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Vortrag für Eltern in Gernsbach

Profi gibt Tipps: „Erziehung ist kein Hexenwerk“

Endlose Diskussionen und Streitereien mit der pubertierenden Tochter oder dem trotzenden Sohn. Das muss nicht sein. Und liegt oft auch an den Eltern.

eine Streitsituation: eine Mutter und einjugendliches Mädchen sitzen auf einem Sofa, die Mutter gestikuliert wild, das Mädchen wirkt bedrückt
Konfliktsituationen zwischen Eltern und ihren Kindern münden gerne in endlose Diskussionen. Wie sich da vermeiden lässt, weiß Sozialpädagogin Ramona Bliestle. Foto: DimaBerlin/Adobe Stock

Kleine Kinder machen einen Schub, große Kinder haben eine Phase: Wenn so gesprochen wird, geht es meist um wiederkehrende Konfliktsituationen zwischen Eltern und ihren Kindern. „Nirgendwo ist die Kluft zwischen Theorie und Praxis größer als in der Erziehung“, sagt Buchautorin und Erziehungscoach Ramona Bliestle. Und sie sagt auch: Erziehung ist eigentlich ganz einfach.

Wie das funktionieren soll, verrät Bliestle im Interview mit unserer Redaktion. Und in einem Vortrag, den sie auf Einladung der Schulsozialarbeit des Evangelischen Mädchenheims Gernsbach am 15. April, um 18.30 Uhr in der Stadthalle hält. Der Titel des Vortrags lautet wie der Titel eines ihrer Bücher „Kämpfst du noch oder erziehst du schon?“ und richtet sich an pädagogisches Fachpersonal genauso wie an Eltern.

Konflikte gehören zur Persönlichkeitsentwicklung

Der Untertitel Ihres Buches heißt „Hand in Hand durch die Trotzphase und die Pubertät mit einfachen Schritten“. Wie soll das gehen?
Bliestle
Es geht. Ein Grundmotto von mir lautet: Verstehen, aber nicht einverstanden sein. Ich verstehe also, warum mein Fünfjähriger „blöder Papa“ zu mir sagt, aber ich kann damit nicht einverstanden sein. Es hilft, wenn man solche Situationen nicht persönlich nimmt, sondern versteht, dass es eine ganz normale Entwicklung ist, neue Wege zu testen. Dann kann man vielleicht sogar das Positive sehen und sich freuen: Mein Kind entwickelt sich, wie es sein soll.
Sie bezeichnen Eltern gerne als leeren Werkzeugkasten, der gefüllt werden kann. Welches Werkzeug brauchen Eltern besonders? Gelassenheit?
Bliestle
Das ist mir schon wieder zu wenig konkret. Gemeint sind Dinge wie zum Beispiel die Time-Out-Karte oder Gesprächstechniken, mit denen Eltern auf bestimmte Situationen reagieren sollten. Vor allem meint der Werkzeugkasten an sich aber eine innere Haltung der Eltern als Grundlage.
Welche Haltung ist das?
Bliestle
Ich wünsche mir eine offene und wertungsfreie Haltung der Eltern ihren Kindern gegenüber. Sie haben sich bewusst für ein Kind entschieden und als Erwachsener bin ich verantwortlich für die bestmögliche Entwicklung dieses unerfahrenen Individuums.

Erwachsene müssen auch die Konsequenzen tragen

Wenn die Eltern der Werkzeugkoffer sind und die Verhaltensweisen die Werkzeuge, was sind dann die Kinder? Die Möbel?
Bliestle
(lacht) Ich vergleiche die Kinder gerne mit einem leeren USB-Stick, auf den etwas aufgespielt wird. Und was das ist, entscheiden die Eltern. Uns muss bewusst sein, dass Kinder – und damit meine ich eine Altersgruppe bis 21 Jahre, weil erst dann die Hirnentwicklung abgeschlossen ist – zu 80 Prozent am Modell lernen. Wenn eine 13-Jährige ihre Mama sofort anschreit, dann frage ich: Woher hat sie das denn? Das ist oft nicht nur ein Schub oder eine Phase, das kann auch das Ergebnis von Erziehung über einen längeren Zeitraum sein.
Sicher nicht das Ergebnis, das sich Eltern und Kinder wünschen. Wie kann man es besser machen?
Bliestle
Ich muss als Erwachsener eine ernst zu nehmende, stabile Konstante im Leben meiner Kinder sein. Gerade in schwierigen Phasen ist das wichtig. Wenn ich sage, dass WLAN ist um 22 Uhr aus, dann ist es auch aus. Punkt. Und dann ertrage ich als Erwachsener auch die Folgen eines meckernden Kindes. Unsere Kinder brauchen Sicherheit.
Eine Frau mit Kurzhaarfrisur und tätowiertem Arm steht in einem pinken Poloshirt lächelnd auf einer Brücke
Ramona Bliestle ist ausgebildete Erzieherin und arbeitet im Jugendschutz. Sie hat drei Bücher geschrieben und spricht in Gernsbach über den richtigen Umgang mit trotzenden und pubertierenden Kindern. Foto: Ramona Bliestle

Kinder werden oft von Eltern überfordert

Und mache mein WLAN auch aus?
Bliestle
Nein, wieso das denn? Wenn mein Mann zu schnell fährt, zahle ich doch nicht auch noch mal den Strafzettel. Sprich: Ein Kind muss Hierarchien lernen. Ich bin die Erwachsene, du bist das Kind. Ich gebe dir den Rahmen und zeige dir, wie es innerhalb des Rahmens funktioniert. Wir dürfen unsere Kinder nicht auf die Erwachsenenebene heben. Ja, er denkt vielleicht, dass er alles weiß, aber er ist erst zwölf!
Hört sich so an, als ob wir Eltern unsere Kinder oft überfordern würden.
Bliestle
Ja, das tun wir. Weil wir Eltern selbst oft die Konsequenzen nicht aushalten. Jedes Verhalten hat Konsequenzen, das müssen Kinder lernen. Nur so kann sich Selbstwirksamkeit entwickeln, also die innere Überzeugung, dass ich mit schwierigen Situationen umgehen kann. Wenn ich übe, kriege ich gute Noten. Wenn ich freundlich bin, habe ich Freunde. Wenn ich beim Tisch abräumen helfe, gibt es ein Eis. Und wenn mein Kind nicht hilft, habe ich überhaupt keine Probleme damit, das Eis alleine zu essen. Das ist nicht bösartig, das ist konsequent.
Eltern wollen geliebt werden. Und haben oft ein schlechtes Gewissen.
Ramona Bliestle
Erziehungscoach
Wieso fällt Eltern diese Konsequenz so schwer?
Bliestle
Eltern wollen geliebt werden. Und haben oft ein schlechtes Gewissen. Da spielt auch der Druck der Gesellschaft eine Rolle. Aber für mich sind nicht die Eltern die besseren Eltern, die ständig verfügbar sind für ihre Kinder. Es geht nicht um die Quantität, sondern um die Qualität. Aber die fehlt oft. Achten Sie mal darauf, wie Kinder von der Kita abgeholt werden. Die Eltern haben das Handy in der Hand und alles muss schnell, schnell gehen. Dabei reicht eine Stunde dicke, in der ich das Handy weglege und sage: „So, jetzt bist du dran.“
Klingt ziemlich einfach.
Bliestle
Ja, es ist kein Hexenwerk. Man muss sich nicht schlecht fühlen, wenn man nebenbei arbeitet. Aber ich will Eltern auch ihre Wichtigkeit vermitteln: Es ist nicht der Job der Kita oder der Schule, eure Kinder zu erziehen. Das ist euer Job. Vor allem aber ist es nicht der Job der Kinder.
Ich bin für dich da, auch wenn du mal blöd machst.
Ramona Bliestle
psychologische Beraterin
Kindererziehung ist keine Kindersache. Das sollte doch eigentlich klar sein.
Bliestle
Sollte es. Ist es aber nicht. Es ist erschreckend, wie viel Macht manche Vierjährige über ihre Eltern haben. Ich habe Sechsjährige, die sagen, mein Papa ist bockiger als ich. Wir überfordern unsere Kinder. Die Energie, die Kinder investieren, um mit ihren Eltern zu verhandeln, geht von der Gehirnentwicklung ab. Dieser ewige Kreislauf der Endlosdiskussionen schädigt das Nervensystem der Kinder. Und am Ende zeigen sie Symptome, die vergleichbar sind mit Burn-out.

Eltern dürfen nicht verhandelbar sein

Was bedeutet das im Umkehrschluss?
Bliestle
Wir dürfen als Eltern nicht verhandelbar sein. Kinder dürfen sich an ihren Eltern reiben, wir Eltern sind doch stabile Persönlichkeiten. Und vor allem gilt: Ich bin für dich da, auch wenn du mal blöd machst.
Und woran erkennen Eltern, dass sie nicht mehr kämpfen, sondern erziehen?
Bliestle
Bei einem kleinen Kind erkenne ich es daran, dass es seine Umwelt erkundet und sich auch von Papa und Mama löst, sich durch Blickkontakt aber immer mal wieder rückversichert, dass das alles in Ordnung ist. Und bei einem größeren Kind, wenn es zu mir kommt mit unangenehmen Gefühlen oder wenn es Mist gebaut hat. Weil es weiß, dass wir gemeinsam eine Lösung finden.

Service

„Kämpfst du noch oder erziehst du schon?“ mit Ramona Bliestle findet am Montag, 15. April, um 18.30 Uhr in der Stadthalle Gernsbach statt. Der Kartenvorverkauf läuft über die Bücherstube Gernsbach, der Preis beträgt im Vorverkauf und an der Abendkasse jeweils sieben Euro.

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