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Naturschutz kontra Erweiterung

Schlingnatter und Zauneidechse verhindern Baugebiet in Gaggenau-Michelbach

Schöne Hanglage, nach Süden exponiert, nah am Ortskern. Doch in der „Tasch“ in Gaggenau-Michelbach werden keine neuen Wohnhäuser entstehen. Schlingnatter und Zauneidechsen bedeuten das Aus für den Bebauungsplan.

Schlingnatter in Bretten-Sprantal_2.
Eine Schlingnatter. Die Tiere sind streng geschützt nach Paragraf 44 des Bundesnaturschutzgesetzes. Foto: Tom Rebel

Es hätte schnell gehen sollen, nun wurde gar nichts aus dem Vorhaben: Bereits Ende 2019 hatte der Gemeinderat die Aufstellung eines Bebauungsplan „Tasch“ in Michelbach beschlossen, im beschleunigten Verfahren nach Paragraf 13b des Baugesetzbuches. 18 neue Bauplätze, ausschließlich Einzelhäuser, maximal 36 Wohneinheiten hatte man im Blick. Daraus wird nun nichts.

Wir haben wahnsinnig viel Energie da rein gesteckt.
Ralf Jungfermann
Ortsvorsteher von Michelbach

Einstimmig empfahl der Ortschaftsrat von Michelbach am Mittwoch dem Gemeinderat, das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans abzubrechen. Ortsvorsteher Ralf Jungfermann brachte die Stimmung am Ende auf den Punkt: „Das ist ausgesprochen ärgerlich. Wir haben wahnsinnig viel Energie da rein gesteckt, aber solange sich diese Schlange dort tummelt, haben wir keine Chance.“

Oberbürgermeister Michael Pfeiffer (parteilos) hätte das Baugebiet auch gerne realisiert gesehen. Doch er gewann der Situation etwas Positives ab: Zwar finde man in der Großen Kreisstadt Gaggenau beinahe bei jedem potenziellen Baugebiet hoch schützenswerte Arten – „weil wir uns halt in einer naturnahen Umgebung befinden.“

Ausgleichsfläche wäre größer als das Baugebiet in Gaggenau-Michelbach

Christine Dibos hatte zuvor den Sachverhalt unmissverständlich dargelegt. Sie ist in der Abteilung Stadtplanung im Rathaus mit dem Thema befasst. Im Regionalplan war die „Tasch“ mit 1,8 Hektar als Siedlungserweiterungsfläche dargestellt. Nicht nur das steile Gelände erwies sich von Anfang an als große Herausforderung.

Für Schlingnattern und Zauneidechsen wären laut Regierungspräsidium Ausgleichflächen notwendig geworden – „in beträchtlichem Umfang“, erläuterte Dibos: 1,5 Hektar für die Schlingnattern und 0,36 Hektar für die Zauneidechsen. Zudem hätten diese Flächen getrennt ausgewiesen werden müssen. Damit wäre die gesamte Ausgleichsfläche leicht größer als das Baugebiet geworden.

Zwei getrennte Flächen für Tierarten, die im eigentlichen Baugebiet nebeneinander existieren? „Abartig!“, schimpfte Ortsvorsteher Jungfermann: „Denn woher sollen Schlingnatter und Eidechsen wissen, wo sie hin sollen?“

Eine Zauneidechse sitzt auf einem Stein.
In der Tasch in Michelbach sind auch Zauneidechsen heimisch. Foto: Nicolas Armer/dpa

Darüber hinaus hätten die jeweiligen Ausgleichsflächen in unmittelbarer Nähe des Baugebiets zusammenhängend ausgewiesen werden müssen. Da hätte man maximal vier Hektar zusammenbekommen, bilanzierte Christine Dibos. Auch hier war für Ortsvorsteher Jungfermann die Rechtslage bei der Suche nach Ausgleichsflächen alles andere als zielführend: „Reihenweise sind Wiesen rausgeflogen, weil sie zu gepflegt sind. Aber ebenso Waldflächen, die nicht genug gepflegt sind.“ Dornenbewuchs hingegen, „der drei vis vier Jahre vor sich hin wuchert“, hätte die Kriterien erfüllen können. Dabei wolle doch Landschaftspflege gerade diese Dornenhecken vermeiden, argumentierte er.

FFH-Mähwiesen in der Nähe

Darüber hinaus, so Christine Dibos: Bei einigen potenziellen Ausgleichsflächen handele es sich um „FFH-Mähwiesen“ oder „FFH-Mähwiesenverlustflächen“. Diese stehen unter besonderem Naturschutz und können als Ausgleichsflächen kaum herangezogen werden. „Insbesondere“, so die Planerin weiter, „besteht aber die Problematik, dass sich die meisten Flurstücke im privaten Eigentum befinden und viele Eigentümer leider nicht verkaufsbereit sind oder zu hohe Anforderungen an einen Verkauf an die Stadt Gaggenau gestellt haben.“

Ob die Stadt einfach zu geringe Kaufpreise geboten habe, wollte da ein Zuhörer wissen. Oberbürgermeister Michael Pfeiffer entgegnete, dass der Kaufpreis für die Ausgleichsflächen die Erschließungskosten zusätzlich belaste: „Wir können keinen Erschließungspreis von 400 Euro verlangen, das wird nicht bezahlt.“

Alternativen sind möglich

Unterm Strich, so räumte die Stadtverwaltung ein, ist Michelbach mit möglichen Baugebieten nicht schlecht versorgt. Genau aus diesem Grund wäre es aussichtslos gewesen, bei den Ausgleichsflächen für die „Tasch“ auf Ausnahmeregelungen zu pochen: Michelbach habe schließlich noch eine Reihe anderer Flächen für die Siedlungserweiterung, unter anderem die „Steinäcker“. Dort soll es planmäßig weitergehen, bekrägtigte Pfeiffer.

Hätte die Stadt durch eine Verkleinerung des Baugebiets „Tasch“ zumindest einen Teil der neuen Bauplätze retten können? Nein, so das klare Urteil der Stadtverwaltung. Denn die geschätzten Erschließungskosten für dann nur noch zehn Grundstücke lägen bei 306 Euro pro Quadratmeter. Darüber hinaus hätten die Schlingnattern auch dies verhindert: Denn im Juli wurden auch dort zwei junge Exemplare nachgewiesen. Also sei davon auszugehen, dass die Tiere dort verbreitet sind.

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