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Vor dem Beginn der Sommerferien

Die Reiselust der Acherner kommt nur langsam zurück

Die Sommerferien sind nicht mehr weit, aber die Tourismusbranche trägt weiter Sorgenfalten. Das sagt man in den Reisebürs in Achern zu der schwierigen Situation.

Frank Limberger vom TUI Reisecenter Achern
Anlaufstelle Reisebüro: Nicht nur im TUI Reisecenter bei Frank Limberger melden sich immer wieder Kunden, die auf eigene Faust ihren Urlaub gebucht hatten und jetzt mit Stornierungen und Umbuchungen allein nicht weiterkommen. Foto: Stefanie Prinz

Schon wieder am Strand liegen? Das wollen in diesem Sommer inzwischen zwar doch zunehmend mehr Menschen – vom normalen Geschäft sind die Acherner Reisebüros jetzt vor dem Beginn der Sommerferien aber weit entfernt.

Stattdessen haben die Mitarbeiter mit einem schier unendlichen Berg Bürokratie zu kämpfen, mit kaum erreichbaren Veranstaltern, sich ständig ändernden Informationen und zudem mit hilfesuchenden Kunden, die ihren Urlaub auf eigen Faust gebucht hatten und jetzt im Regen stehen. Dieses Jahr ist für alle eine enorme Herausforderung – für manche Büros mit weitreichenden Konsequenzen.

Der große Gewinner unter den Reisezielen scheint in diesem Sommer mit Abstand Griechenland zu sein, sagen Markus Singrün von der Reisebörse und Frank Limberger vom TUI Reisecenter. Auch die Balearen und Kanaren sowie Portugal, Deutschland, Österreich und Kroatien seien im Moment gefragt. Vereinzelt werden auch bereits Fernreisen für das kommende Jahr verkauft.

Zerrüttete Flugpläne und viel Vorlauf

Am meisten gefragt sind nach Beobachtung von Markus Singrün Urlaube mit Eigenanreise, auch Camping: „Die klassische Flugreise läuft auf einem absoluten Minimum, aber ein paar Buchungen gibt es da.“ Die Belebung der Branche insgesamt im Sommer sei längst nicht so stark ausgefallen wie erwartet. Trotzdem: „Viele Leute wollen jetzt einfach weg und schauen, was möglich ist; manche wollen jetzt nachholen, was vielleicht in den Pfingstferien nicht möglich war“, so Singrün.

Manche Reise brauchen gerade die fünffache Zeit an Vorlauf.
Markus Singrün, Reisebörse Achern

Die Arbeit laufe aber nicht gerade rund, sagt er: „Manche Reise brauchen gerade die fünffache Zeit an Vorlauf. Dazu kommen völlig zerrüttete Flugpläne: Bei fast jeder dritten Buchung gibt es massive Flugänderungen.“ Dazu komme, dass sich im Büro wöchentlich Menschen melden, die auf eigene Faust gebucht hatten, und nun mit Stornierungen oder Umbuchungen nicht allein weiterkommen.

Veranstalter sind kaum zu erreichen

Genauso auch im TUI Reisecenter, wie Frank Limberger berichtet. Aber nicht nur Selbstbucher haben ihre Schwierigkeiten, sondern auch die Reisebüros, die ebenfalls kaum zu den Veranstaltern durchdringen, weil diese entweder nur noch per E-Mail erreichbar sind oder die Anrufer in mitunter sogar stundenlangen Telefonschleifen warten lassen.

Das sei nicht der einzige Fallstrick: „Wir hatten auch schon Fälle, in denen wir kurz vor der Reise der Kunden herausgefunden haben, dass Hotels, die man inzwischen buchen konnte, noch gar nicht wieder geöffnet waren.“

Auch Limberger sieht neben einer leichten Zunahme bei den Buchungen, dass die meisten Menschen noch immer verunsichert seien: Was ist, wenn ich mich im Urlaub mit dem Virus infiziere? Gleichzeitig gebe es auch noch immer wieder Stornierungen – das betrifft unter anderem die Balearen, wo neuerdings eine strengere Maskenpflicht gilt.

„Damit ist man meiner Meinung nach zu weit gegangen, das wollen die Leute nicht und stornieren lieber“, so Limberger. Zwar sei die Maßnahme angesichts der Partys am Ballermann trotz Pandemie verstehen, er rechnet aber damit, dass die Regelung bald wieder entschärft wird.

Buchungsanfragen schon für den Winter

Dass viele Kunden trotz Maskenpflicht in die Sonne wollen, beobachtet man auch im Derpart Reisebüro Rade: „Die Kunden sind das von Deutschland schon gewohnt und sagen, sie wollen jetzt einfach mal raus, sie sind alltagsmüde“, sagt Melanie Steinlein, Teamleiterin in Achern. Kunden, die gerade wieder aus Griechenland zurückgekehrt sind, hätten beispielsweise positive Erfahrungen mit aufmerksamen Hotels und guten Hygienekonzepten gemacht.

Während viele Kunden zum Teil kurzfristiger buchten als sonst oder schon für den Winter anfragten, ist das Büro weiterhin mit der Abwicklung von Stornierungen und Rückerstattungen beschäftigt.

Hat die Branche eine Zukunft?

Schwierig ist die Situation für die ganze Reisebranche – für ein Ein-Personen-Büro kann sie aber existenzielle Folgen: Inessa Ries hat ihr Gewerbe „Riesreisen“ in Achern am 1. Juli nach 15 Jahren aufgegeben und begleitet jetzt nur noch letzte Kunden bis zum Schluss von deren Reise – dann macht sie selbst Urlaub: zu Hause.

„Dieses Jahr hat mich bis dahin sehr viel Kraft gekostet. Bis Ende 2020 wird sich daran wohl auch nichts mehr ändern. Alles ist sehr unsicher, viele Menschen wollen inzwischen doch nicht mehr weg“, sagt sie. Auch sei es ein Kampf, um bei Veranstaltern Rückerstattungen anstelle von Gutscheine zu bekommen.

Für sie ist klar: Falls es weiterhin kein Entgelt für Serviceleistungen der Reisebüros gebe, habe die ganze Branche keine Zukunft.

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