 Hoffenheim die Richtung vor, mittlerweile muss er sich neu orientieren. Foto: Robin Rudel/imago images

Marco Wildersinn hat in diesen Tagen viel Zeit für seine Familie. Das weiß er zu schätzen. Dennoch fehlt dem Wintersdorfer, der in Karlsruhe wohnt, etwas ganz Entscheidendes, und zwar die tägliche Arbeit mit einer Fußball-Mannschaft.

Sieben Jahre lang war die TSG-Akademie des Bundesligisten Hoffenheim in Zuzenhausen die Anlaufstation Wildersinns, dessen Laufbahn als Spieler einst beim FC Rastatt 04 begann. Weitere Stationen waren die Amateure des Karlsruher SC, der 1. FC Pforzheim, die Stuttgarter Kickers und der FC Nöttingen.

Vom Spieler zum Trainer

Nach dem Karriereende blieb der Sportwissenschaftler dem Fußball eng verbunden. Zunächst als Coach im Nachwuchs-Leistungszentrum des Karlsruher SC, dann ab 2013 in Hoffenheim als Co-Trainer der TSG II an. 2014 stieg der Fußball-Lehrer, der seine Ausbildung mit der Traumnote 1,0 abgeschlossen hat, zum Cheftrainer des Regionalliga-Teams der TSG auf.

Der dritte Platz in der Saison 2015/16 war dabei die beste Platzierung mit der U23, die aufgrund der großen Fluktuation Jahr für Jahr neuformiert werden musste. 2019 verlängerte er seinen Vertrag in Hoffenheim um drei Jahre und alles schien seinen Weg zu gehen.

Ende des Engagements nach 210 Spielen an der Seitenlinie

Dann machte Wildersinn in der laufenden Runde aber eine Erfahrung, die er mit vielen Kollegen teilt: Wenn’s nicht wunschgemäß läuft, muss der Trainer gehen. So geschehen Anfang Oktober 2020. Nach der 0:2-Niederlage beim damaligen Tabellenzweiten TSV Steinbach Haiger trennten sich die Hoffenheimer von ihrem U23-Coach. Vier Punkte aus sieben Spielen waren den TSG-Verantwortlichen zu wenig. Nach insgesamt 210 Partien an der Seitenlinie wurde Wildersinn durch Kai Herdling ersetzt.

„Marco hat in den vergangenen sieben Jahren in einer anspruchsvollen Position einen außerordentlichen Job gemacht“, wurde Marcus Mann, der Leiter der TSG-Akademie auf der Hoffenheimer Internet-Seite zitiert. An der Entscheidung, Wildersinn von seinen Aufgaben zu entbinden, änderte die positive Einschätzung aber nichts.

Dass es auch unter Nachfolger Herdling bei der TSG II nicht optimal läuft, verfolgt Wildersinn aus der Ferne ohne Schadenfreude. „Mir war klar, dass die Saison schwierig und die Aufgabe sehr komplex werden würde. Die Probleme, die wir am Anfang hatten, waren kein Zufall. Wir waren aber auf dem besten Weg, uns in sichere Tabellenregionen vorzuarbeiten. Das Potenzial ist definitiv vorhanden.“

In stetigem Austausch mit den Kollegen

Was macht ein Fußball-Trainer, der selbst ohne Verein ist? „Normalerweise wäre ich sicherlich oft live im Stadion und würde bei Trainerkollegen hospitieren. Da das aktuell aber keine Option ist, analysiere ich zu Hause sehr viele Spiele am Laptop. Dadurch habe ich einen guten Überblick und kann mir ein Bild über die Qualität von Mannschaften und von einzelnen Spielern machen.“

Und: „Darüber hinaus lese ich viel zum Thema Fußball beziehungsweise zu meiner Arbeit und halte mich über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden. Auch der Blick auf die Szene und der permanente Austausch mit den Leuten, die sich darin bewegen, ist unablässig. Wenn sich die passende Möglichkeit bietet, dann bin ich bereit.“

Ich weiß, was ich kann, und hoffe, dass ich es bald wieder zeigen darf.
Marco Wildersinn, Fußball-Lehrer

Trotz des abrupten Endes in Hoffenheim plagen den derzeit beschäftigungslosen Trainer keine Selbstzweifel: „Ich weiß, was ich kann, und hoffe, dass ich es bald wieder zeigen darf. Es ist aber richtig, dass ich momentan die Zeit habe, über einiges in Ruhe nachzudenken. Das bezieht sich aber hauptsächlich auf inhaltliche Dinge. Wie gehe ich meine nächste Aufgabe an? Welchen Fußball möchte ich spielen lassen? Wofür will ich beziehungsweise soll meine Mannschaft stehen?“

Wildersinn ist zuversichtlich, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis sich eine neue Chance für ihn auftut. „Ja, es gibt Angebote“, verrät er. „Mein Netzwerk ist recht groß und deshalb spreche ich mit vielen Leuten, die viele gute Ideen haben.“

Blick zurück ohne Groll

Der Coach blickt in erster Linie nach vorne. Wenn er an seine Hoffenheimer Zeit zurückdenkt, dann ohne Groll: „Ich bin sehr dankbar und stolz, so viele Jahre die höchste Ausbildungsmannschaft der TSG geführt und somit meinen Anteil an der tollen Nachwuchsarbeit der TSG geleistet zu haben. Viele Spieler, die ich trainieren durfte, haben den Sprung in den Profibereich geschafft.“ Vincenzo Grifo beispielsweise, mittlerweile beim SC Freiburg aktiv, war einer seiner ehemaligen Schützlinge.

„Ich habe mir in dieser Zeit viel erarbeitet, vieles mitgenommen und konnte mich zum top-ausgebildeten Trainer entwickeln. Bei der engen Zusammenarbeit mit den Cheftrainern Markus Gisdol, Huub Stevens, Julian Nagelsmann und Alfred Schreuder habe ich viele interessante Einblicke in die Arbeit mit einer Bundesliga-Mannschaft erhalten, die ich für meinen weiteren Weg nutzen kann. Es war eine durchweg schöne und erfolgreiche Zeit, die ich nicht missen möchte“, sagt Wildersinn.

Trainer aus Leidenschaft

Auch wenn er gerade die Schattenseiten des Geschäfts kennenlernt, bezeichnet er das Traineramt im Profibereich als Traumjob. Wildersinn: „Trainer zu sein, ist meine Leidenschaft. Ich möchte mit den besten Spielern arbeiten und mich mit den besten Mannschaften messen können.“

Er konkretisiert diese Aussage: „Der Trainerberuf ist sehr facettenreich und wird niemals langweilig. Ich habe gern ein Trainerteam um mich herum, mit dem ich mich über alle möglichen Themen austauschen kann. Gemeinsam mit den Spielern zu arbeiten, eine tolle Mannschaft zu formen, ihr einen Spielstil zu vermitteln und an diesem immer weiter zu feilen, ist eine wunderbare Aufgabe. Je höher das Niveau, desto schneller und dynamischer wird das Spiel und desto interessanter werden natürlich auch alle Themen drum herum. Das ist anspruchsvoll, aber unglaublich reizvoll.“

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