Skip to main content

Kontakt zum Förderverein in Gernsbach

Musiklehrer aus Lemberg: „Haben Angst, es herrscht aber keine Panik“

Der ukrainische Musiklehrer Jaroslav Chimka pflegt enge Kontakte zum Förderverein Lemberghilfe und zum DRK Gernsbach. Wie ist die Lage in seiner Heimatstadt?

Selfie eines Mannes draußen im Winter
Musiklehrer Jaroslav Chimka lebt in Lemberg. Seit 30 Jahren hält er Kontakt nach Gernsbach. Foto: Jaroslav Chimka

„Die Menschen haben Angst, aber es herrscht keine Panik.“ Diese Feststellung trifft der Lemberger (Lviv) Musiklehrer Jaroslav Chimka ganz nüchtern und ohne Besorgnis in der Stimme. Gleichwohl habe auch er Vorkehrungen getroffen, um seine Frau Oksana und seine körperbehinderte Tochter gleichen Namens sowie sich selbst zu schützen.

Es ist fast 30 Jahre her, dass der Lehrer aus der Ukraine auf Einladung des Fördervereins Lemberghilfe mit seinem Kinderchor in Gernsbacher weilte. Auch in der Folge blieb er für den Verein und den DRK-Ortsverein im Rahmen humanitärer Hilfe eine wertvolle Stütze.

Seine Aufenthalte in Deutschland förderten seinen Einsatz für Demokratie und Freiheit in seinem Heimatland. „Auch ich habe damals auf dem Maidan-Platz in Kiew demonstriert“, betont der 63-jährige Vater zweier Töchter und Enkelkinder nicht ohne Stolz.

Fassungslosigkeit über die Invasion Russlands

Noch immer schwingt bei ihm im Gespräch jene Fassungslosigkeit und tiefe Betroffenheit mit, die der Einmarsch der russischen Truppen am Donnerstag in sein Land in ihm auslöste.

Erste Gespräche über die Ereignisse in jener Nacht und die einschüchternden Explosionen in der Nähe seiner Heimatstadt waren bei unmittelbar darauffolgenden Telefonaten nicht möglich. Am dritten Kriegstag erzählte der 63-Jährige, dass sich viele alte Menschen an den Zweiten Weltkrieg erinnert fühlten.

Das Entsetzten über diese kriegerische Aggression ist in der Zwischenzeit einem hektischen Pragmatismus gewichen. Danach gefragt erzählt der Lemberger, dass die Menschen sich ein bisschen beruhigt und sich untereinander solidarisiert haben. Es herrsche keine Panik.

Lemberger hat Keller für den Ernstfall präpariert

Außerdem habe seine Frau den Keller unter der Garage aufgeräumt, um darin Schutz suchen zu können. Die Lebensmittelvorräte wurden aufgestockt. Noch ist die Versorgungslage gut. Es gibt Strom und Wasser, ebenso Gas. Ab und zu ist das Telefon gestört. Der Lehrer ist sich aber auch im Klaren darüber, dass sich dies jederzeit und schnell ändern kann.

Mit den Nachbarn sei man im ständigen Gespräch. Die in Rastatt lebende Ukrainerin Olga, deren vollen Namen wir aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlichen, erzählt, dass ein Telefonat mit ihrer Schwester Romana kaum möglich sei, weil diese befürchte, abgehört zu werden.

Die Verbundenheit mit den Geflüchteten, die derzeit die westukrainische Metropole fluten, ist ebenfalls groß. Sie sind untergebracht in Schulen und Kindergärten. Der Unterricht und die Kinderbetreuung sind ausgesetzt. Für die allermeisten Menschen ist Lviv aufgrund seiner günstigen Lage zur Europäischen Union, Ungarn und Slowakei eine Zwischenstation. Das sichere Polen ist nur 80 Kilometer von der Stadt entfernt.

Krieg in der Ukraine: Menschen fliehen nach Lemberg

Noch haben die Kriegshandlungen die Stadt nicht erreicht. Doch zermürbende zwei- bis dreimal pro Tag und der Nacht heulen die Sirenen. Auch russische Kampfjets wurden schon über dem Stadtgebiet gesichtet. In den Straßen patrouillieren Sicherheitsdienste, um russische Separatisten ausfindig zu machen. Es werden Anschläge befürchtet. Frustriert erzählt der Musik- und Deutschlehrer davon, dass die Russen Kindergärten und Schulen beschießen würden und dies den Ukrainern in die Schuhe schieben würden.

Die Lage ist unübersichtlich und die Gefühle fahren Achterbahn. Chimka berichtet von einem ständigen Schwanken zwischen Hoffnung und Angst. In der Zwischenzeit dürfen Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren das Land nicht mehr verlassen.

Er sei nicht davon betroffen, jedoch sein jüngerer Bruder Wolodja und der Sohn seiner Schwester Tymko. Sie müssen bleiben. Eine Einberufung habe sie aber noch nicht erreicht. Er habe sich ebenfalls fürs Bleiben entschieden. Der Vater ist mehr als 90 und die Mutter über 80 Jahre alt. Schwester und Schwager, beide Ärzte, leben ebenfalls in Lviv.

Von schrecklichen Tagen für sie und ihre beiden elf- und achtjährigen Kinder, berichtet die in Wien wohnende Tochter Natalya Hampl. Sie erzählt von schlaflosen Nächten und großer Sorge um die in der Ukraine lebenden Freunde und Familienmitglieder. Aus dem Kiewer Gebiet würden sie Schreckliches hören. Gemeinsam mit Freunden kümmert sie sich um die in der österreichischen Hauptstadt ankommenden Flüchtlinge.

nach oben Zurück zum Seitenanfang