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Kandidaten auf dem Prüfstand

Versprechungen und mahnende Worte: Mit der Kandidatenrunde geht der Acherner OB-Wahlkampf in den Schlussspurt

Knapp 600 Menschen wollten die Acherner OB-Kandidaten am Montagabend sehen. Sie erlebten ein im Wahlkampf in Stil und Überzeugungen gereiftes Quartett.

Das Acherner Kandidatenquartett Andreas Herbrandt, Thomas Merkt, Manuel Tabor und Carmen Lötsch.
Gemeinsamer Auftritt: Das Acherner Kandidatenquartett Andreas Herbrandt, Thomas Merkt, Manuel Tabor und Carmen Lötsch vor dem Beginn der Vorstellungsrunde in der Acherner Hornisgrindehalle. Rund 600 Besucher waren gekommen, um letzte Entscheidungshilfen für die Acherner OB-Wahl am kommenden Sonntag zu bekommen. Foto: Roland Spether

Es waren mahnende Worte, die Klaus Muttach seinem potenziellen Amtsnachfolger am Montagabend ins Stammbuch schrieb. „Die Qualität der Amtsführung macht einen wesentlichen Unterschied für die Entwicklung der Stadt in den kommenden acht Jahren“. Viel mehr wollte der scheidende Oberbürgermeister bei der zentralen Veranstaltung des Acherner OB-Wahlkampfs 2023, der offiziellen Kandidatenvorstellung der Stadt, am Montag nicht sagen.

Außer einer launigen Anmerkung, deren Potenzial für einen Lacher Muttach zuvor am Pressetisch getestet hatte: „Ich stehe hier alle acht Jahre. So entspannt wie heute war ich noch nie“, bekannte der 60-Jährige zum Vergnügen der knapp 600 Zuhörer, die an einem der vermutlich letzten lauen Spätsommerabende des Jahres die stickige Hornisgrindehalle dem Biergarten vorgezogen hatten.

Langsam den Stil gefunden

Für viele, die den Wahlkampf auch bisher schon gespannt verfolgt hatten, dürfte es sich gelohnt haben. Nicht nur des direkten Vergleichs wegen, sondern auch, weil Carmen Lötsch und Manuel Tabor (beide CDU) sowie Thomas Merkt (FBL) und Andreas Herbrandt nach Wochen des Wahlkampfs langsam ihren Stil gefunden haben.

Eine Viertelstunde durfte sich jeder der Bewerber vorstellen, danach gab es zwei Fragerunden. Die Regeln waren streng, das Programm sekundengenau getaktet, wie Moderator Michael Frey, Professor an der Kehler Hochschule für öffentliche Verwaltung, zuvor eingehend erklärt hatte. Überraschungen gab es in den jeweils viertelstündigen Vorstellungsrunden nicht, aber einen guten Überblick.

Der geht in etwa so: Carmen Lötsch, Fachbereichsleiterin Kultur bei der Stadt Offenburg, setzte vor allem auf die Überzeugungskraft ihrer Person – und auf Versprechungen. Von eigenen OB-Sprechstunden für die Stadtteile, Jugendliche und Senioren über Bündnisse für Wohnen („Wohnen ist Menschenrecht“) und für Kinderbetreuung („Erzieher sollen sich auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren können“) bis hin zu einem Familien- und Begegnungszentrum in der Mitte der Stadt brachte sie mit, was sie während des Wahlkampfs an Bedürfnissen eingesammelt hatte.

Sie sei, so warb sie in ihrer engagiert vorgetragenen Rede, „eine Person, die niemals aufgibt, eine Person, die sich schon einmal außerhalb der Ortenau umgetan hat, die für Achern kämpft, die für Achern da ist, die vollen acht Jahre“. Es liege ihr viel daran, „immer und zu jeder Zeit mit den Bürgerinnen und den Bürgern in Kontakt zu sein“.

Manuel Tabor, seit 13 Jahren Bürgermeister in Appenweier, setzte bei seiner Vorstellung vor allem auf Tempo, um die sekundengenau abgezählten 15 Minuten nicht zu reißen. Es gelang, und der 42-Jährige verwies wie Lötsch zuvor auch auf seine enge Beziehung zu Achern. Vor allem aber machte er die Bürger darauf gefasst, dass die kommenden Jahre kein reines Zuckerschlecken sein werden.

Klimawandel als Herausforderung

Unter anderem wegen der Digitalisierung und der Folgen des Klimawandels befänden sich die Kommunen an einem Wendepunkt. „Wir treffen in den nächsten Jahren Entscheidungen, die weit in die Zukunft reichen“. Dies geschehe unter erschwerten Bedingungen. „Die Einnahmen der Kommunen stagnieren, die Ausgaben steigen“. Zudem treffe der Fachkräftemangel Städte und Gemeinden hart.

Das heißt nicht, dass Tabor keine Chancen sieht. Er nannte die Investitionen in Bildung, Klimaschutz, das wachsende Verkehrsaufkommen, aber auch die gesellschaftliche Teilhabe für Jung und Alt als zentrale Aufgaben. Und, wie seine Mitbewerberin Carmen Lötsch zuvor auch, den Wohnungsmarkt, für den beide sich eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft vorstellen können: „Wir brauchen einen echten Neustart für bezahlbares Wohnen“.

Thomas Merkt, bereits beim ABB-Kandidatenforum in Großweier durch soliden Mutterwitz aufgefallen, stellte sich als „Methusalem unter den Bewerbern“ mit Verweis auf sein Geburtsjahr 1958 vor. Er habe in Freiburg und Kanada Volks- und Betriebswirtschaft studiert und sei dann „1996 in Achern hängen geblieben“. Dort, mittlerweile in den Fautenbacher Ortschaftsrat gewählt, zeichne er sich „durch pragmatische Vorschläge zum Wohle der Gemeinde aus, auch wenn manche meinen, es handle sich um fehlendes diplomatisches Geschick“.

Die Qualität der Amtsführung macht einen wesentlichen Unterschied.
Klaus Muttach
Oberbürgermeister

Amtsinhaber Muttach habe die Latte hoch gelegt, mit Großprojekten wie dem Klinikum, der Nordtangente oder dem neuen Rathausplatz (den Merkt bei Gelegenheit gerne als Sauna bezeichnet). Ruftaxis durch einen Bürgerbus zu ergänzen, die Grundversorgung in den Stadtteilen sicherzustellen oder auch städtische Einrichtungen in den Außenbereichen besser zu pflegen, stehen auf seiner To-do-Liste.

Redezeit nicht ausgenutzt

Nicht ausgereizt hat Andreas Herbrandt die Redezeit. Er wünscht sich ein „schöneres, menschlicheres Achern“. Und er erläuterte, einen Hanfstängel in die Höhe haltend, noch einmal seine Idee vom industriellen Hanfanbau, der sich nicht nur ökologisch auszahle, sondern auch die Interessen von Landwirten und Industrie unter einen Hut bringen könne, da man in der Region die gesamte Produktionskette bis hin zu Hanfpapier oder Baumaterialien ansiedeln könne.

Die rückwärts laufende Uhr zeigte noch sieben Minuten, als er sich mit dem Hinweis „es ist sehr warm hier vorn“ beim ebenfalls in drückender Schwüle sitzenden Publikum für die Aufmerksamkeit bedankte.

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