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Acht Anlagen geplant

Infraschall und Waldsterben: Windkraft im Raum Achern ist im Aufschwung – Widerstand wird heftiger

Angst schüren und verunsichern: Mit dem Boom der Windkraft rüsten auch die Gegner verbal auf. Wie sie argumentieren, das klingt seltsam bekannt.

Windkraftanlagen entlang der B500 - Vorstellung der weiteren Windrad-Pläne mit Matthias Griebl, E-Werk Mittelbaden und Franz Alt
Ein einsames Windrad steht auf der Hornisgrinde. Doch jetzt kommt Bewegung in die Angelegenheit. Bis zu acht Windmühlen sollen im Raum Achern entstehen. Doch noch gibt es keine Bauanträge. Foto: Roland Spether

Vor 30 Jahren hat Unternehmer Peter Griebl die ersten Windräder auf der Hornisgrinde gebaut. Eine Idee, die bundesweit Aufmerksamkeit fand. Windenergie war damals noch exotisch. Drei Jahrzehnte später stehen im Ortenaukreis 45 Anlagen oder sind genehmigt, mit einer Gesamtleistung von 153 Megawatt.

Ein Quantensprung, von dem die Region rund um Achern bisher nichts hatte. Die Nachfolgerin der zuletzt drei kleinen Windmühlen auf dem Acherner Hausberg dreht seit 2015 einsam und allein ihre Runden, während in der südlichen Ortenau eine Anlage nach der anderen in Betrieb ging. Jetzt aber kommt Bewegung in die Angelegenheit. Allein rund um Achern sollen acht neue Windmühlen entstehen. Die ersten Baugenehmigungen könnten, vielleicht, noch 2024 vorliegen.

Mit dem Boom wächst auch der Widerstand

Das Problem dabei: Mit dem aufkommenden Boom der Windkraft wächst auch der Widerstand. Und der trägt zunehmend seltsame Züge. Im Internet kann man es nachlesen: Von weitreichendem Infraschall ist da die Rede, von Mikroplastik aus den Rotoren und von Stahlbeton, der auf ewig im Wald vergraben werde. Und, und, und...

„Wir haben Menschen im Ort, die hätten früher selbst Hand angelegt, um ein Windrad zu bauen. Heute sagen sie, dass sie anders denken und dann kommen so esoterische Argumente“, sagt ein Bürgermeister aus der nördlichen Ortenau.

Mit Namen zitiert werden will er damit nicht, so wie auch seine Amtskollegen die Frage nach den teils seltsamen Parolen der Windkraftgegner nur mit spitzen Fingern anfassen und sich vor allem für umfassende Informationen aussprechen. „Wir müssen“, kommentiert dazu Dijana Opitz aus Sasbach auf Anfrage, „aber auch akzeptieren, dass es Menschen gibt, die nicht verstehen wollen“; kein Verständnis, so ihre Laufer Amtskollegin Bettina Kist ergänzend, habe sie, wenn Unwahrheiten verbreitet werden.

Ich kam mir vor wie die Grünen-Vorsitzende bei einem AfD-Parteitag.
Matthias Griebl
Windkraft-Investor

Klar ist: Die Debatte hat sich verschärft, in Ton und Inhalt. Und manches erinnert an Argumentationsmuster, mit dem einst Coronaleugner und Impfgegner die Menschen verunsicherten.

Matthias Griebl, Sohn von Windkraftpionier Peter Griebl und jetzt in seine Fußstapfen getreten, erinnert sich mit Grausen an eine Informationsveranstaltung in Achern, bei der praktisch kein Dialog möglich gewesen sei: „Ich kam mir vor wie die Grünen-Vorsitzende bei einem AfD-Parteitag“, erinnert er sich an den emotionalen Abend.

Er sei wirklich erschrocken gewesen, wie viel Hass und Aggression ihm da entgegengeschlagen sei: „Ich vermute, dass es mit der Spaltung der Gesellschaft wegen Corona zu tun hat“, sagt er. Dabei, so Griebl, habe er durchaus Verständnis für Sorgen und Bedenken von Anwohnern, die in der Nähe einer solchen Anlage leben müssen.

Doch die Mehrzahl der lautstarken Gegner gehöre nicht zu dieser Gruppe. Vorgebracht würden vor allem Scheinargumente, die den Menschen Angst machen sollen.

Griebl hat Gründe, skeptisch zu reagieren. Er ist die zentrale Figur bei den Bemühungen um den Ausbau der Windkraft vor allem rund um die Hornisgrinde. Bei den drei oder vier Anlagen unterhalb der Schwarzwaldhochstraße beispielsweise, die unter dem Stichwort „Bustertkopf“ laufen. Sie stehen nah beieinander, aber auf verschiedenen Gemarkungen. Drei Anlagen auf Seebacher und Sasbacher Gelände sind fest geplant, hinter einer vierten auf Sasbachrieder Grund, also unmittelbar daneben, steht noch ein Fragezeichen.

Neue Windräder für die Region
Neue Windräder für die Region: Die Grafik zeigt einen Überblick über die Standorte in der nördlichen Ortenau, einschließlich des südlichen Landkreises Rastatt. Foto: BNN

160 Meter Nabenhöhe sollen sie haben, dazu einen 138 Meter-Rotor. Das ist deutlich mehr als auf der Hornisgrinde. Die aktuelle Anlage dort ist 85 Meter hoch bis zur Nabe, mit einem Rotor mit 75 Meter Durchmesser. Nicht klein, aber deutlich kleiner als die Windmühlen, die jetzt geplant sind.

Auf der Hornisgrinde selbst, in Sichtweite, plant Griebl weiter an seiner seit Jahren heftig diskutierten zweiten Anlage, die ein klein wenig höher sein wird als die bestehende, aber mit einem sehr viel größeren Rotor: Er hätte 115 Meter Durchmesser. Das ist der Technik zu danken, die sich in den letzten Jahren, wie übrigens auch die Preise der Anlagen, rasant weiterentwickelt hat.

Die Rotoren seien in den zurückliegenden zehn Jahren immer größer geworden, die Anlagen damit leistungsfähiger. „Hätten sie so etwas mit der Technik von vor 30 Jahren gebaut, es wäre Ihnen um die Ohren geflogen“.

Griebls drittes Projekt steht in Lauf, an der nördlichen Kreisgrenze. An diesen Vorhaben hat sich zuletzt der Widerstand entzündet, eine Bürgerinitiative sammelt Unterschriften für ein Bürgerbegehren. Das vierte große Vorhaben findet sich in der Ebene: In Fautenbach, wo die Firma Edelstahl Fischer sich bekanntlich mit zwei großen Windmühlen unabhängig machen will von Strompreisen und Versorgungsengpässen.

Aktuelle Anträge nicht aus dem Raum Achern

Das Offenburger Landratsamt ist die Behörde, die letztlich bei Bauanträgen für Windräder den Daumen heben oder senken muss. Vier Verfahren mit insgesamt neun einzelnen Anlagen sollen noch in der ersten Hälfte 2024 entschieden werden: die Hummelsebene in Oberkirch und Durbach (3 Windräder), die Prechtaler Schanze im Kinzigtal (4) der Nillkopf in Zell (1) sowie der Brandenkopf bei Oberharmersbach mit dem „repowering“ einer weiteren Anlage. Alle, das fällt auf, nicht im Raum Achern.

Von dort, so sagt der zuständige Dezernent und erste Landesbeamte Nikolas Stoermer, lägen noch keine Bauanträge vor. Doch man redet miteinander. „Vorantragskonferenzen“ heißt es, es soll mögliche Hindernisse früh aus dem Weg räumen.

Acht Verfahren mit 14 Windrädern seien also, sagt Stoermer, „in der Pipeline“, darunter auch die Acherner. Etwa neun Monate benötige das Landratsamt von der Antragstellung bis zur Entscheidung. Zumindest für die Anlage auf der Hornisgrinde rechnet Stoermer mit einem Antrag in den kommenden Wochen.

Dann könnte man im 30. Jahr der Windenergie auf Acherns Hausberg die Sache doch noch rund bekommen. Zumindest die.

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