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Möglichst nah am Original

Ein spät entdecktes Talent: Johannes Schweiger aus Achern zeichnet fotorealistische Porträts

Erst vor sieben Jahren nahm Johannes Schweiger zum ersten Mal einen Zeichenstift in die Hand. Heute zeichnet der 73-jährige Acherner Porträts – und zwar so realistisch wie möglich.

Stundenlange Kleinstarbeit: Johannes Schweiger hat vor erst sieben Jahren mit dem Zeichnen begonnen. An einem Bild arbeitet er 30 bis 50 Stunden.
Kleinstarbeit: Johannes Schweiger hat vor erst sieben Jahren mit dem Zeichnen begonnen. An einem Bild arbeitet er 30 bis 50 Stunden. Foto: Benedikt Spether

„Nils“ heißt eines seiner ersten Bilder – und man muss zweimal hinschauen, um zu sehen, dass das spitzbübische Babygesicht gar kein Schwarz-Weiß-Foto ist, sondern eine Zeichnung. Möglichst fotorealistische Porträts mit dem Bleistift sind die Spezialität von Johannes Schweiger. „Porträts zu zeichnen, bedeutet im Grunde Abzeichnen“, sagt der 73-Jährige aus Achern.

„Viele sagen: Abzeichnen kann ja jeder irgendwie, aber das sollen die Leute erstmal machen.“ Zwischen 30 und 50 Stunden sitzt er an einem Bild, anfangs waren es auch einmal 80 Stunden.

Sein liebstes Werk ist besonders kleinteilig: eine alte Tür in der Toskana, gemauert aus unzähligen kleinen Steinchen, die alle einzeln mit dem Stift ausgearbeitet werden mussten.

Am liebsten in Schwarz-Weiß

Am liebsten zeichnet er Schwarz auf Weiß, aber auch mal mit weißem Buntstift auf schwarzem Karton. „Für ein Porträt brauche in ein möglichst scharfes Foto“, erklärt er.

Das teilt er mit Linien in kleine Kästchen ein, und was er darin sieht, überträgt er mit dem Stift. „Die Kopfform, die Augen, Nase und Mund sind am wichtigsten, denn das ist, was eine Person erkennbar macht.“

Dann geht es an die feinere Ausarbeitung. Schicht um Schicht trägt er mit dem Bleistift auf, verwischt hier und da, dann geht es weiter. Das alles passiert am heimischen Esstisch, „das ist mein Atelier“, sagt er. Ein Täschchen mit Stiften steht daneben bereit, der Schrank dahinter ist voller Mappen mit Papieren und fertigen Zeichnungen.

Der gebürtige Augsburger, der seit 1978 in der Region lebt, ist keiner, der schon sein ganzes Leben lang zeichnet: „Ich kam erst 2014 damit in Berührung“, sagt er.

Damals begann, nach einem einschneidenden persönlichen Erlebnis, ein neuer Lebensabschnitt, über den er öffentlich nicht genauer sprechen will. In diesem Zusammenhang jedenfalls habe er Gelegenheit gehabt, verschiedene Arten des Zeichnens auszuprobieren.

„Ich habe es auch mit Farbe versucht, mit Acryl zum Beispiel, aber das war nicht meins“, sagt er. Sein Lieblingswerkzeug wurde der Bleistift. Dann habe er zuerst ein ganzes Jahr lang mit verschiedenen Papiersorten experimentiert: Welchen Effekt hat welches Material mit welcher Zeichentechnik, damit zum Beispiel die Bäckchen von Baby Nils so weich wirken?

„Ich bin ja reiner Autodidakt“, sagt Johannes Schweiger. In seinem früheren Beruf hatte der Rentner keine Berührungspunkte mit der Kunst: „Ich war Bodenleger, habe aber auch alle möglichen anderen handwerklichen Arbeiten gemacht.“ Gezeichnet habe er zuvor noch nie, aber viel fotografiert – und das auch gern Schwarz-Weiß.

Ich habe wohl ein Talent, von dem ich sehr lange nichts wusste.
Johannes Schweiger, Hobbykünstler aus Achern

Heute geht er neben den möglichst bis aufs letzte Haar realistischen Porträts noch in eine zweite, ganz andere Richtung: „Ich mag auch gerne ,unfertige‘ Bilder, die die Betrachter mit ihrer Fantasie erst noch vervollständigen müssen.“

Seine Bilder, die zum Teil auf Auftrag entstehen, hat Schweiger auch schon bei kleineren Ausstellungen gezeigt. „Man muss aber sagen, das ist ein zähes Geschäft“, gibt er zu, „denn eigentlich zahlt man meistens noch drauf“.

Eine bis eineinhalb Stunden am Stück ist er konzentriert mit dem Stift am Werk, mehr geht nicht, wie er sagt. „Das strengt mich sehr an. Andere sagen: Malen entspannt und bringt mich runter. Ich muss für ein Porträt dagegen schon entspannt sein, sonst geht das nicht.“

Auf die Frage, warum er trotzdem bisher mehr als 100 Bilder gezeichnet hat, muss Schweiger einen Moment überlegen: „Ich will mich ausdrücken und habe wohl auch ein Talent, von dem ich sehr lange nichts wusste.“

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