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Lüftet Tagebuch Geheimnisse?

Auf den Spuren einer Tragödie: Nachfahren eines abgeschossenen Bomberpiloten in Oberweier

Im Zweiten Weltkrieg stürzt ein britischer Bomber über Gaggenau-Oberweier ab. Jetzt verfolgen Nachfahren die Spuren der Tragödie.

Barry Glew und Bürgermeister Andreas Paul enthüllen das Gedenkkreuz
Barry Glew (rechts) und Bürgermeister Andreas Paul enthüllen das Gedenkkreuz an der Stelle, wo im Zweiten Weltkrieg ein weiteres Besatzungsmitglied des Bombers erschossen wurde. Foto: Martina Holbein

„Eine schöne Gegend, wo mein Onkel gestorben ist“, sagt Barry Glew beim Blick über die sanften Hügel des Murgtals bei Oberweier. Er ist der Neffe eines der beiden britischen Besatzungsmitglieder des Bombers PB172, der vor 75 Jahren in der Nacht vom 28. auf den 29. Juli 1944 über dem Gaggenauer Ortsteil abgestürzt ist.

Zusammen mit seinem Sohn Lawrence kam er auf Einladung von Heimatforscher Helmut Böttcher, um die Spuren des Absturzes nachzuverfolgen, bei dem die zwei britischen Flieger der Crew und drei Kanadier sofort tot waren.

Mutiger Helfer versteckte abgestürztes Crewmitglied in Oberweier

Zwei weitere Kanadier, die am Ende und an der Spitze der Lancaster-Maschine saßen, konnten mit dem Fallschirm abspringen und landeten in Oberweier. Der eine auf einer Wiese, heute ein Spielplatz, der andere auf dem Dach eines Hauses, von dem er sich in den Misthaufen gleiten ließ.

Einer von ihnen, William Archibald MacDonald, traf auf einen mutigen Helfer, der ihn sofort auf dem Dachboden versteckte. Den anderen, Conrad William Martens, fanden weniger Gutgesinnte und schleppten ihn vor den Bürgermeister.

Der kontaktierte sofort NSDAP-Kreisleiter Heinrich Dieffenbacher, der entschied, wie mit dem Kanadier zu verfahren sei: Er wurde erschossen, und zwar auf dem Feldweg zwischen dem „Beniacker“ und der Grenze zur Muggensturmer Gemarkung.

Mich bewegt es sehr, dass die Menschen hier Anteilnahme zeigen.
Barry Glew
Nachfahre eines britischen Piloten

Dort wurde nun im Beisein der britischen Gäste ein Holzkreuz mit Gedenktafel enthüllt, das an die Sinnlosigkeit und Unmenschlichkeit von Krieg und Terror erinnert. Es war die letzte Station auf dem Rundgang, dem sich bis zu 50 Interessierte angeschlossen hatten.

„Mich bewegt es sehr, dass die Menschen hier so aufgeschlossen sind und Anteilnahme zeigen“, so Barry Glew, der Neffe des Gefallenen Kenneth Ernest Nottage. Während er bereits zum zweiten Mal in Oberweier weilte, war es für seinen Sohn Lawrence eine Premiere.

Diese Geschichte entwickle sich immer mehr, neue Gesichtspunkte kämen dazu, sagte Glew weiter. Zum Beispiel, dass die Familie von Conrad Martens nicht wusste, dass er den Absturz überlebt hatte und dann von Deutschen erschossen wurde.

Bringt ein Tagebuch Licht ins Dunkel?

Und: Kurz vor dem Treffen konnte Barry Glew den Organisatoren der Gedenkveranstaltung – Helmut Böttcher, Julien Jendral und Michael Beckert vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge – mitteilen, dass vom letzten Überlebenden ein Tagebuch existiert.

Mit dessen Hilfe hoffen die Hobby-Historiker nun, die Lücke zu füllen zwischen der Rettung des Soldaten durch Qualbert Hornung und dessen Aufenthalt in einem deutschen Kriegsgefangenenlager in Polen. Helmut Böttcher zeichnete bei dem Rundgang nach, wo die Fallschirmspringer aufschlugen, wo Trümmer niedergingen.

An der Friedhofsmauer fanden die Getöteten eine erste Ruhestätte, hierher wurde auch der Ermordete gebracht.

Uniform tauchte bei Fastnachtsfeier auf

Eine makabre Geschichte wurde am Rande erzählt: Einer der Toten war nackt aufgefunden worden, die Uniform tauchte bei der ersten Fastnachtsfeier nach dem Krieg als Kostüm wieder auf.

Zur Kranzniederlegung am Mahnmal auf dem Friedhof kam Bürgermeister Andreas Paul, ein Trio des Musikvereins Oberweier spielte.

„Wir haben mit fast allen Angehörigen der Crew-Mitglieder mittlerweile Kontakt“, so Barry Glew. Geplant ist, dass sie alle am eigentlichen Absturztag nach Oberweier kommen. Erste private Kontakte sind bereits geknüpft, Einladungen ausgesprochen.

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