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Kontroverse Debatte um Wald-Zertifikat

Acherner Grüne wegen der Jagd unter Beschuss

Für Rehe wird der Acherner Stadtwald zunehmend zu einem gefährlichen Ort. Selbst die Grünen im Gemeinderat fordern mehr Abschüsse.

Jäger bringen Schutzhülsen zum Schutz junger Bäume an
Schutzhülsen allein helfen nicht: Die Frage der Naturverjüngung spielt im Acherner Stadtwald eine entscheidende Rolle. Foto: Michael Moos

„Das ist ein Frontalangriff auf die Eingliederungsverträge.“ Massive Kritik prasselte am Montagabend im Verwaltungsausschuss des Acherner Gemeinderat auf Martin Siffling als Vertreter der Grünen ein.

Jener hatte es gewagt, im Zusammenhang mit der Debatte um die Verbissschäden im Acherner Wald laut über den Entzug der Zuständigkeit der Ortsteile für die Jagd nachzudenken. Am Ende stand Siffling allein auf weiter Flur – an den Zuständigkeiten für die Jagd ändert sich erst einmal gar nichts.

Hintergrund der teilweise emotionalen Debatte ist der Entzug der Paneuropäischen Forstzertifizierung (PEFC). Bekanntlich verlor die Stadt Achern für ihre Waldflächen das Gütesiegel 2020, weil sie geltende Standards bei der Naturverjüngung offenbar nicht eingehalten hat. Als Ausweg wurde ein deutlich erhöhter Abschuss des Rehwilds aufgezeigt, um Verbissschäden an den Jungpflanzen im Auewald zu verringern.

Bilanz der Stadtverwaltung vorgestellt

Dass die Umsetzung der Vorgaben offenbar nicht ohne Tücken ist, zeigt die nun vorgelegte Bilanz der Stadtverwaltung: Wie es unter Hinweis auf den aktuellen Bericht eines Sachverständigen heißt, hat sich die Verbissbelastung gegenüber dem Vorjahr zwar leicht verbessert, der Druck auf naturverjüngte Jungpflanzen sei aber „immer noch sehr hoch“.

Gleichzeitig wird festgestellt, dass beim Rehwild-Abschuss die Zielvereinbarungen nicht in allen Auewald-Bezirken (Gamshurst, Großweier, Önsbach und Wagshurst) erfüllt wurden. Dabei gilt als Faustformel der Abschuss von zwei Rehen pro zehn Hektar in den Waldgebieten sowie von einem Reh pro Hektar auf den Feldern.

Dass sich ausgerechnet ein grüner Bürgervertreter für die Jagd und damit die Tötung von Wild ausspricht, stieß im Ausschuss teilweise auf Unverständnis: „Wenn Rehe weiterhin so gnadenlos abgeschossen werden, können sie bald nur noch im Zoo sehen“, wetterte Edgar Gleiß im Namen der Freien Wähler.

Pius Weber (CDU) verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass beispielsweise in Fautenbach nun 47 Rehe pro Jahr erlegt werden müssten, einst seien es 33 in drei Jahren gewesen.

Rehpopulation auf ein vertretbares Maß reduzieren

Martin Siffling räumte ein, dass sein Eintreten für die Jagd für die Grünen „nicht selbstverständlich“ sei: Es gehe jedoch darum, die Rehpopulation im Interesse des Waldes auf ein ökologisch vertretbares Maß zu reduzieren. Siffling: „Wir brauchen die Jagd und die Jäger – aber dann muss sie auch funktionieren.“

Immerhin: Einigkeit herrschte im Ausschuss in der Ansicht, dass die Stadt Achern das aberkannte PEFC-Siegel so bald wie möglich wieder bekommen muss. Dabei geht es nicht nur darum, dass für das nicht zertifizierte Holz aus dem Acherner Stadtwald langfristig geringere Verkaufserlöse zu erzielen sind, sondern auch um den Verlust an Fördermitteln: Weil die „Nachhaltigkeitsprämie Wald“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft nicht beantragt werden kann, entgehen der Stadt jährlich 75.000 Euro.

Der finanzielle Verlust könnte noch steigen, wenn ein neues Bundesprogramm zur Honorierung der Ökoleistung des Waldes und klimaangepasstem Waldmanagement umgesetzt wird – auch dafür gilt ein anerkanntes forstliches Zertifikat im Stadtwald als Voraussetzung.

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Am Ende scheiterte die Grünen-Fraktion mit ihrem Vorstoß, den Jagdgenossenschaften Großweier, Gamshurst, Wagshurst und Önsbach den Verlust der 75.000 Euro an Fördermitteln in Rechnung zu stellen. Allein stand Martin Siffling auch mit seinem Antrag auf die Ausgliederung von Eigenjagdflächen.

Umgesetzt werden soll nach dem Votum des Ausschusses hingegen der Vorschlag der Stadtverwaltung, nachdem die Jagdgenossenschaften Großweier, Gamshurst, Wagshurst und Önsbach den Zuwachsschaden im Auewald so lange zu tragen haben, bis dem Stadtwald das forstliche Zertifikat wieder zugeteilt wird. Dabei geht es freilich um einen zu verschmerzenden Betrag von etwas mehr als 5.000 Euro.

Gemeinderat hat letztes Wort

Das letzte Wort hat in dieser Sache der Gemeinderat. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass dieser an der geltenden Beschlusslage etwas ändern wird: Diese gilt seit Sommer 2021 und sieht vor, dass die Jäger zwei Jahre Zeit bekommen, um die Abschuss-Vorgaben zu erfüllen und bessere Ergebnisse bei der Naturverjüngung zu ermöglichen.

Dafür hatte sich insbesondere Gamshursts Ortsvorsteher Hans Jürgen Morgenstern starkgemacht: Jener fürchtete einen Angriff auf die vor 50 Jahren getroffenen Eingliederungsvereinbarungen mit den Stadtteilen und meinte: „Das Störfeuer der Grünen ist nicht produktiv und in der Sache nicht hilfreich.“

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